"Es geht einzig ums Geld, alles andere ist egal", schimpft Patrick Selzer. Der zweite Vorsitzende der IG Metal Saarland erlebt die Entwicklungen bei Neue Halberg Guss (NHG) seit dem Kauf durch Prevent hautnah mit. Seit die Unternehmensgruppe diesen Januar bei der Gießerei einstieg, kämpft das bereits zuvor angeschlagene Unternehmen um sein Überleben.

Die streitbaren Eigentümer von Prevent sind die Hastors. 2016 stoppten die bosnisch-stämmige Unternehmerfamilie Lieferungen an VW, um Preiserhöhungen durchzudrücken. Der Autokonzern konnte Getriebe und Sitzbezüge der Prevent-Töchter nicht kurzfristig ersetzen, die Bänder für Passat und Golf in Emden und Wolfsburg standen tagelang still. Bis zur Einigung mit Prevent verursachte der Produktionsausfall bei Volkswagen einen vermuteten Schaden in dreistelliger Millionenhöhe.

Auch NHG ist ein Zulieferer, ohne dessen Motorengehäuse und Kurbelwellen bei vielen Kunden nichts geht. Neben den Großkunden VW, Daimler und General Motors beziehen Auto-, Lkw-, Land- und Baumaschinenhersteller von Caterpiller bis Volvo Komponenten von dem seit 262 Jahren existierenden Betrieb.

Einen ersten Hinweis auf das, was bei dem Unternehmen mit Werken in Saarbrücken und Leipzig bevorstand, lieferten die Personalien. Als Geschäftsführer wurden mit Alexander Gerstung, Barbaros Arslan und Rogerio Luis Goncalves eben jene Manger eingesetzt, die schon 2016 gegen VW ins Feld zogen.

Ab April eskalierte dann auch zwischen NHG und VW der Preiskampf. NHG hob die Preise um bis 1000 Prozent für einzelne Komponenten an. Wenige Wochen zuvor hatten die Wolfsburger allen anderen Prevent-Zulieferern fristlos gekündigt. Ein Retourkutsche die von Branchenkennern bereits 2016 vorhergesagt wurde. Geiselhaft und Erpressung, so die Schlagworte damals, würde sich VW nicht bieten lassen. Auch, um andere Zulieferer nicht auf dumme Gedanken zu bringen. In der Branche herrscht ein harter Preiskampf, die Abhängigkeit der Zulieferer von ihren Großkunden aber, wird nur hinter vorgehaltener Hand kritisiert.

Allerdings waren die Probleme von NHG bereits ohne Prevent groß genug. Die Gießerei musste 2009 Insolvenz anmelden, ging anschließend durch die Hände mehrere Finanzinvestoren. Dabei stützte auch Volkswagen das Unternehmen mit Zusagen für Preise und abzunehmende Mengen. VW aber baut in Schweden eine eigene Gießerei für seine LKW-Marke Scania und braucht wegen der sinkenden Dieselnachfrage wohl weniger Motoren. Laut Barbaros Arslan planten die Wolfsburger daher schon vor dem Prevent-Einstieg Aufträge zu reduzieren und dann ganz zu stornieren. "Mit Prevent wurde das nur beschleunigt", so der Hastor-Manager in der Saarbrücker Zeitung. Tatsächlich erklärten die Unternehmen nach zähem Ringen, dass VW seine Abnahmemenge deutlich reduziere, dafür aber "angemessene Preise" zahle.

Wie sehr sich das Tempo des Niedergangs mit dieser Einigung erhöhte, zeigten die anschließend angekündigten Sanierungsmaßnahmen. Das 700 Mitarbeiter starke Werk in Leipzig soll geschlossen und in Saarbrücken über 400 von gut 1500 Stellen gestrichen werden. Der Grund: ohne VW kann ein Großteil der Fertigung nicht mehr ausgelastet werden. Branchenbeobachter schließen nicht aus, dass es Prevent auf genau diese Entwicklung abgesehen habe. Zu glauben, nach den Vorfällen in 2016 mit VW langfristig im Geschäft bleiben zu können, sei einfach naiv.

