Wirecard fädelt eine Kooperation nach der anderen ein. In der vergangenen Woche hat das Unternehmen aus Aschheim bei München zunächst eine Zusammenarbeit mit Union­pay, dem weltweit größten Kreditkartenemittenten vor Visa und Mastercard bekannt gegeben. Dann hat der japanische Technologiefonds Softbank die Kooperation mit Wirecard besiegelt, indem der Investor über eine Wandelschuldverschreibung 900 Millionen Euro angelegt und sich damit 5,6 Prozent der Anteile gesichert hat.

Schon zuvor hat Wirecard Partnerschaften mit zwei Unternehmen aus dem Portfolio von Softbank bekannt ­ge­geben - mit dem Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 und dem Mobilfunkanbieter Brightstar. Mit vier weiteren Softbank-Beteiligungen ist Wire­card-Gründer und -Chef Markus Braun wohl in Gesprächen. Hinzu kommt eine Vereinbarung mit dem Discounter Aldi, die Technik der Bezahltransaktionen im Onlineshop sowie der kontaktlosen Zahlungen an der Ladenkasse zu übernehmen - woran Wire­card verdient.

Die Partnerschaft mit Unionpay war den Analysten der Baader Bank eine eigene Studie wert. Sie zeige, dass die Umsatzwachstumsraten von jeweils mehr als 35 Prozent 2018 und dem ersten Halbjahr 2019 kein "One Trick Pony", also kein einmaliges Phänomen, seien. Wirecards Wachstumspfad sei nachhaltig, so ihr Urteil. Denn dank Unionpay expandiere Wirecard nach China.

"Der chinesische Markt ist gigantisch, wir erwarten ein signifikantes Wachstum durch die Zusammenarbeit mit Union Pay", sagte Braun. Der mit sieben Prozent an Wirecard beteiligte Chef würde am liebsten schon heute die Prognose für 2020 nach oben korrigieren: "Es gibt viele Faktoren, die die Vision 2020 konservativ aussehen lassen", so Braun. 2020 soll der Umsatz nach bisheriger Planung auf 3,2 Milliarden Euro steigen, 2025 soll die Zahl dann bei zehn Milliarden Euro liegen. Im ersten Halbjahr hat Wirecard 1,2 Milliarden Euro Umsatz generiert.

Nicht nur Wirecard wächst so stark, auch der niederländische Konkurrent Adyen zum Beispiel. Dessen Kundschaft ist prominenter als die von Wirecard, Das Unternehmen zählt neben den US-Techkonzernen Facebook, Netflix, Spotify und dem französischen Kosmetikkonzern L’Oréal auch die Händlerplattform Ebay dazu, die vom US-Branchenplatzhirsch und der ehemaligem Tochter Paypal zu Adyen gewechselt ist.

Darüber hinaus hat sich die chinesische Kommunikations- und Handelsplattform Alibaba jüngst für eine Kooperation mit dem Bezahldienstleister mit Sitz in Amsterdam entschieden. Das spiegelt sich in den Zahlen wider: Um 41 Prozent auf 221 Millionen Euro ist der Adyen-Umsatz im ersten Halbjahr gestiegen. Dank der im Vergleich zu Wire­card großen Kundschaft wächst Adyen deutlich profitabler.

Wirecard setzt mit Absicht vor allem auf Wachstum. Es gehe um Steigerungsraten über dem Branchendurchschnitt, um Marktanteilsgewinne und Innovationen, bekräftigte Braun jüngst auf einer Bankenveranstaltung in Frankfurt.

Schneller als der Markt wachsen die europäischen Jungunternehmen Wirecard und Adyen locker. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet bis 2022 mit einem jährlichen Zuwachs von im Schnitt neun Prozent pro Jahr. Dann soll der Markt 2,6 Billionen Euro Umsatz generieren. 1,6 Billionen Euro sollen aus dem asiatischen Markt kommen, also daher, wo sich Wirecard gerade positionieren will.

Probleme, mit den europäischen Shootingstars mitzuhalten, haben alte Hasen wie Fiserv, Fidelity National, Paypal oder Global Payment, Unternehmen vornehmlich aus den USA. Sie verzeichnen Wachstumsraten im mittleren einstelligen und niedrigen zweistelligen Bereich.

Konsolidierung in Europa?


