War die Situation bei Buch- und Zeitschriftenverlagen im Frühjahr angespannt, kann man sie inzwischen kaum anders als dramatisch bezeichnen: Den Verlagen geht das Papier aus. Auch in anderen Branchen hat sich Papier im laufenden Jahr zu einer Art "weißem Gold" entwickelt. Die Preise dafür steigen stark. Besonders betroffen sind Unternehmen, die sogenannte grafische Papiere benötigen, die zum Bedrucken, Beschreiben oder Kopieren geeignet sind.

"Hintergrund ist der anhaltende Strukturwandel in diesem Bereich", erklärt Gregor Geiger, Sprecher des deutschen Branchenverbands Die Papierindustrie. Seit 2012 sei die Nachfrage nach grafischen Papieren europaweit um 44 Prozent zurückgegangen. "Das hat zu einem starken Abbau von Produktionskapazitäten geführt", sagt Geiger. Der rächt sich nun, denn seit der Pandemie gibt es aus einer Reihe von Gründen einen Nachfrageüberhang. Da ist etwa der Boom von Internetbestellungen, der den Bedarf an Verpackungsmaterialien wie Wellpappe oder Karton in die Höhe schnellen ließ. Viele Papierhersteller haben deshalb Werke von Papier- auf Pappproduktion umgestellt, etwa die finnische Stora Enso.

Steigende Papierpreise verschaffen Herstellern hohe Profite, könnte man denken. Doch die aktuelle Situation ist auch für viele Produzenten unerfreulich. Denn nicht alle schaffen es, die wieder gestiegene Nachfrage zu bedienen. Die Unternehmen können abgebaute Produktionskapazitäten nicht so einfach reaktivieren.

Auch Rohstoffknappheit treibt die Preise. So wird Zeitungspapier immer teurer, weil auch der Hauptrohstoff Altpapier seit Jahresanfang um etwa 78 Prozent teurer geworden ist. Der Preis von Zellstoff, dem wichtigsten Rohstoff in der Papierherstellung, zieht ebenfalls an. "Die Hersteller stehen vor allem bei den Kostenfaktoren Rohstoffe und Energie unter Druck", erklärt Geiger.

Nicht allen Produzenten dürfte es gelingen, die höheren Kosten an ihre Kunden weiterzureichen. Auf kurze Sicht sind die Gewinner der Papierpreisentwicklung deshalb weitaus weniger klar als es scheint. Ein kurzfristiges Investment in Papieraktien ist im Grunde eine Wette darauf, dass es den Unternehmen gelingt, Preissteigerungen durchzusetzen. Der Erfolg hängt auch davon ab, in welchen Bereichen die Konzerne tätig sind und welche Preissetzungsmacht sie in ihren Märkten haben. Trotz anziehender Papierpreise entwickelten sich die Aktien der Branche seit Jahresbeginn sehr unterschiedlich. Für den schwedischen Konzern Svenska Cellulosa etwa ging es an der Börse seither leicht abwärts, die Aktie des finnischen Konkurrenten UPM-Kymmene lief hingegen seitwärts.

Spannender sind die langfristigen Aussichten. Viele Firmen aus der Papierindustrie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Papier, Recycling und Forstwirtschaft - drei Sektoren, deren Perspektiven vielversprechend sind. Papier wird als Rohstoff etwa in der Verpackungsindustrie immer wichtiger, weil es zunehmend Plastik ersetzt. Ein gewichtiges Argument für seinen Einsatz hierbei ist die Tatsache, dass es sich gut recyceln lässt. Das liegt daran, dass Papier aus Zellstoff oder Holzstoff produziert wird - Rohstoffen, die zahlreiche Papierfirmen selbst herstellen, teilweise auf Grundlage eigener Waldbestände.

Pappe statt Plastik

Die Abkehr vom Plastik macht sich bereits jetzt in den Zahlen von Herstellern papierbasierter Verpackungen bemerkbar. "Wir sehen diesen Nachfrageschub im Moment schon sehr deutlich", sagt Christoph Butz, Manager des Forstwerte-Fonds Pictet-Timber. Butz ist sich sicher, dass es sich nicht um ein Strohfeuer handelt. "Der Ersatz von Plastikverpackungen aus Erdöl durch nachhaltige, rezyklierbare und in der Natur abbaubare Papierverpackungen wird als wichtiger struktureller Wachstumstreiber noch lange wirksam bleiben." Noch machen papierbasierte Verpackungen erst ein Drittel des globalen Verpackungsmarkts aus. Kartonherstellern komme im Zuge des Wandels zugute, dass viele Verbraucher bereit seien, für eine nachhaltige Verpackung tiefer in die Tasche zu greifen, sagt Butz.