In der NHG Belegschaft aber wurde die Sorge, dass es die neuen Eigentümer nicht ehrlich mit dem Unternehmen meinen, spätestens mit den angekündigten Stellenkürzungen zur Gewissheit. Als Reaktion wurde wochenlang gestreikt. Bei dem Arbeitskampf ging es um einen kostspieligen und laut Prevent völlig überzogenen Sozialtarif für den Stellenabbau, doch die Gewerkschaft dürfte noch ein weiteres Ziel verfolgt haben. Um den Ausstand zu beenden wurde ein Schlichter eingeschaltet, die saarländische Landespolitik meldete sich zu Wort, ein Verkaufsprozess wurde angestoßen. Bei NHG redeten so plötzlich viele mit und Prevent rein. Auch brachte der Produktionsausfall NHG noch weiter an den Abgrund. Insolvenz und Zerschlagung waren Szenarien, die anschließend von beiden Seiten immer wieder in den Raum gestellt wurden. Eine Insolvenz aber würde NHG dem Einfluss von Prevent endgültig entziehen, weshalb die Hastors "die Insolvenz meiden wie der Teufel das Weihwasser", so ein Beobachter.

Unterdessen richtete der Machtkampf zwischen Prevent und VW nicht nur bei NHG großen Schaden an. Zur Geisel der Entwicklung wurde eine gesamte Branche. Am stärksten traf es Deutz. Der Motorenhersteller ist geschätzt bei einem Drittel seiner Produkte auf Motorgehäuse von Neue Halberg Guss angewiesen. Im Sommer wendeten sich die Kölner zusammen mit 21 weiteren Herstellern wie Kion oder Wacker Neuson daher an Firma und Belegschaft. Ihre Forderung: "Setzen sie diesem Wahnsinn ein Ende".

Doch der Wahnsinn geht weiter. Halberg Guss musste seine Produktion in Saarbrücken diese Woche stoppen, weil die Gießerei keinen Schrott als Gussrohstoff mehr bekommt. Die Lieferanten hätten auf Vorkasse umgestellt, was die Halberg-Führung offenbar ablehnt. Betriebsratschef Bernd Geier sieht sich als Opfer des Streits, appellierte an das Management: "Holt Schrott, gebt uns frei, lasst uns eine Zukunft!"

Weil Deutz unter anderem ein bedeutender Lieferant für Fendt-Traktoren ist, konnten die Allgäuer schon im Sommer viele Schlepper nicht ausliefern. Damals legte ein Streik die Fertigung bei Halberg wochenlang lahm. Schaden könnte auch John Deere mit seinen Straßenbaugeräten der Tochter Wirtgen drohen, Caterpillar-Tochter Perkins ist ebenfalls Halberg-Kunde, CNH Industrial ist mit den Töchtern Iveco oder Case New Holland im Spiel, Volvo mit seinen Penta-Bootsmotoren.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass Absprachen mit Deutz und GM von NHG gekündigt wurden, um ab 2019 die Preise zu erhöhen. Grund: die geringere Auslastung steigere Kosten und mache neue Verhandlungen nötig. Weil Preise wesentliche Bestandteile der Vertragswerke sind, gelten die bestehenden Lieferbeziehungen damit vielen als gekündigt. Weil gleichzeitig Verkaufsverhandlungen laufen, vermuten Beobachter in dem Schritt auch einen Trick, um den Preis für die Gießerei zu steigern. Das Kalkül: Kann NHG seine Produkte teurer verkaufen, ist auch das Unternehmen mehr wert.

Deutz betont, hingegen auch über 2019 hinaus bestehende Verträge zu haben und erklärte, dass die Prognose für 2018 dank Lagerbeständen nicht in Gefahr sei. Für die folgenden Quartale könne man jedoch keine Garantien geben. Laut den Kölnern dauert es 18 Monate, einen Lieferanten wie Halberg zu ersetzen, die Suche nach einem weiteren Gussanbieter laufe bereits.

Interessiert an Halberg ist unterdessen das Münchner Unternehmen One Square Advisors, auch weil die Landesregierung in Saarbrücken bis zu 50 Millionen Euro an Liquiditätshilfe geben will. Das hindert Hastor jedoch nicht an fragwürdigen Entscheidungen. Teile der Fertigung sollen jüngst an einen Amerikaner verkauft worden sein, um sie anschließend zurückzumieten. Der Käufer, so heißt es, wolle die Anlagen jedoch schnell abbauen. Ob es sich auch hier um einen Trick handelt, den Kaufpreis zu treiben oder Prevent das Unternehmen stückweise verkauf will, bleibt abzuwarten.