Das US-Research-Haus Bernstein hat sie als potenzielle Käufer einer ganzen Reihe europäischer Firmen identifiziert. Neben Wirecard und Adyen zählen demnach Worldline und Ingenico aus Frankreich zu den potenziellen Zielen, zudem Nexi aus Italien wie auch Nets aus Dänemark. Im August hat dort der Kreditkartendienstleister Mastercard zugeschlagen und für knapp drei Milliarden Euro den Bereich Zahlungsdienstleistungen und Echtzeittransaktionen übernommen. Im Vergleich zum US-Markt, wo im ersten Halbjahr drei Übernahmen im Wert von 80 Milliarden Dollar stattgefunden haben, ist es aber in Europa noch ruhig.

Wenn es nach den Bossen von Wire­card und Adyen geht, soll das auch so bleiben. Pieter van der Does, Co-Gründer und Chef von Adyen, sieht die Branche der Zahlungsdienstleister einer speziellen Logik unterworfen. Da jedes Unternehmen eine eigene Plattform habe und es sehr aufwendig sei, Plattformen zusammenzulegen oder das Geschäft auf mehrere Plattformen zu verteilen, halte er Fusionen zwischen zwei Zahlungsdienstleistern für wenig sinnvoll. "Ich habe bei Worldpay gearbeitet, als das Unternehmen Zukäufe getätigt hat, und das war sehr kompliziert", sagte van der Does in einem Interview.

Auch Wirecrad-Chef Braun ist nicht von Fusionen überzeugt. Wie die stattliche Liste der Aschheimer zeigt, setzt er auf ergänzende Kooperationen und nicht auf Übernahmen. "Wir sind heute alle Frenemies", sagte er einmal über die Zusammenarbeit mit Banken und meinte damit, dass die Unternehmen zwar Konkurrenten seien - aber gleichzeitig aufeinander angewiesen, wenn es um Wachstum gehe. Die nächste große Kooperation dürfte also greifbar sein. Dass der IT-Konzern Microsoft und der asiatische Uber-Konkurrent Grab jüngst Gäste auf dem Innovationstag von Wire­card waren, schürt Hoffnungen.

Unterdessen erweitert Paypal - mit einem Quartalsumsatz von über vier Milliarden Dollar Branchenprimus unter den reinen Bezahldienstleistern - sein Geschäft durch die Vergabe von Ratenkrediten an die zahlenden Kunden in der App. Ein neuer Milliardenmarkt, der mehr Wachstum verspricht als teils komplexe Fusionen.

Investor-Info

Paypal
Einstiegschance


Bei der Präsentation der Zahlen zum zweiten Quartal hat Paypal wegen Verzögerungen bei der Produktentwicklung und Preisanpassungen die Umsatzprognose um einen Prozentpunkt auf 14 bis 15 Prozent ­gesenkt. Daraufhin gab die Aktie nach. Der ­Umsatz wird sich jedoch wieder fangen, ­Paypal profitiert stark vom Aufbau diverser Bezahl-Apps. Auch das Ratenkreditgeschäft dürfte für einen Schub sorgen. Anleger steigen bei derzeit attraktiver Bewertung ein.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 120,00 Euro
Stoppkurs: 74,00 Euro

Wirecard
Stark, aber ...


Vor Kurzem hat Wirecard zur Finanzierung weiteren Wachstums eine erste Anleihe an ­institutionelle Anleger begeben. Das Orderbuch war zweifach überzeichnet - ein Erfolg. Auch die operativen Zahlen sind stark. Aber ein Artikel des Wochenmagazins "Zeit" erinnert an die Bilanzvorwürfe der britischen Zeitung "FT" im Frühjahr. Diesmal soll Wirecard die Zahlen zweier Tochterfirmen untestiert veröffentlicht haben. Die Aktie bleibt volatil und ist damit nur etwas für Spekulative.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 180,00 Euro
Stoppkurs: 124,00 Euro

Adyen
Hoch geflogen


Adyen ist an der Börse der Liebling der An­leger und als Kooperationspartner ebenfalls geschätzt. So hat sich zuletzt Alibaba für das niederländische Unternehmen und nicht für Wirecard entschieden. Das dürfte das Wachstum anschieben. Allerdings ist die Bewertung, etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2020, enorm hoch. Die Kennziffer liegt deutlich über der von Wirecard oder Paypal. Zuletzt haben Investoren Gewinne mitgenommen. Anleger warten ab.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 750,00 Euro
Stoppkurs: 520,00 Euro