Ökonomen hatten angesichts von Handelskonflikten, Brexit-Chaos und schwächerer Weltkonjunktur mit dem zweiten Rückgang in Folge gerechnet: Im Frühjahr war das BIP um 0,2 gesunken - bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Ökonomen von einer Rezession, die es zuletzt zum Jahreswechsel 2012/13 gab. "Das ist ein zarter, aber sichtbarer Silberstreif am Horizont", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag in Berlin. "Das ist aber noch keine Entwarnung, weil die Konjunkturlage in Deutschland schwierig bleibt."

Das sieht auch der Sachverständigenrat so. "Eine schwierige Auftragslage, hohe Unsicherheit und fehlende Impulse aus dem Außenhandel dämpfen die Aussichten für das kommende Jahr", warnten die Regierungsberater. Sie sagen Europas größter Volkswirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von 0,5 Prozent voraus. 2020 soll es zu einer Beschleunigung auf 0,9 Prozent kommen, allerdings nur aufgrund der höheren Anzahl an Arbeitstagen. "Das ist entschieden zu schwach", sagte Altmaier. Deutschland brauche ein jährliches Wachstum von 1,5 bis 2,0 Prozent. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte: "Wir haben weniger Wachstum, aber keine Krise." Im Notfall sei Deutschland stark genug, um sich gegen eine größere Flaute zu stemmen.

Positive Impulse kamen im Sommer angesichts von Rekordbeschäftigung und steigenden Löhnen vor allem vom Konsum. "Die privaten Konsumausgaben waren höher als im zweiten Quartal 2019, und auch der Staat steigerte seine Konsumausgaben", erklärten die Statistiker. Außerdem legten die Exporte wegen der guten Nachfrage etwa aus den USA und Osteuropa zu, während die Importe in etwa auf dem Niveau des Vorquartals verharrten. Dank gestiegener Frachtpreise und eines höheren Transportvolumens verdoppelte die Containerreederei Hapag-Lloyd in den ersten neun Monaten des Jahres den Betriebsgewinn auf 643 Millionen Euro, wie das Hamburger Traditionsunternehmen am Donnerstag mitteilte. Der Umsatz legte um eine Milliarde auf 9,5 Milliarden Euro zu.

Angesichts rekordniedriger Zinsen und des hohen Bedarfs an Wohnungen wurde zudem mehr in Bauten investiert. Dagegen gaben die Unternehmen weniger für Ausrüstungen wie Maschinen oder Fahrzeuge aus. "Die deutsche Volkswirtschaft ist noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen", fasste DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle die Ergebnisse zusammen.

"NICHT BERUHIGT ZURÜCKLEHNEN"


Die Wirtschaft fordert angesichts der mauen Aussichten von der Bundesregierung, die Wachstumskräfte zu stärken. "Tatsache ist, dass wir beständig an relativer Wettbewerbsfähigkeit verlieren, weil die anderen gerade bei der Unternehmensbesteuerung längst handeln oder gehandelt haben", sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, mit Blick etwa auf die USA und Frankreich.

"Die Bundesregierung muss mehr dafür tun, öffentliche Investitionen zu steigern und die Bedingungen für private Investitionen zu verbessern", forderte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. "Als ersten Schritt sollte sie den Solidaritätszuschlag bereits ab 2020 und für alle Steuerzahler abschaffen." Dagegen stemmt sich aber die mitregierende SPD.

Im Vergleich zur Euro-Zone wuchs die deutsche Wirtschaft im Sommerquartal erneut langsamer. Die Mitgliedsländer der Währungsgemeinschaft schafften im Durchschnitt mit 0,2 Prozent ein doppelt so starkes Plus. Frankreich legte um 0,3 Prozent zu, Spanien um 0,4 Prozent. Italien wuchs mit 0,1 Prozent genauso langsam wie Deutschland. Trotz der Schwäche der beiden Schwergewichte sieht die Europäische Zentralbank nach den Worten ihres Vizepräsidenten Luis De Guindos die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in der Euro-Zone als "sehr niedrig" an. Die Notenbank lockerte wegen der Konjunkturflaute im September ihre Geldpolitik erneut und pumpt über Anleihenkäufe frisches Geld in die Wirtschaft.

rtr