Es hat etwas vom Wilden Westen. Wer sich nachts auf die Straßen der amerikanischen Metropole Detroit wagt, muss schon einen triftigen Grund dafür haben. Armut und Arbeitslosigkeit sind hoch, die Kriminalität liegt weit über dem Landesdurchschnitt. Zur Blütezeit in den 50er-Jahren lebten fast zwei Millionen Menschen in der "Motor City". Heute zählt die Autostadt noch rund 700 000 Einwohner. Zehntausende Gebäude stehen leer und sind dem Verfall überlassen.

Detroits Niedergang ist ein Spiegelbild der Probleme der amerikanischen Automobilindustrie. Zuletzt hatte die Finanzkrise mit der darauffolgenden Rezession den "Big Three", den drei großen US-Autobauern Chrysler, Ford und General Motors, zugesetzt. 2009 wurden in den USA nur noch etwas mehr als zehn Millionen Autos verkauft.

Inzwischen geht es wieder aufwärts. Im Herzen Detroits entstehen lebenswerte Stadtviertel. Und auch die Autobosse haben Grund zur Freude. "In diesem Jahr werden in den USA mehr als 16 Millionen Fahrzeuge verkauft", erwartet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts an der Uni Duisburg-Essen.

Die Amerikaner sind in Kauflaune. Die US-Wirtschaft könnte als Wachstumslokomotive unter den Industrieländern in diesem Jahr um 2,8 Prozent wachsen, erwartet die Weltbank.

Lesen Sie auf Seite 2, warum der US-Markt einen hohen Stellenwert für deutsche Autobauer hat.

Deutsche glänzen in den USA

Der hohe Stellenwert des US-Markts für die deutschen Autobauer zeigt sich auf der North American International Auto Show in Detroit. Daimler nutzt die wichtigste Automesse Nordamerikas, um neben der neuen C-Klasse sein Flaggschiff zu präsentieren: den Mercedes-Benz S 600. Der Luxusliner bringt 530 PS auf den Asphalt und katapultiert das Fahrzeug in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100.

Der Münchner Kontrahent BMW rückt die sportliche Limousine M3 und das Sport-Coupé M4 ins Rampenlicht. Bei Porsche sollen der offene Sportwagen 911 Targa, ebenfalls einer der Stars in Detroit, und der kompakte SUV Macan die Wachstumsdynamik hochhalten.

Die Nachfrage nach leistungsstarken Fahrzeugen ist in den USA traditionell hoch. Die Verkaufsstatistiken dominieren wuchtige Pick-ups, schwere Geländewagen (SUV) und hochmotorisierte Limousinen. Die seit Monaten rückläufigen Spritpreise steigern die Lust der Amerikaner auf große, schnelle Autos zusätzlich. Die USA sind schließlich auf dem besten Wege, der weltgrößte Ölproduzent zu werden.

So rasant wie in den vergangenen Jahren dürfte sich der US-Automarkt in Zukunft dennoch nicht entwickeln. Viele Amerikaner haben ihre überalterten Vehikel bereits gegen ein neues Fahrzeug ausgetauscht. "Der Markt ist nahezu gesättigt. Langfristig wird sich der Absatz in den USA zwischen 16 und 18 Millionen Autos einpendeln", sagt Autoexperte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management.

Lesen Sie auf Seite 3, warum VW-Chef Martin Winterkorn die USA für den härtesten Automarkt der Welt hält.

Darum schwächelt VW

Das trifft zumindest auf die Volumenhersteller zu. Der weltweit drittgrößte Autobauer Volkswagen bekommt das bereits zu spüren. Der Absatz der Kernmarke VW fiel im vergangenen Jahr in den USA um knapp sieben Prozent. Im Dezember traf es die Niedersachsen besonders hart - das Absatzminus belief sich auf 23 Prozent. Konzernchef Martin Winterkorn bekräftigte dennoch das Ziel, bis 2018 in den USA eine Million Volkswagen und Audi pro Jahr zu verkaufen. Zum Vergleich: 2013 waren es 611 000.

Winterkorn gesteht aber ein: "Amerika ist der härteste Automarkt der Welt." Die US-Hersteller finden zurück zu alter Stärke, die Konkurrenz aus Asien drängt mit Kampfpreisen in den Markt. Zudem kämpft Europas größter Autobauer offenbar mit Qualitätsproblemen. In den Qualitätsrankings der Marktforscher von JD Power fand sich die Marke Volkswagen zuletzt auf den hinteren Rängen wieder.

