von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Auf den Finanzmärkten sind Schwellenländer-Anleihen im Wert von 20 Billionen Dollar investierbar. In den Depots von Privatanlegern dagegen muss man sie mit der Lupe suchen. Viele haben noch die Krisen in Mexiko und Russland während der 90er-Jahre sowie den Zahlungsausfall Argentiniens im Hinterkopf und machen deshalb einen großen Bogen um diese Anlageklasse. Dabei hat sich vieles zum Positiven verändert. Neue Emittenten wie der Senegal oder Pakistan vervielfältigen das Angebot, sie benötigen Mittel, um die ökonomische Entwicklung voranzutreiben. Im Gegenzug bieten sie Anlegern attraktive Konditionen, wie auch Kolumbien zeigt.

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert galt Medellín noch als die gefährlichste Metropole der Welt. Allein im Jahr 1991 wurden dort über 7.000 Morde gezählt, ausgeübt unter anderem durch den Drogenring um Pablo Escobar. ­Außerdem litt die heute drei Millionen Einwohner zählende Stadt - wie der Rest Kolumbiens auch - unter dem brutalen Bürgerkrieg zwischen staatlichen Sicherheitsorganen, rechten Paramilitärs und der linken Guerilla FARC.

Frei von Drogen und Terror sind Medellín und Kolumbien auch heute nicht. Doch durch das Friedensabkommen der Regierung mit der FARC im November 2016 hat sich die Sicherheitslage ­wesentlich verbessert. Die Touristenzahlen steigen, die größere politische Stabilität zieht ausländische Unternehmen an. Auch für Anleiheinvestoren ist Kolumbien attraktiv. Das Land ist mit nur 48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet. Fünfjährige Staatsanleihen rentieren dennoch mit über sechs Prozent. Das ist deutlich mehr, als Bonds der Industriestaaten abwerfen, die meist höher verschuldet sind.

Die mit der Wahl von Iván Duque zum Staatspräsidenten im Sommer vergangenen Jahres geweckte Euphorie der ­Anleger wird derzeit jedoch gedämpft. Duque kann seine marktfreundliche ­Politik nicht in vollem Umfang durchsetzen. Das Parlament in Bogotá stimmte nur einer verwässerten Variante seiner zur Ankurbelung der Konjunktur und Erhöhung der Staatseinnahmen gedachten Maßnahmen zu. Das macht es schwieriger, die Neuverschuldung wie geplant von derzeit 3,1 Prozent bis 2027 auf ein Prozent zu senken.

S & P bestätigte dennoch im Dezember die Bonitätseinschätzung "BBB-" mit stabilem Ausblick. Kolumbien behält damit den Status Investment Grade. Ob das nachhaltig so bleibt, hängt auch vom Ölpreis ab. Mit dem Rohstoff erzielt Kolumbien 45 Prozent seiner gesamten Exporteinnahmen. Je höher die Notierungen ausfallen, desto besser für Kolumbiens Staatshaushalt.

Auf Seite 2: Talfahrt in der Türkei





Talfahrt in der Türkei

Für die Türkei dagegen wäre ein anziehender Ölpreis fatal. Das Land - ein Paradebeispiel für die Risiken der Anlageklasse Schwellenländer-Anleihen - muss den Rohstoff importieren. Der von der Regierung in Ankara angepeilte ­Abbau des Leistungsbilanzdefizits von derzeit 4,7 Prozent auf 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2021 wäre kaum zu schaffen, wenn Öl teurer wird. Schon jetzt erschwert die Inflationsrate von 25 Prozent die Reduktion des Defizits erheblich.

Zudem verliert die türkische Währung dramatisch an Wert. Im Vergleich zum US-Dollar gab die Lira im vergangenen Jahr 30 Prozent nach. Dadurch verteuert sich die Bedienung von Schulden, die Staat und Unternehmen in Dollar aufgenommen haben. Zudem lässt die konjunkturelle Dynamik nach. 2019 wird die Wirtschaft wohl nur noch um 2,3 Prozent wachsen. In den vergangenen Jahren wurden noch Zuwachsraten von sieben Prozent erreicht.

