Die Hoffnung auf eine weitere geldpolitische Lockerung im Euroraum und in den USA treibt die Aktienkurse und den Goldpreis weiter an. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank Fed deuteten ihre Bereitschaft an, bei einer weiteren Konjunktureintrübung möglicherweise die Leitzinsen zu senken. Konkrete Ankündigungen machten sie bisher aber nicht.

Die fast parallelen Äußerungen der beiden weltweit wichtigsten Zentralbanken haben die Börsen in den vergangenen Tagen beflügelt. Der DAX erreichte am Donnerstag den höchsten Stand in diesem Jahr, der US-Leitindex S&P500 mit 2956 Punkten sogar den höchsten Stand seiner Geschichte. Eine lockere Geldpolitik stützt grundsätzlich den Aktienmarkt. Die Finanzmärkte hoffen auf einen Wachstumsschub für die Weltwirtschaft durch die in Aussicht gestellten Zinssenkungen. Wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China und neuer Konjunkturrisiken steigt aber gleichzeitig die Gefahr von Börsenkorrekturen. Experten wie Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater warnen davor, dass die Notenbanken im Fall eine Rezession nur noch begrenzt die Konjunktur stützen können.

EZB-Chef Mario Draghi hatte am Dienstag bei einer Notenbanksitzung im portugiesischen Sintra eine weitere Lockerung der Geldpolitik nicht ausgeschlossen. Falls sich der Konjunkturausblick nicht bessere und die Inflation nicht anziehe, stellte er Zinssenkungen oder weitere Anleihekäufe durch die EZB in Aussicht: "Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen." Die EZB, die den Leitzins in der Eurozone seit dem Jahr 2016 auf einem Rekordtief von 0,0 Prozent hält, hatte bereits Anfang Juni wegen zunehmender Konjunktursorgen eine mögliche Wende hin zu wieder steigenden Zinsen bis weit in das kommenden Jahr hinein verschoben.

Am Mittwoch zog die US-Notenbank Fed nach. Sie ließ zwar den Leitzins unangetastet, bereitete aber angesichts des Handelsstreits und einer sich ab-kühlenden Weltwirtschaft einer baldigen Zinswende den Boden. "Wir werden bei Bedarf handeln und unsere Instrumente nutzen, um das Wachstum zu sichern", sagte Fed-Chef Jerome Powell, ohne konkret zu werden. Noch im vergangenen Jahr hatte die US-Notenbank die Zinsen deutlich angehoben. Am Mittwoch hatte sie den Leitzins in einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent unverändert gelassen und damit Forderungen von US-Präsident Donald Trump nach einer raschen Zinssenkung ignoriert. Ob es tatsächlich bereits im Juli zur ersten Zinssenkung kommen wird, wie es Marktteilnehmer erwarten, ist allerdings offen. Dies hängt neben der weiteren Konjunkturentwicklung auch vom Handelskonflikt und vom Verlauf des G20-Gipfels in Japan Ende Juni ab. Dort ist auch ein Treffen von US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping geplant.

Neue Rally bei Gold


Die Spekulationen auf sinkende Zinsen in den USA haben einerseits den Dollar belastet, anderseits aber den Goldpreis auf den höchsten Stand seit fast sechs Jahren getrieben. Der Preis für eine Feinunze kletterte am Freitag auf über 1410 Dollar. Seit Monatsanfang hat sich das Edelmetall damit um mehr als 90 Dollar verteuert. Einige Analysten rechnen mit weiter steigenden Goldpreisen, angetrieben vom niedrigen Dollarkurs. Da Gold international in Dollar gehandelt wird, können Anleger außerhalb des Dollarraums günstiger in Gold investieren. Bei sinkenden Zinsen steigt zudem die Attraktivität von Gold, das selbst keine Zinsen bringt, gleichzeitig aber als Inflationsschutz gilt. Auch die zahlreichen politischen Risiken und insbesondere die Spannungen zwischen den USA und Iran haben zur neuen Gold-Rally beigetragen.

Die Zinssenkungsfantasien sorgten auch bei Staatsanleihen für steigende Kurse, die Renditen gaben im Gegenzug deutlich nach. Sinkende Leitzinsen bewegen Anleger, ihr Geld nicht nur in Aktien, sondern auch in Staats- und Unternehmensanleihen mit hoher Bonität zu investieren. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe fiel zum ersten Mal seit 2016 unter zwei Prozent. Die Verzinsung der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe sank auf minus 0,32 Prozent. Inzwischen haben 86 Prozent aller Bundeswertpapiere eine negative Rendite.