Die „Magnificent 7“ vereinen 35 Prozent des S&P 500 – könnten aber noch weitaus mächtiger werden. Historische Parallelen zeigen: Extreme Marktkonzentration ist kein neues Phänomen.
Zeitreisen können sehr inspirierend sein. Wer sich wie Marty McFly in "Back to the Future III" ins Jahr 1885 katapultiert, landet mitten im Zeitalter der Eisenbahn. Kein Symbol repräsentierte das aufstrebende Amerika stärker als die dampfenden Lokomotiven, die die Vereinigten Staaten verbanden, Märkte öffneten und Reichtümer erschufen.
Auch an der noch jungen US-Börse spiegelte sich diese Euphorie wider: Eisenbahngesellschaften vereinten 1881 sagenhafte 63 Prozent der gesamten US-Marktkapitalisierung auf sich. Die Schienenstränge waren die Infrastruktur der neuen Welt – so wie heute Cloud-Server, Datenzentren und KI-Chips das Rückgrat der digitalen Ökonomie bilden.
Mag 7 machen inzwischen 35 Prozent des S&P 500 aus
Heute, gut 140 Jahre später, ist es nicht die Eisenbahn, die die Fantasie der Anleger beflügelt, sondern eine Handvoll Tech-Giganten. Die „Magnificent 7“ – Nvidia, Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon, Meta und Tesla – haben sich zu den Lokomotiven der Gegenwart aufgeschwungen. Gemeinsam vereinen sie 35 Prozent des S&P 500 – eine Dominanz, die in der Geschichte der Märkte nur selten zu beobachten war.
Marktkonzentration ist allerdings kein neues Phänomen, sondern ein wiederkehrendes Muster. Paulo Macro, Stratege bei Bank of America, hat die historischen Parallelen in einer aktuellen Studie eindrucksvoll herausgearbeitet. Seine Analyse zeigt, wie oft wenige Unternehmen in ihrer Zeit den Ton angaben – mit allen Chancen, aber auch erheblichen Risiken.
Das goldene Eisenbahnzeitalter und die "Nifty Fifty"
1881 – Das Eisenbahnzeitalter: Die Eisenbahnen waren das Rückgrat der US-Wirtschaft, die Lebensader des Handels und Symbol des Fortschritts. Fast jedes bedeutende Unternehmen war direkt oder indirekt mit der Bahn verbunden, und Anleger sahen in Eisenbahnaktien ein Ticket in die Zukunft. Diese Euphorie führte dazu, dass Eisenbahngesellschaften 63 Prozent der gesamten US-Marktkapitalisierung stellten. Doch Überhitzung, Überkapazitäten und Finanzkrisen sorgten bald für ein schmerzhaftes Erwachen.
1972 – Die „Nifty Fifty“: Fast ein Jahrhundert später verschob sich die Euphorie auf ein Portfolio scheinbar unerschütterlicher Qualitätsaktien. IBM, Coca-Cola, Xerox, Polaroid und andere „One Decision Stocks“ galten als Werte, die man „einmal kauft und nie wieder verkauft“. In dieser Phase erreichten die „Nifty Fifty“ zusammen 40 Prozent des S&P 500. Doch die Ölkrise und steigende Zinsen führten in den folgenden Jahren zu einer drastischen Neubewertung.
Japans 80er-Jahre-Boom und die Dotcom-Euphorie
1989 – Japans goldene Jahre: In den Achtzigerjahren erlebte Japan einen historischen Aufstieg. Der Aktienmarkt des Landes wuchs so stark, dass er 45 Prozent des globalen ACWI-Index ausmachte. Banken, Immobilienkonzerne und Handelsriesen galten als unbesiegbar, der Nikkei stieg scheinbar unaufhaltsam. Doch mit dem Platzen der Blase Anfang der Neunziger verloren Anleger binnen weniger Jahre enorme Summen – und der Nikkei notiert auch heute noch unter seinen damaligen Höchstständen.
2000 – Die Dotcom-Euphorie: Mit dem Internet-Boom der späten Neunziger erlebten Tech-Aktien ihren ersten globalen Hype. Cisco, Intel, Microsoft und unzählige Start-ups katapultierten den Anteil von Technologieaktien im S&P 500 auf 40 Prozent. Die Bewertungsexzesse, gepaart mit unrealistischen Wachstumserwartungen, führten schließlich zum Platzen der Dotcom-Blase – und zu einer jahrelangen Katerstimmung an den Märkten.
Die neuen Lokomotiven: Wachstum dank AI
Diese historischen Muster verdeutlichen: Extreme Konzentrationen sind keine Ausnahme, sondern Teil des wiederkehrenden Zyklus der Märkte. Was die aktuelle Konzentration von früheren Phasen unterscheidet, ist die Breite der Dominanz. Die „Magnificent 7“ sind nicht nur führend in einzelnen Nischen, sondern prägen ganze Ökosysteme: von E-Commerce, über digitale Werbung, Verbraucherelektronik, Cloud-Infrastruktur bis hin zu KI-Chips.
Besonders die Explosion im Bereich künstliche Intelligenz fungiert als Turbo. Nvidia ist mit seinen GPUs das Rückgrat jeder AI-Revolution, Microsoft, Alphabet und Meta liefern die Plattformen, auf denen das neue Ökosystem gedeiht. Die Innovationsgeschwindigkeit dieser Unternehmen und ihre Fähigkeit, ihre Cashflows in neue Märkte zu investieren, verstärken den Sog nach oben – und damit auch den Anteil am Gesamtmarkt.
Auf dem Weg zu 50 Prozent?
Analysten halten es entsprechend für denkbar, dass die „Magnificent 7“ in den kommenden Jahren 40 bis 50 Prozent der Marktkapitalisierung des S&P 500 ausmachen könnten – sollte das KI-getriebene Wachstum anhalten. Selbst ein Extremwert von 60 Prozent, wie er 1881 im Eisenbahnzeitalter erreicht wurde, wirkt nicht mehr völlig abwegig. Die Logik der Märkte folgt dabei einem bekannten Muster: Kapital fließt dorthin, wo Wachstum, Innovation und Marktmacht zusammenkommen.
Für Investoren eröffnen die „Magnificent 7“ zweierlei: enorme Chancen, aber auch große Risiken. Einerseits versprechen sie dank hoher Margen, globaler Skalierung und Innovationskraft stabile Erträge und strukturelles Wachstum. Andererseits wird der Gesamtmarkt immer abhängiger von der Entwicklung weniger Titel. Ein schwaches Quartal bei Apple, ein regulatorischer Schock für Amazon oder ein plötzlicher Einbruch bei Nvidia könnten das Marktgefüge in Bewegung setzen – mit globalen Auswirkungen.
Die Geschichte wiederholt sich – mit neuen Protagonisten
Die Analyse von Paulo Macro zeigt eindrucksvoll, dass die Geschichte der Kapitalmärkte in Wellen verläuft: Extreme Konzentrationen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die „Magnificent 7“ sind die neuen Eisenbahnen – unverzichtbar für den Fortschritt, aber auch potenziell anfällig für die Übertreibungen, die jede Boomphase mit sich bringt.
Ob diese Ära in eine nachhaltige Transformation mündet oder irgendwann in eine Korrektur und dann gar Absturz übergeht, erscheint aktuell noch völlig offen. Sicher ist nur: Wir befinden uns in einer Phase, in der sieben Unternehmen nicht nur den Markt dominieren – sie definieren ihn.
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