Wirecard wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit zwei Ad-hoc-Mitteilungen zum Sonderbericht der Wirtschaftsprüfer KPMG irreführende Signale an den Kapitalmarkt gegeben zu haben, um den Kurs zu beeinflussen.

Die jüngste Zuspitzung steht allerdings nicht im Zusammenhang mit möglichen Inhalten oder möglichen Problemen, die der KPMG-Bericht aufgedeckt hat oder noch aufdecken könnte. Bisher wurden Wirecard keine Unregelmäßigkeiten nachgewiesen. Jedoch wird im Gutachten festgestellt, dass sich viele Transaktionen nicht nachvollziehen ließen, weil die Unterlagen dazu nicht vorhanden waren. Auch beschweren sich die Prüfer, dass sie keinen Zugang zu entscheidenden Unterlagen bekommen haben. Das alles wirft kein ermutigendes Bild auf die weitere Entwicklung.

Nicht nur Braun steht auf der Kippe …


Am 18. Juni will Wirecard den mehrfach verschobenen Jahresabschluss für 2019 vorlegen. Trotz der Ermittlungen wegen Verdachts auf Marktmanipulation bekräftigte der Konzern am Wochenende seine Jahresziele. "Die laufende Untersuchung hat keine Auswirkungen auf das operative Geschäft." Es würden "keine wesentlichen Abweichungen" gegenüber den gemeldeten vorläufigen Zahlen erwartet.

Doch ob der Termin angesichts der Zuspitzung der Ereignisse einzuhalten, ist die erste offene Frage. Die zweite: Wird der Abschluss auch ein vollständiges Testat haben - oder nur ein eingeschränktes oder gar keins? Die Angaben im KPMG-Bericht deuten zumindest darauf hin, dass die Prüfer es schwer hatten, Geschäftsvorfälle nachzuvollziehen und relevante Bankdaten zu erhalten, vor allem für die Jahre vor 2019.

Die Frage wird sein, wie die Wirecard-Prüfer von Ernst & Young mit dieser mittlerweile öffentlichen Problematik im Abschluss umgegangen sind. Ein eingeschränktes Testat ist durchaus möglich. Und ohne vollständiges Testat steht auch die Zukunft von Firmenchef und Unternehmensgründer Markus Braun auf der Kippe. Der Aufsichtsrat hätte zumindest einen triftigen Grund, ihn zu entlassen.

… sondern das ganze Geschäftsmodell


Wenn aber Transaktionen nicht nachvollziehbar sind und ein Testat nur eingeschränkt erteilt wird, dürfte die Finanzaufsicht Bafin noch ganz anders auf den Plan treten. Ein zentrales Element für Wirecard ist die Banklizenz, über die nicht nur Guthabenkonten angeboten, sondern auch Transaktionen abgewickelt werden. Hat Wirecard Zahlungen abgewickelt, deren Herkunft nicht dokumentierbar ist, und wird ein Testat auch deswegen verweigert, müsste die Aufsicht wohl auch die Bilanzen der Wirecard-Bank der vergangenen Jahre noch einmal prüfen. Klar ist: Verlöre Wirecard seine Banklizenz, könnte der Konzern seine Dienstleistungen kaum noch wie gewohnt anbieten. Vom Imageschaden aufgrund der gesamten Affäre ganz zu schweigen, der dürfte nicht gerade geschäftsfördernd sein.

Ein weiteres Thema ist die Börsenzulassung. Wirecard ist im Prime Standard notiert und muss den Jahresabschluss für das Vorjahr bis Ende April vorlegen. Weil der Konzern dagegen verstoßen hat, prüft die Deutsche Börse ein Sanktionsverfahren mit einer möglichen Strafe von bis zu einer Million Euro. Im Wiederholungsfall ist auch ein Ausschluss aus dem Prime Standard und dem Leitindex DAX möglich. Auch wenn im nachgereichten Abschluss ein Testat fehlt, könnte es mit der Zulassung eng werden. Klar ist: Das Argument von Wirecard, dass alles nicht so schlimm sei, gilt heute nicht mehr.

Bei allem Zweifel: Bemerkenswert ist, dass Firmenchef Braun in einem solchen Umfeld Millionen in den Kauf eigener Aktien investiert. Und auch das Engagement des neuen Aufsichtsratschefs Thomas Eichelmann, der sich als erfahrener Manager nicht ohne genaue Prüfung auf ein solches Himmelfahrtskommando einlassen würde, spricht dafür, dass der Zahlungsdienstleister die Altlasten doch noch abschütteln könnte.