Die Wirecard-Aktien sind am vergangenen Mittwoch in der Spitze um 24 Prozent abgestürzt. In einer im Internet kursierenden Studie von Zatarra Research & Investigations werden schwere Vorwürfe gegen den im TecDax notierten Zahlungsdienstleister erhoben. Angebliche "Beweise" zeigten, dass führende Wirecard-Manager Geldwäsche begangen hätten. Außerdem wirft Zatarra Wirecard u.a. Betrug zulasten zweier großer US-Kreditkartenfirmen vor.



Die angeblich "illegalen Praktiken" würden zu Sanktionen der US-Behörden, der europäischen Aufsichtsbehörden und der betroffenen Kreditkarten-Firmen führen, heißt es in der Zusammenfassung zu der Erst-Studie ("Initiation of coverage"). Angesichts dieser Ausgangslage liege das Kursziel für die Wirecard-Aktie bei "null Euro".

Investoren reagierten verschreckt. Zum Handelsschluss im Frankfurter Parketthandel notierte die Aktie am Mittwoch Abend rund 14 Prozent im Minus. In der Spitze war die Wirecard-Aktie um bis zu 25 Prozent in die Tiefe gerauscht. Damit hatten sich bis zu 1,3 Milliarden Euro in Luft aufgelöst.




"Kompletter Schwachsinn"


Ein Wirecard-Sprecher wies die Vorwürfe gegenüber BÖRSE ONLINE scharf zurück. Die Behauptungen seien "falsch und kompletter Schwachsinn". Man werde mit juristischen Mitteln gegen die Behauptungen vorgehen, sagte der Sprecher am Mittwoch Mittag.

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Dubiose Praktiken


Branchen-Experten sehen den Zatarra-Report äußerst kritisch. Selbst erfahrene Analysten haben von dem vermeintlichen Research-Anbieter bislang noch nie etwas gehört. Unklar ist auch, wer den Report geschrieben hat. Üblicherweise werden der oder die Autoren einer entsprechenden Analyse genannt, in der Regel bereits auf der 1. Seite. Bei Zatarra ist kein Autor zu finden. Auch über den Sitz von Zatarra ist dem Report nichts zu entnehmen. Zudem wirft die Webseite zahlreiche Fragen auf. Die entsprechende Domain wurde offenbar erst am 17. Februar 2016 registriert. Branchen-übliche Informationen wie etwa Angaben zur Unternehmenshistorie fehlen auf der Seite völlig. Wirecard ist das einzige Unternehmen, zu dem Zatarra eine Studie veröffentlicht hat



Das Vorgehen bei Wirecard erinnere in vielen Punkten an frühere Praktiken dubioser Research-Unternehmen, heißt es aus der Branche. Die Masche laufe stets nach einem ähnlichen Muster: Erst wird ein Unternehmen mit plausibel klingelnden, aber zweifelhaften Vorwürfen wie Geldwäsche oder Betrug konfrontiert und die Aktie damit zu Fall gebracht. Dann machen die Hintermänner Kasse.

Bei Wirecard hat die Attacke bestens funktioniert. Das Papier war am Mittwoch zunächst um rund 24 Prozent abgestürzt, machte später aber einen Teil der Kursverluste wieder wett. Insgesamt wurden bis zum frühen Nachmittag 5,2 Millionen Aktien gehandelt (siehe Grafik). Üblich ist einem Wirecard-Sprecher zufolge ein täglicher Handelsumsatz von rund 500.000 Anteilsscheinen.

Es spreche "sehr viel" dafür, dass Wirecard Opfer einer solchen Betrugsmasche geworden sei, sagte auch ein Analyst gegenüber BÖRSE ONLINE. Die Erstellung eines Reports koste "50.000 bis 60.000 Euro. "Das Geld hat sich locker gerechnet", erklärte der Banker, der lieber ungenannt bleiben wollte. Möglicherweise haben sich dubioser Shortseller im Vorfeld entsprechend positioniert. Dabei leihen sich Angreifer gegen eine Gebühr Aktien, verkaufen sie und prügeln den Aktienkurs gnadenlos runter, um sich später günstig wieder einzudecken. So entstehen mitunter satte Kursgewinne.

Wirecard war in der Vergangenheit mehrfach Opfer von solchen Attacken. Erst vor rund einem Jahr hatte das bis dahin praktisch unbekannte Researchhauses JCap in einem Report schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen aus Aschheim bei München erhoben. JCap hatte Wirecard vorgeworfen, die Bezahlangebote des Unternehmens seien außerhalb von Deutschland nicht verfügbar. Wirecard hatte der Darstellung vehement widersprochen. Auffällig: Genau wie im aktuellen Fall um Zatarra wurde auch der JCap-Report zunächst vom Internet-Blog FT Alphaville der Financial Times aufgenommen und der Bericht-Erstattung großer Raum eingeräumt.

Die bislang größte Diskussion um Wirecard gab es 2008. Damals hatte die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Wirecard angeblich irreführende Bilanzierungsmethoden vorgeworfen. Einige SdK-Mitglieder hatten dabei auf falllende Kurse gesetzt. Wirecard hatte die Vorwürfe über ein Sondergutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young später entkräftet.