Ein robustes US-Wirtschaftswachstum und die Hoffnung auf eine Einigung im Handelsstreit mit Kanada haben den US-Börsen in den vergangenen Tagen neue Höchststände beschert. Die Frage, wie lange der inzwischen längste Bullenmarkt der US-Börsengeschichte noch andauern kann, beschäftigt derzeit die Investoren.

Seit dem Haussestart am 9. März 2009 ist der Leitindex S & P 500, der die 500 größten börsennotierten US-Konzerne enthält, ohne größere Korrekturen um rund 330 Prozent geklettert. Einen ähnlich langen Aufschwung, der nicht von Rückschlägen von mindestens 20 Prozent unterbrochen war, hatte es zuletzt in den 1990er- Jahren gegeben. Er endete im März 2000 mit dem Crash der Internetaktien. Auch in den 1920er-Jahren gab es einen derart lang andauernden Börsenboom, der erst mit der Weltwirtschaftskrise endete.

Die aktuelle Rekordserie an der Wall Street spiegelt vor allem die Stärke der US-Wirtschaft wider. Sie zeigt sich in guten Quartalszahlen der Unternehmen und einer insgesamt brummenden US-Konjunktur. Beflügelt von Steuersenkungen ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal annualisiert um 4,2 Prozent gewachsen - so viel wie seit fast vier Jahren nicht mehr. Und doppelt so schnell wie im ersten Quartal des Jahres. Alles in allem überdeckt das die zwischenzeitlich immer mal wieder aufflackernden Sorgen vor einer Eskalation des Handelsstreits.

Gigantische Aktienrückkäufe

Es gibt gute Gründe, auf eine Fortsetzung der Rekordserie zu hoffen, auch wenn die Schwankungen und Risiken weiter zunehmen dürften - auf diesen Nenner bringt es zumindest Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Der Handelsstreit mit China, aber auch die anstehende Leitzinserhöhung der US-Notenbank Fed und damit verbundene Konjunkturängste könnten demnach im Herbst Rückschläge auslösen. "Für das kommende Jahr erwarten wir jedoch neue Rekordhochs", erläutert Krämer. "Das liegt vor allem an den Steuersenkungen. Sie erklären, weshalb die im S & P 500 gelisteten Unternehmen ihre Gewinne allein in diesem Jahr um 23 Prozent steigern dürften." Als Folge rechnet Krämer für 2018 auch mit Aktienrückkäufen im Wert von 1,2 Billionen Dollar. Dieser Boom werde auch 2019 anhalten. "Trump facht die Aktienkurse mit seinen Steuersenkungen weiter an."

Zumindest für dieses Jahr halten maßgebliche Aktienstrategen das Potenzial des S & P 500 aber für ausgereizt, wie eine Umfrage von €uro am Sonntag ergab. So rechnet die Commerzbank mit einem Jahresendstand von 2900 Punkten, die Postbank von 2925 Punkten, die Nord/LB von 2850 Punkten, die DekaBank von 2800 Punkten. Lediglich Donner & Reuschel kann sich 3000 Punkte vorstellen. "Neue Allzeithöchststände setzen oft eine zusätzliche Dynamik frei", glaubt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel. "Deshalb stehen die Chancen gut, dass der S & P 500 auch kurzfristig weitere Gewinne verbuchen kann."

Als Hauptrisiko sehen Experten die bereits hohe Bewertung der US-Aktien, etwa gemessen an den Kurs-Gewinn-Verhältnissen (S & P 500 bei 18, DAX bei 13, EuroStoxx 50 bei knapp 14). "Die Kurse betragen inzwischen das 17-Fache der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Unternehmensgewinne", warnt Commerzbank-Volkswirt Krämer. "Auch das Verhältnis der Kurse zu den Buchwerten liegt mit über drei mittlerweile um mehr als 30 Prozent über dem Zehnjahresschnitt."

Joachim Schallmayer von der DekaBank wiederum rechnet damit, dass sich in den kommenden Monaten sowohl das Wachstum der US-Konjunktur als auch das der Unternehmensgewinne spürbar verlangsamen könnte, flankiert von weiteren Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed. Ein weiteres Warnsignal sehen Beobachter darin, dass der S & P-Anstieg zuletzt von immer weniger Werten getragen worden ist. Nachlassende Marktbreite sei häufig vor Kurskorrekturen zu beobachten.