Oaktree Capital-Gründer Howard Marks warnt vor einer Bewertungs-Euphorie rund um KI und Big Tech. Sein Rat: Risiko runter, Qualität und Bonds rauf – ohne Panik.
Wenn Howard Marks spricht, hört die Finanzwelt zu. Der Mitgründer von Oaktree Capital gilt seit Jahrzehnten als einer der klügsten Beobachter von Marktzyklen. Seine „Memos“ werden von Wall Street-Größen wie Warren Buffett gelesen, seine Perspektiven gelten als Gradmesser für die Stimmung unter professionellen Investoren.
Im Podcast „WONK“ zeichnete Marks nun ein durchaus besorgniserregendes Bild der Märkte: nicht panisch – mit der klaren Empfehlung, die Risikoneigung zu drosseln.
Märkte sind „gefährlich optimistisch“
Die US-Wirtschaft wächst laut Beige Book derzeit nur mit „Stallgeschwindigkeit“. Gleichzeitig markiert der S&P 500 neue Allzeithochs – ein Widerspruch, den Marks als „gefährlich optimistisch“ einstuft.
Zwar hätten die „Magnificent 7“ mit ihrer Dominanz im Bereich künstliche Intelligenz eine berechtigte Wachstumsstory. Doch die Bewertungen seien hoch, nicht nur bei den Tech-Giganten, sondern auch im breiten Markt. „Aktien sind teuer, Anleihen wieder attraktiv“, so Marks’ Kernaussage.
Das KI-Narrativ trägt – aber es rechtfertigt nicht jeden Preis
Die KI-Story ist bestechend: Cloud, Chips, Modelle, Monetarisierung. Die „Magnificent 7“ dominieren Indizes, Margen und Marktanteile – Nvidia liefert die Rechenwerke, hyperskalierende Plattformen bündeln Nachfrage, Services füttern stabile Cashflows. Genau darin liegt der Nährboden für Optimismus. Marks bestreitet diese Substanz nicht, im Gegenteil: Er nennt diese Konzerne „einige der besten, die es je gab“.
Doch er trennt nüchtern Narrativ und Preis. Wenn der S&P 500 nach einem bereits teuren Jahr noch teurer wird, während die Unsicherheit (Zölle, Fiskaldefizit, Debatte um Fed-Unabhängigkeit) steigt, verschiebt sich die Risikoverteilung zulasten der Käufer. KI kann die Produktivität heben – aber selbst die beste Wachstumserzählung hat einen messbaren Gegenwert. Je größer die Erwartung, desto höher das Enttäuschungspotenzial.
Psychologie schlägt Kennzahl – bis sie es nicht mehr tut
Marks’ Kernthese: „Optimismus stirbt schwer.“ Anleger blenden Negatives aus oder deuten Ambivalentes positiv. Genau so entstehen Phasen, in denen sich Börsen von der Realwirtschaft entkoppeln. Die US-Konjunktur läuft laut Beige Book eher im Leerlauf, doch die Indizes markieren Hochs. Anleihemärkte senden indes ein anderes Signal: Steigende Renditen spiegeln weniger Boom als vielmehr wachsende Sorge um Defizite und die Glaubwürdigkeit des Dollars wider.
Marks’ Bild von Amerikas „goldener Kreditkarte“ seit 1945 bringt es auf den Punkt: unbegrenztes Limit, niedrige Zinsen – ein Privileg, das aber nicht ewig währt. Solange die Psychologie dominiert, funktionieren Risk-On-Reflexe. Kippt das Narrativ, regiert wieder die Mathematik.
Big Tech bleibt der Anker – aber Breite und Bewertung sind der Prüfstein
US-Aktien bleiben für Marks dennoch „das beste Haus in einer schwierigen Nachbarschaft“: tiefe Kapitalmärkte, Innovationskultur, Rechtsrahmen. Doch Marks betont: Nicht nur die „Mag 7“ sind teuer, auch der breite Markt notiert über historischen Durchschnitten. Genau diese Marktbreadth entscheidet über die Haltbarkeit der Rallye.
Wenn KI-Gewinner weiter liefern, könne der Index hoch bleiben – aber ohne ein Anknüpfen der zweiten Reihe werde die Bewertungsdecke dünn. Für Profis heißt das: Fokus auf Qualität, Cashflow-Robustheit, Preissetzungsmacht – und keine Toleranz für Story-Stocks ohne Pfad zur Profitabilität.
Taktik statt Drama: Von „Risk-On“ zu „Investcon 2“
Marks liebt keine Schwarz-Weiß-Ratschläge. Sein Kompass ist die Balance aus Offensive und Defensive. Aktuell stuft er die Märkte in Anlehnung an das fünfstufige Warnsystem des US-Militärs (Defcon = „Defense Readiness Condition“) als „Investcon 2“ ein: Man müsse nicht fliehen, aber die Situation könnte kippen.
Positionen mit hohem Bewertungs- und Enttäuschungsrisiko wären daher schrittweise zu reduzieren, defensive Cashflow-Qualität und planbare Erträge zu erhöhen. Nach Jahren des Zinsnullpunkts seien Bonds wieder eine Investmentoption.
Marks bleibt trotz aller Warnungen kein Pessimist. Die USA seien weiterhin das attraktivste Anlageziel – wenn auch „etwas weniger exzeptionell“. Alternativen wie Europa oder China hätten strukturelle Schwächen oder geopolitische Risiken. Dennoch mahnt der Oaktree-Chef zur Balance zwischen Chancen und Risiken. Sein Rat: weniger Euphorie, mehr Vorsicht. Wer heute auf Sicherheit setze, könne morgen mit Stabilität punkten.
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