Noch dazu zweifeln Investoren an der Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank. Am Mittwoch ließ die Notenbank den Zinssatz noch bei 24 Prozent, die Kurse der in Dollar aufgelegten türkischen Staatsanleihen zogen daraufhin ein wenig an. Doch Staatspräsident Tayyip Erdogan passt die Entscheidung der Notenbank nicht. Er will, dass die Zinsen schnell und nachhaltig gesenkt werden. Die Probleme der Türkei drohen sich dann aber zu verschärfen. Schon jetzt wird das Land von S & P nur noch mit "B+", also mit "Junk", eingestuft.

Nicht nur die ökonomischen und ­politischen Entwicklungen in einem Schwellenland beeinflussen die Kurs- beziehungsweise die Renditeentwicklung von Schwellenländer-Staatsanleihen. Auch die US-Notenbank Fed ist ein wichtiger Faktor. Im vergangenen Jahr erhöhte sie vier Mal die Zinsen. Der Dollar wertete dadurch gegenüber anderen Währungen deutlich auf. Investoren ­zogen daraufhin Gelder aus den Emerging Markets ab und investierten sie in ­Dollar-Anlagen wie US-Treasuries oder US-Aktien.

Von Gegenwind zu Rückenwind

Die Kurse der Schwellenländer-Bonds gerieten dadurch unter Druck. Doch mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass die Fed im laufenden Jahr weniger stark an der Zinsschraube drehen wird als erwartet. Auch scheint der ­Dollar allmählich überbewertet. Der Gegenwind, den Schwellenländer-­Anleihen im Jahr 2018 noch verspürten, kann sich daher im laufenden Jahr zum Rückenwind drehen. Zudem fallen die Bewertungen vieler Papiere dieser ­Anlageklasse nach dem Ausverkauf überwiegend günstig aus.

Für Anleger, die breit diversifiziert einsteigen wollen, um Risiken zu begrenzen, sind Fonds die beste Wahl. Die ausgewählten Portfolios (siehe Investor-­Info) unterscheiden sich in der Gewichtung der Länder. Seit Jahresanfang ­haben sie aber alle besser abgeschnitten als Rentenfonds, die sich auf europä­ische Länder konzentrieren.

Auf Seite 3: Investor-Info





Investor-Info

Vontobel EM Debt
Chance in Senegal

Luc D’hooge und Wouter van Overfelt managen den Fonds seit seiner Auflage im Jahr 2013. Auf Sicht von fünf Jahren erzielten sie im Schnitt ein jährliches Plus von elf Prozent. Mit knapp drei Milliarden Dollar zählt der Fonds daher auch zu den Schwergewichten der Anlageklasse. Sind die Manager von einer Idee überzeugt, steigen sie hoch ein. Mit über drei Prozent sind Staatsanleihen des afrikanischen Landes Senegal derzeit am höchsten gewichtet.

Kepler EM Rentenfonds
Long in Lateinamerika

Fondsmanagerin Gabriele Nopp-Rau hat fast 40 Prozent der Mittel in Lateinamerika investiert. Kolumbien ist mit rund sechs Prozent gewichtet. Neben osteuropäischen Staatsanleihen finden sich im Portfolio auch Zinstitel afrikanischer Länder, zum Beispiel ein Bond aus Ägypten. Unternehmensanleihen machen aktuell rund 17 Prozent aus. Auf Sicht von zehn Jahren erzielte der Fonds ein Plus von 110 Prozent. Auf Fremdwährungen lautende Anleihen sichert die Managerin in Euro ab.

Neuberger EM Debt Hard Cur.
Risikofreudige Manager

2018 verlor der Fonds sechs Prozent. Im laufenden Jahr hat er jedoch bereits 1,5 Prozent zugelegt. Das aus drei sehr erfahrenen Managern bestehende Investmentteam weicht immer wieder stark von der Benchmark ab. Derzeit hat es die Türkei deutlich höher gewichtet. Zu den Top-Positionen zählen auch Indonesien, Argentinien und Nigeria. Fast 50 Prozent der Mittel stecken in Anleihen von Emittenten, die mit Non-Investment-Grade beurteilt werden.