Um die Probleme kümmert sich nun Michael Horn. Als neuer USChef soll der langjährige VW-Manager die Wolfsburger Kernmarke zurück in die Erfolgsspur bringen. Dazu investieren die Niedersachsen in den kommenden fünf Jahren mehr als sieben Milliarden Dollar in Nordamerika. In zwei Jahren soll ein neuer Geländewagen mit sieben Sitzen die Kauflaune der Amerikaner entfachen. Die Studie wurde bereits vor einem Jahr unter dem Namen "Cross Blue" vorgestellt - natürlich in der Autostadt Detroit.

Experten werfen VW eine verfehlte Modellpolitik in den USA vor. "Ein weiteres Modell oder eine neue Fabrik ist nicht die Lösung für Volkswagens Probleme in den USA. Die Modellpalette und der gesamte Auftritt sind verwaschen. Die Marke muss fokussiert positioniert werden", glaubt Autoprofessor Dudenhöffer. Massenautos und Premiummodelle unter einer Marke - das funktioniere in den USA nicht.

Lesen Sie auf Seite 4, wie Daimler die weltweite Nummer eins im Premiumsegment werden will.

Daimler will nach ganz oben

Audi und Porsche, die Premiummarken im VW-Konzern, haben ein geschärftes Profil und befinden sich wie Mercedes-Benz und BMW im Aufwind. Im vergangenen Jahr verzeichneten die vier deutschen Premiumhersteller durchweg hohe Zuwachsraten in den USA. Die Stuttgarter Nobelmarke Mercedes-Benz sicherte sich mit 312 000 Verkäufen knapp vor dem langjährigen Platzhirsch BMW die Poleposition unter den Premiumherstellern.

Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist das nur ein Etappensieg auf dem Weg zur weltweiten Nummer 1 im Premiumsegment. "Das Ziel ist sehr ambitioniert, aber die Richtung stimmt", sagt Experte Bratzel.

Die Mannschaft um Zetsche denkt bereits über den Bau einer weiteren Fabrik in Nordamerika nach. Die Bänder im Mercedes-Werk in Tuscaloosa/ Alabama laufen unter Volllast. Ähnliche Sorgen treiben BMW um. Die steigende Nachfrage nach den SUV der Bajuwaren bringen das Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina trotz Sonderschichten an die Grenze. BMW kündigte bereits im vergangenen Jahr an, die Kapazität an dem Standort deutlich aufzustocken.

Lesen Sie auf Seite 5, wie sich der Trend zu Premiummarken fortsetzen dürfte.

Premium wächst stärker

"Der Trend hin zu Premiumfahrzeugen wird sich fortsetzen", ist sich Ferdinand Dudenhöffer sicher. Der Autoexperte verweist darauf, dass in den USA nur etwa jedes zehnte verkaufte Auto ein Premiumfahrzeug ist. Zum Vergleich: In Deutschland wurde 2013 fast jedes dritte Fahrzeug bei einem Premiumhersteller geordert. In diesem Jahr verkaufen die Edelmarken laut Dudenhöffer voraussichtlich zwei Millionen Autos in den USA. Daraus ergibt sich ein Wachstum von elf Prozent - deutlich über dem des Gesamtmarkts.

Bislang ist das Auto in den USA vor allem eines: ein Gebrauchsgegenstand. Aber es setzt ein Wandel ein. "Wer es sich leisten kann, fährt eine Premiummarke. Am liebsten eine deutsche", sagt Bratzel. Die deutschen Hersteller gelten demnach als Technologieführer.

Um diesem Ruf gerecht zu werden, haben sich die Mercedes-Ingenieure mächtig ins Zeug gelegt. Ein Highlight der S-Klasse ist "Magic Body Control": Eine Kamera erkennt Fahrbahnunebenheiten, das Fahrwerk stellt sich automatisch ein und lässt das Fahrzeug darüber hinweggleiten. Ganz ohne Holpern in Amerika unterwegs - mit dem Luxus- Mercedes wird der Traum aller Automanager zumindest auf der Straße Wirklichkeit.