Manchmal ist es hilfreich, vor der eigenen Tür zu kehren. Obwohl BÖRSE ONLINE wegen der allgemeinen Papierknappheit vorübergehend etwas dünner erscheinen muss und viele Verkaufsstellen im April geschlossen waren, schlägt die Krise nicht mit der erwarteten Härte auf die Auflage durch. Die Verkäufe in Supermärkten und an Tankstellen stiegen nach ersten Hochrechnungen um bis zu 60 Prozent und konnten den weitgehenden Ausfall des Bahnhofsbuchhandels einigermaßen kompensieren.

Auch die Konkurrenz schlägt sich wacker, beispielsweise die Titel €uro und €uro am Sonntag, die ebenfalls im Finanzen Verlag erscheinen. Sicher ist es noch zu früh, daraus einen Trend für alle Printmedien abzuleiten. Denn in erster Linie profitieren Wirtschaftspublikationen davon, dass sich die Bevölkerung in Krisenzeiten Sorgen um ihre Ersparnisse macht. Trotzdem mehren sich die Anzeichen, dass sich in der von zwei Jahrzehnten Dauerkrise durchgeschüttelten Branche Kaufgelegenheiten auftun.

Nicht erst seit dem Einstieg des Finanzinvestors KKR bei Axel Springer (die Aktie wurde inzwischen von der Börse genommen) ist klar, dass sich der Geldadel zunehmend für das gedruckte Wort interessiert. 2013 übernahm Amazon-Gründer Jeff Bezos die renommierte "Washington Post". Zwei Jahre später zog der Chef des Konkurrenten Alibaba, Jack Ma, mit dem Kauf der "South China Morning Post" nach. 2018 sicherte sich Salesforce-Gründer Marc Benioff das Magazin "Time".

Neben Prestige ist vor allem die Aussicht auf die sogenannte digitale Transformation ein Grund für das Schaulaufen der Internetmilliardäre. Zum einen sind kostenpflichtige Websites (paid content) auf dem Vormarsch. Zum anderen liegt ein gewaltiger Hebel für die Verlage in der Umstellung von Print- auf Digitalabos, was in erheblichem Maße Papier-, Druck- und Vertriebskosten spart. Bis vor Kurzem kam dieser Prozess eher zäh in Gang, nun wird er von Ausgangssperren und Ladenschließungen beschleunigt. 52 Prozent der Abonnenten können sich laut einer Studie von Score Media vorstellen, die Zeitung am PC oder Tablet zu lesen.

Vorreiter auf dem Gebiet der Digitalisierung ist die New York Times. Neben der Hauptausgabe, die zumindest in Journalistenkreisen als beste Tageszeitung der Welt gilt, gibt der Verlag die "International New York Times" (vormals "Herald Tribune") heraus, betreibt Internetseiten, investiert in Podcasts und sogar in eine eigene TV-Serie ("The Weekly"). Ob auf Papier oder digital - insgesamt hat der Konzern fünf Millionen zahlende Abonnenten. Diese Zahl will Vorstandschef Mark Thompson bis zum Jahr 2025 verdoppeln. "Das wird aber nicht die Obergrenze sein" sagte er vor Jahresfrist der "Süddeutschen Zeitung". Einziger Schönheitsfehler: Die Aktie ist mit einem für 2021 erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 22 stattlich bewertet.

Trotz der Ausnahmestellung der "New York Times" ist sie nicht die einzige Wachstumsstory in der Presselandschaft der westlichen Welt. Ähnlich expansiv präsentiert sich das norwegische Medienhaus Schibsted. Dessen Aktie ist mit einem 2021er-KGV von 29 sogar noch teurer. Neben Tageszeitungen wie "Aftenposten" und "Verdens Gang" wächst Schibsted auch mit TV-Kanälen und Kleinanzeigenportalen - nicht nur in Skandinavien, sondern in ganz Europa und auch in Südamerika. Die Online-Marktplätze wurden im April 2019 unter dem Namen Adevinta separat an die Börse gebracht.

Auch News Corporation, der Konzern des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch, ist mit TV- und Radiosendern breit diversifiziert und kaum mehr abhängig vom Printgeschäft. 2007 übernahm Murdoch das US-Verlagshaus Dow Jones. Dessen bekannteste Titel "Wall Street Journal" und "Barrons" zählen seither neben "The Times" zu Murdochs Vorzeigeobjekten. Die Aktie ist allerdings ebenfalls kein Schnäppchen, der Chart sieht nach einer mehrjährigen Seitwärtsbewegung mit anschließendem Absturz kaum besser aus als die Resterampen der US-Presselandschaft. Dazu zählen etwa die von Bezos nicht mitgekauften Töchter der "Washington Post", die in der Graham Holding gebündelt wurden. Oder das traditionsreiche Verlagshaus Gannett, das mit "USA Today" die auflagenstärkste Tageszeitung Amerikas im Portfolio hat und inzwischen in der New Media Investment Group aufgegangen ist. Bei beiden weisen langfristige Abwärtstrends darauf hin, dass es mit den viel beschworenen Synergieeffekten nicht so weit her ist wie gedacht.

Beim britischen Verlag Pearson warten Aktionäre seit dem Verkauf der "Financial Times" 2015 an den nicht börsennotierten japanischen Nikkei-Konzern auf den Befreiungsschlag. Das Unternehmen fokussiert sich seither auf Bücher sowie Lehr- und Lernmaterial für Unis und Schulen. Die wachsende Sparte Global Online Learning konnte die Rückgänge im traditionellen Geschäft nicht kompensieren, weshalb der Umsatz im ersten Quartal um fünf Prozent zurückging. Da die Aktie jedoch mit einem KGV von 10,5 die günstigste der Branche ist, könnte der Griff ins fallende Messer hier lohnen.

Einen Schritt weiter, allerdings auch mehr als doppelt so hoch bewertet, sind die ebenfalls britische Relx Group (vormals Reed-Elsevier) und Wolters Kluwer aus den Niederlanden. Beide besetzen im Bildungssektor profitable Nischen. Die Schwerpunkte liegen unter anderem auf Wissenschaft, Technik, Medizin, Recht und Steuern. Die begehrten Wirtschafts- und Finanzinformationen gehören ebenfalls zum Verlagsprogramm.