Es gibt darin allerdings keine gemeinsamen Empfehlungen. Vielmehr legten die Parteien im aufziehenden Wahlkampf sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Neben Scholz steht vor allem der langjährige Wirecard-Bilanzprüfer EY in der Kritik. Die SPD betonte, Scholz habe rechtzeitig die nötigen Konsequenzen aus dem Fall gezogen.

Der Vorsitzende des parlamentarischen Sondergremiums, der AfD-Politiker Kay Gottschalk, warf Scholz vor, an seinem Sessel zu kleben. "Herr Scholz muss zurücktreten." CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer sagte, Scholz hätte zumindest seinen Staatssekretär Jörg Kukies wegen Versäumnissen bei der Bonner Finanzaufsichtsbehörde freistellen müssen. "Er hat den Hut bei der BaFin auf." Neben der BaFin habe in dem Fall auch die Geldwäscheaufsicht versagt, kritisierte Fabio De Masi von den Linken. "Der Finanzminister kann sich hier nicht wegducken."

Die SPD konterte, es gebe im Abschlussbericht keine konkreten Verfehlungen von Scholz. "Ich halte das für Wahlkampf-Getöse", sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe. Die Wirecard-Bilanzen seien seit 2010 fehlerhaft gewesen, Scholz aber erst seit 2018 Finanzminister. "Er hat sofort gehandelt", ergänzte SPD-Politiker Jens Zimmermann. Es seien mit dem Wirecard-Gesetz FISG erste Konsequenzen gezogen worden, für eine besseren Aufsicht und Bilanzprüfung. Scholz habe an keiner Stelle die Chance gehabt, den Skandal zu verhindern. Wichtig sei nun, den Kulturwandel bei der BaFin unter dem neuen Präsidenten Mark Branson mit Leben zu füllen.

Die FDP warf Scholz vor, als Finanzminister schon auf das Kanzleramt zu schielen und den Job nur mit halber Kraft zu machen. Er wolle im Wahlkampf aber gerade mit seiner Regierungserfahrung punkten. "Dann darf so etwas nicht passieren." Die Grünen als potenzieller Regierungspartner der SPD nach der Bundestagswahl im September betonten, Scholz könne keine Fehler eingestehen. Das sei aber wichtig für einen Kanzler, so Grünen-Politikerin Lisa Paus.

Vorgeworfen wird dem Finanzministerium in erster Linie das sogenannte Leerverkaufsverbot, das die BaFin Anfang 2019 verhängt hatte. Damit wurden Wetten auf Kursverluste mit Wirecard-Aktien unterbunden - obwohl es damals schon Vorwürfe zu Bilanzungereimtheiten gegen das ehemalige Dax-Unternehmen gab. Der BaFin wird zur Last gelegt, Wirecard damit ein Gütesiegel ausgestellt zu haben. Das Finanzministerium hätte dies verhindern müssen, so CDU-Politiker Hauer.

"ES SIND VIELE ROTE AMPELN ÜBERFAHREN WORDEN"


Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Manager von Wirecard sitzen in Untersuchungshaft, ein früherer Vorstand ist auf der Flucht. Am Dienstag durchsuchte die Staatsanwaltschaft München einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge das Büro und das Privathaus des Wirecard-Aufsichtsratschefs; dabei gehe es um den Verdacht der Beihilfe zur Untreue. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.

Ernst & Young hat jahrelang die Bilanzen des Zahlungsabwicklers testiert. CDU-Politiker Fritz Güntzler - selbst Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - sagte, EY sei seiner Funktion nicht gerecht geworden. Sondergutachten hätten schwere Versäumnisse und nur lasche Kontrollen aufgezeigt. "Es sind viele rote Ampeln überfahren worden." Fehlende Gelder seien für Abschlussprüfer eigentlich am leichtesten zu beanstanden. Standard-Verfahren hätten gereicht, den Betrug aufzudecken. SPD-Politikerin Kiziltepe ergänzte, eine kritische Grundhaltung habe bei der Bilanzprüfung gefehlt. EY behindere zudem die Aufklärung des Falls, habe viele Stellen im Abschlussbericht streichen oder schwärzen wollen.

EY teilte mit, das Unternehmen bedauere, den Betrug nicht früher aufgedeckt zu haben. Dafür werde Verantwortung übernommen. "Mit dem Wissen von heute hätte EY im Kernbereich des Betruges umfangreichere Prüfungshandlungen vorgenommen und Handlungsalternativen stärker in Betracht gezogen. Ob und inwieweit dies damals zu einer früheren Aufdeckung geführt hätte, lässt sich angesichts der hohen kriminellen Energie der beteiligten Akteure letztlich nicht sagen." Wirecard bleibe aber ein Einzelfall. Güntzler sagte, EY habe die gesamte Branche in Misskredit gebracht und kämpfe daher nun gegen Schadenersatzforderung und einen Reputationsverlust.

rtr