Die Nachricht aus Bayern elektrisierte Börsianer: Wacker Chemie will künftig in Amsterdam Corona- Impfstoff produzieren. Mit der Tübinger Biotechfirma Curevac schloss das MDAX-Unternehmen soeben einen Vertrag zur Herstellung des Impfstoffs CVnCoV. Erhält der Stoff aus Schwaben grünes Licht durch die Arzneimittelzulassungsbehörden, so will Wacker in den Niederlanden jährlich über 100 Millionen Dosen herstellen.

Ausgerechnet die kleinste Sparte des Spezialchemiekonzerns aus München sorgt so für Aufsehen an den Märkten, die Aktie sprang deutlich an. Wird Wacker Chemie damit zu einem Impfstoffgewinner? Noch ist das nicht ausgemacht, schließlich befindet sich der schwäbische Corona-Gegner CVnCOV erst in Phase 2 der klinischen Studien. Doch bislang haben Kandidaten anderer Hersteller, die mit der neuen mRNA-Technik entwickelt wurden, in den späteren klinischen Phasen gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt.

Wacker-Chef Rudolf Staudigl dürfte die imageträchtige Nachricht gut gefallen. Er muss im gegenwärtigen Umfeld hart sparen und hat einen Personalabbau von rund 1.200 Mitarbeitern angekündigt, 80 Prozent davon in Deutschland. Das und weitere Maßnahmen sollen die Kosten bis 2023 um 250 Millionen Euro pro Jahr senken.

Gekürzt wird überall, die große Ausnahme: die Sparte Biosolutions. Hier wird mehr investiert. Die Kapazitäten werden ausgebaut, vor allem in Amsterdam. Das betrifft Anlagen zur Fertigung herkömmlicher Impfstoffe. Eine brandneue Linie für mRNA-Vakzine wird gerade aufgebaut. Die Tochter Wacker Biotech ist Auftragsentwickler und -hersteller der Biopharmaindustrie. Die Sparte Biosolutions wies im Quartal zum Ende September rund zehn Prozent Zuwachs beim operativen Gewinn aus, die Marge lag bei 14 Prozent. Der Konzern rechnet hier mit weiterem Wachstum.

Biosolutions lieferte im Quartal nur 57 Millionen der 1,2 Milliarden Euro Konzernumsatz. Das Hauptgeschäft sind Chemieprodukte wie Silikone und Polymere, daneben stellen die Bayern Reinstsilizium für die Solarzellenproduktion her. Während das umsatzstarke Silikongeschäft konjunktursensibel ist und wegen des Corona-bedingten Abschwungs zuletzt fast 30 Prozent des operativen Gewinns einbüßte, läuft es bei den Polymeren sehr gut. Sie werden etwa für Baumaterialien gebraucht. Der Markt brummt wegen der Pandemie, der operative Gewinn der Sparte stieg zuletzt um 75 Prozent auf 85 Millionen Euro und lieferte damit fast genauso viel wie der größte Bereich Silikone.

Solarindustrie kommt zurück

Vielversprechend ist die Entwicklung bei Polysilizium. Das Unternehmen ist einer der weltgrößten Hersteller des Rohmaterials für Solarzellen. Im dritten Quartal gelang in dem stark zyklischen Geschäft die Rückkehr in die operative Gewinnzone. Für das kommende Jahr rechnen die Bayern mit einem Comeback des Markts für Solaranlagen. Dreht das Geschäft hoch, so könnte die Wirkung auf den Gewinn größer ausfallen als die der Impfstoffproduktion. Dem Kurs täte beides gut.

Spritze: Die Vakzin-Meldung zog Aktienkäufer an, der Kurs hat die 100-Euro-Marke geknackt. Weiteres Aufwärtspotenzial ist vorhanden.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 125,00 Euro
Stoppkurs: 74,00 Euro