Oft führen rosige Geschäftsaussichten dank strukturellen Wandels dazu, dass sich Firmen plötzlich Konkurrenz aus China gegenübersehen. Photovoltaik-Investoren wissen das nur zu gut - in Deutschland wurde vor Jahren die Photovoltaik-Industrie mit hohen Subventionen gepäppelt, inzwischen dominiert hier Fernost.

Auch auf dem Papiermarkt sitzt mit Nine Dragons Paper einer der größten Produzenten im Reich der Mitte. Europäische und nordamerikanische Papierunternehmen, zumindest solche, die Forstwirtschaft betreiben, haben aber einen Vorteil. China habe zu wenig eigenen Wald und müsse bereits für den heimischen Markt große Mengen an Holz und holzbasierten Fasern importieren, erklärt Pictet-Experte Butz. "Das wird sich auch nicht so schnell ändern. Zwar hat China versucht, diesem strukturellen Defizit mit Aufforstungen im eigenen Land zu begegnen, aber das ist bisher nicht viel mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein." Das Land sei für westliche Forstunternehmen eher Absatzmarkt als Konkurrent.

Im Holz steckt’s

Viele Papierhersteller sind in einem Wachstumssegment aktiv, müssen kaum chinesische Konkurrenz fürchten und profitieren vom Nachhaltigkeits-Boom. Das gilt vor allem für größere Konzerne, die nicht nur Papier herstellen, sondern auch in der Forstwirtschaft aktiv sind. Holz hat es in sich: "Grundsätzlich gilt, dass sich alles, was heute aus Erdöl hergestellt wird, auch aus Bäumen herstellen lässt", sagt Butz. Das nutzen Firmen aus dem Papier- und Forstbereich weidlich aus.

Die finnische UPM-Kymmene zum Beispiel produziert auch Biotreibstoffe auf Holzbasis und baut in Deutschland gerade eine Bioraffinerie, in der industrieller Zucker, Glykol und Lignin hergestellt werden sollen - Grundstoffe, die in bis dato erdölbasierten Prozessen wie der Kosmetika-Produktion eingesetzt werden. Die Aktie des Unternehmens sei einen Blick wert, urteilt Andrea Carzana, Fondsmanager bei Columbia Threadneedle. Auch Stora Enso ist in der Entwicklung holzbasierter Materialien aktiv. Das Unternehmen hat unter anderem ein Verfahren entwickelt, mit dem aus Lignin, das als Abfallprodukt der Zelluloseherstellung anfällt, Anoden hergestellt werden können, die in den Lithium-Ionen-Batterien von Elektroautos zum Einsatz kommen können. Von Papier ist das zwar ziemlich weit entfernt. Spannend für Anleger ist es aber allemal.
 


INVESTOR-INFO

UPM-Kymmene

Breite Palette

Der größte Papierkonzern Europas erzielt heute weniger als die Hälfte des Nettoumsatzes mit dem Kernprodukt. Zellstoff, Holzprodukte, Etiketten oder Verpackungen und zunehmend auch Biokraftstoffe zählen zum Portfolio. UPM-Kymmene ist mit eigenen Forstbeständen und der kompletten Wertschöpfungskette klassisch breit aufgestellt. Die Aktie ist moderat bewertet, die Dividendenrendite ist vergleichsweise üppig.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 36,00 Euro
Stoppkurs: 26,90 Euro

Sstora Enso

Schickes Portfolio

Die finnisch-schwedische Firma legt neben den traditionellen Zweigen Papier, Holzprodukte und Forstwirtschaft zunehmend Gewicht auf Biomaterialien. Im Papiersegment gewichtet Stora Enso Verpackungen stärker als UPM. Anleger setzen damit auf den Nachhaltigkeitstrend in der Verpackungsbranche. Das Thema E-Mobilität ist nach Umsatz noch klein, bietet aber langfristig Kursfantasie.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 17,00 Euro
Stoppkurs: 11,60 Euro

Mayr-Melnhof Karton

Alles auf Pappe

Die Österreicher sind einer der wichtigsten Hersteller von Faltschachteln und Recycling-Kartons. Wem die Konzernstruktur der nordeuropäischen Konkurrenz zu unübersichtlich ist, der bekommt hier einen Papierproduzenten, der sich auf das Wesentliche konzentriert. Sein Aktienkurs ist zuletzt stark gestiegen, was sich auch in der Bewertung widerspiegelt: Mayr-Melnhof ist im Branchenvergleich eher hoch bewertet.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 190,00 Euro
Stoppkurs: 138,00 Euro