Der Gewinn bricht um 99 Prozent ein, die Aktie klettert auf ein Allzeithoch - wie passt das zusammen? An der Börse wird nun mal nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft gehandelt. Die Zukunft, das ist für Walt Disney das Streaminggeschäft. Daher verwundert es nicht, dass sich Investoren für nur eine Zahl zu interessieren scheinen: Die Abonnenten des hauseigenen Video-Dienstes Disney+. Und diese steigt gerade in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich, wie sich an der Bilanz des ersten Quartals des laufenden Geschäftsjahres (per 02. Januar) zeigt, die der Unterhaltungskonzern am Donnerstagabend nach US-Börsenschluss im kalifornischen Burbank vorgestellt hat.

So kam Disney in den Monaten Oktober bis Dezember auf knapp 95 Millionen zahlende Nutzer. "Disney + hat selbst unsere höchsten Erwartungen übertroffen," sagte Disney-Chef Bob Chapek in einer Telefonkonferenz mit Investoren. Analysten hatten dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge mit lediglich 90,7 Millionen gerechnet. Rechnet man die Abonnenten des Streamingdienstes Hulu und des Sportkanals ESPN dazu, kommt Disney auf 146 Millionen Abonnenten.

Der Konkurrent Netflix zählt aktuell rund 204 Millionen Abonnenten. Der ehemalige DVD-Verleiher gewann im letzten Quartal 2020 knapp 8,5 Millionen Kunden dazu - Disney+ hingegen 21 Millionen. Die Video-Streaming-App aus dem Hause Walt Disney ist erst im Herbst 2019 an den Start gegangen und zählte damals noch 26 Millionen Nutzer. Disney kam "late to the streaming party" (spät zur Streaming-Party), wie Tara Lachapelle von Bloomberg beschreibt, habe nun aber seinen Platz gefunden.

Um im harten Kampf um Kunden zu bestehen, müssen sich die Streaminganbieter mit ihrem Angebot von der Konkurrenz abheben und die Nutzer an sich binden. Dafür produzieren die Unterhaltungsfirmen eigene Inhalte. Walt Disney lockt Abonnenten aktuell etwa mit der Stars-Wars-Western-Serie "The Mandalorian" oder dem Pixar-Film "Soul".

Der Animationsfilm "Soul" hätte eigentlich zuerst in den Kinos gespielt werden sollen. Die Kalifornier veröffentlichten den Film Ende des Jahres allerdings direkt auf Disney+. Wegen der Corona-Krise sind Kinos rund um den Globus geschlossen.

Gewinn - wenn auch nur ein kleiner


Pandemiebedingt sind auch die zu Disney gehörenden Freizeitparks zu, die Kreuzfahrtschiffe liegen in den Häfen vor Anker und Sportveranstaltungen wurden abgesagt. Der Umsatz in dieser Sparte, die in normalen Zeiten ein zuverlässiger Profitbringer ist, brach im abgelaufenen Quartal um 53 Prozent ein. Zudem verursachte die Corona-Krise Sonderbelastungen von 2,6 Milliarden US-Dollar.

Im Zeiten von eingeschränkten Sozialkontakten melden sich immer mehr Menschen bei Streamingplattformen an, um sich in unterhalten zu lassen. So erzielte Disney im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres einen kleinen Gewinn von 17 Millionen Dollar. Im Vorjahr waren es noch 2,1 Milliarden Dollar - ein Minus von 99 Prozent. Dennoch wurden die Erwartungen der Analysten übertroffen, die mit einem erneuten Verlust gerechnet hatten. Der Umsatz sank um 22 Prozent auf 16,2 Milliarden Dollar. Auch hier hatten Analysten Schlimmeres befürchtet.

Für das laufende Jahr hofft Disney nun - wie so viele - auf die Corona-Impfungen. Für Chef Chapek wäre es ein "game changer", sollte jeder, der möchte, geimpft sein. Bis dahin muss er sich auf den Video-Dienst Disney+ verlassen. "Disney+ hat die Disney-Aktie durch die Pandemie getragen. Es ist nun an der Zeit, herauszufinden, ob eine App für sieben Dollar pro Monat zum Rückgrat eines der weltweit einflussreichsten Unternehmen werden kann," so Bloomberg-Expertin Lachapelle.

Die Disney-Aktie legte im vergangenen Jahr um 25 Prozent zu. Am Freitag stieg sie im vorbörslichen US-Geschäft um ein Prozent auf ein neues Rekordhoch von 192,79 Dollar.

Einschätzung der Redaktion


Disney ist - unter gegebenen Umständen - gut in das neue Jahr gestartet. Die Corona-Krise belastet das traditionelle Geschäft weiterhin stark. Geschlossene Parks etwa verursachen weiter Kosten, erzielen aber keinen Umsatz.

Disney ist mehr denn je gezwungen, sich auf das wachstumsstarke Zukunftsgeschäft mit Streaming zu fokussieren. Hier ist die Konkurrenz durch Netflix, Amazon (Prime Video) und andere Anbieter hart, die Kosten für Werbung sind hoch.

Die Disney-Aktie ist bereits stark gelaufen. Wir raten dazu, sich mit Neuengagements vorerst zurückzuhalten und Kursrücksetzer abzuwarten.