DAX-Aufsteiger Wirecard legt nach einem turbulenten Jahresauftakt mit Betrugsvorwürfen und heftigen Kursschwankungen am kommenden Donnerstag am Firmensitz in Aschheim bei München seine Jahresbilanz vor. Die Analysten von Hauck & Aufhäuser sehen den Bericht und insbesondere den Ausblick als möglichen weiteren Kurstreiber für die Aktie, die in den vergangenen Tagen bereits über zwölf Prozent zugelegt hat. Dazu hat auch neu entfachtes Investoren-Interesse beigetragen - unter anderem hatte die US-Investmentbank Goldman Sachs ihren Anteil kräftig erhöht - von 1,7 auf 6,9 Prozent. Doch es könnte ab Dienstag mit Beginn des Börsenhandels nach Ostern auch wieder zusätzliche Volatilität in das Papier kommen.

Denn die Finanzaufsicht Bafin hat das Verbot sogenannter Leerverkäufe von Wirecard-Aktien nach zwei Monaten auslaufen lassen, wie die Behörde in der Nacht zum Karfreitag zunächst ohne weitere Begründung mitteilte. Damit sind Wetten auf einen Kursverfall der Aktie wieder möglich.

Die Kurswetten ("Short-Attacken") waren nach Erkenntnissen der Aufsicht Auslöser für die extrem starken Kursschwankungen der Wirecard-Aktie seit Ende Januar. Investoren hatten demnach eine Serie von Berichten in der "Financial Times" über Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft des Zahlungsabwicklers dazu genutzt, auf fallende Kurse zu setzen. Es war das erste Mal, das die Aufsicht Kurswetten auf eine einzelne Aktie untersagt hat, insbesondere weil sie negative Folgen für den Gesamtmarkt befürchtete. Das ist nun offenbar nicht mehr der Fall. "Der Bafin liegen gegenwärtig keine Anhaltspunkte vor, die eine weitere Gefährdung des Marktvertrauens im Sinne der EU-Leerverkaufsverordnung in Deutschland begründen", erläuterte eine Bafin-Sprecherin gegenüber boerse-online.de. die Aufhebung des Verbots. Nachdem die Bafin das Verbot jetzt aufhebt, sieht sie diese Gefahr offenbar nicht mehr. Hedgefonds hatten ihre Positionen bei Wirecard nach dem Leerverkaufsverbot reduziert, sind aber weiterhin engagiert.

Vorstandschef Markus Braun musste sich wiederholt gegen den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft zur Wehr setzen. Ein von Wirecard selbst in Auftrag gegebenes externes Gutachten einer Anwaltskanzlei soll belegen, dass es zwar Vorfälle gegeben habe, diese aber weit weniger gravierend seien als in den Presseberichten dargestellt. Ob die Vorwürfe damit tatsächlich entkräftet sind, ist unklar. Am Dienstag hatte die Finanzaufsicht Bafin zudem Strafanzeige gegen ein Dutzend Personen erstattet, die den Aktienkurs manipuliert haben sollen. Dabei soll es sich um Investoren und Journalisten handeln.

Größter Börsengang Europas


Derweil bekommt es Wirecard mit einer wachsenden Zahl von internationalen Konkurrenten zu tun. Neben dem niederländischen Zahlungsabwickler Adyen und dem französischen Unternehmen Worldline sorgte der italienische Wirecard-Rivale Nexi an diesem Dienstag in Mailand mit seiner Börsenpremiere für Furore.

Es war der bisher größte Börsengang in Europa in diesem Jahr und der zweitgrößte weltweit nach dem Initial Public Offering (IPO) des US-Fahrdiensts Lyft. Doch der Börsenstart der Nexi-Papiere verlief eher mau. Die Aktien gaben am ersten Handelstag um 7,6 Prozent auf 8,35 Euro nach. Das Papier war zum Preis von neun Euro gestartet. Damit wurde Nexi mit 7,3 Milliarden Euro bewertet und ist zu einem Schwergewicht an der Mailänder Börse geworden.

Die Anteilseigner Bain Capital, Advent und Clessidra reduzierten ihre Beteiligungen von 94 auf 56,6 Prozent. Bei einer Kapitalerhöhung wurden neue Aktien im Wert von 700 Millionen Euro ausgegeben, die zum Abbau der Unternehmensschulden von 1,7 Milliarden Euro dienen. Nexi ist Marktführer im digitalen Zahlungsverkehr in Italien. Das Unternehmen unterhält Partnerschaften mit allen großen italienischen Banken.

"In Mailand debütiert eine innovative Gesellschaft, die das Interesse italienischer und ausländischer Investoren geweckt hat. Wir setzten auf Innovation und bargeldlose Zahlungssysteme", sagte Nexi-Vorstandschef Paolo Bertoluzzo.

Die in Mailand beheimatete Gesellschaft, die 44,1 Millionen Kreditkarten und 2,7 Milliarden digitale Transaktionen jährlich verwaltet, will das Kapital aus dem Börsengang für ihr Wachstum nutzen. Nexi kam zuletzt auf 850 Millionen Euro Umsatz und 80 Millionen Euro Nettogewinn. Die Gesellschaft will auch im Ausland wachsen. "In den letzten drei Jahren haben wir sechs Zukäufe gemacht. Sollten sich weitere Wachstumsgelegenheiten ergeben, werden wir sie beim Schopf packen", so Bertoluzzo.

Die Branche der Zahlungsabwickler gilt als einer der am schnellsten wachsenden Bereiche im Finanzsektor. Zugleich steigt aber der Druck von Start- ups, die in den Markt drängen. In der Branche übernehmen -gegenwärtig kleinere Neulinge das Geschäft der traditionellen Bezahldienste. Nexis Beispiel könnte womöglich die italienische Gruppe SIA, ein auf elektronische Zahlungen spezialisiertes Unternehmen, folgen. Die IT-Gesellschaft SIA schließt einen Börsengang nicht aus.