Der Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats am vergangenen Wochenende hat wie eine Initialzündung auf die Aktie des Zahlungsabwicklers Wirecard gewirkt. Binnen Wochenfrist schnellte der Kurs mehr als 15 Prozent nach oben und notiert mittlerweile mit über 130 Euro auf dem höchsten Stand seit Mitte Oktober. Damals hatten erneute Berichte über mögliche Umsatzmanipulationen bei dem Zahlungsabwickler zu einem Kurssturz von 20 Prozent geführt.

Am vergangenen Wochenende hatte überraschend der 54-jährige Ex-Deutsche-Börse- Manager Thomas Eichelmann den Aufsichtsratsvorsitz übernommen, nachdem der bisherige Chefkontrolleur Wulf Matthias (75) seinen vorzeitigen Abschied erklärt hatte. Matthias stand in der Kritik, sein Kontrollmandat unzureichend ausgeübt zu haben. Er gilt als enger Vertrauter von Wirecard-Chef Markus Braun. Neben dem Personalwechsel sorgten auch Spekulationen für Aufwind, dass in Kürze nicht nur neue Rekordzahlen für das Geschäftsjahr 2019 veröffentlicht werden dürften, sondern auch das Ergebnis einer externen Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Wirecard hatte diese Prüfung im Herbst 2019 selbst in Auftrag gegeben, um die wiederholt in der "Financial Times" erhobenen Manipulationsvorwürfe aufzuklären. Beobachter zweifeln allerdings angesichts des Auftraggebers an der Unabhängigkeit dieser Prüfung.

Neue Prüfung gefordert


Als Folge der Vorwürfe hatten sich zuletzt immer mehr Leerverkäufer (Shortseller) bei Wirecard positioniert, die auf weitere Enthüllungen und fallende Kurse setzen. Schätzungen etwa des Datenanbieters IHS Markit zufolge könnte der Anteil verliehener Aktien bei rund 18 Prozent liegen - der mit Abstand höchste Wert im DAX.

Im Gegensatz dazu halten neben Unternehmenschef und Gründer Markus Braun (sieben Prozent der Anteile) zahlreiche Banken und Fonds dem Zahlungsabwickler die Stange, darunter die Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley mit je zehn Prozent und DWS sowie Blackrock mit je fünf Prozent. Die Kursziele der meisten Analysten liegen bei über 200 Euro.

Der zuletzt starke Kursanstieg könnte die Leerverkäufer unter Druck gesetzt haben. Der Hedgefonds Coatue Management etwa hat seine Position reduziert. Ein sogenannter "short squeeze", also umfangreiche Deckungskäufe durch Shortseller, könnte den Kurs antreiben.

Allerdings sind auch die Vorwürfe nicht aus der Welt. Eine Gruppe von Aktionären, vertreten durch den Rechtsanwalt Wolfgang Schirp, will auf einer außerordentlichen Hauptversammlung eine unabhängige Sonderprüfung durchsetzen. Die KPMG-Prüfung sei unzureichend, sagt Schirp.