Die 60/40-Regel galt früher als Nonplusultra, wenn es um die Frage ging, was die beste Aufstellung des Depots eines normalen Privatanlegers ist. Gemeint ist damit eine Anlagestrategie, bei welcher der Portfoliomix zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Anleihen besteht.

In den vergangenen Jahren hat diese lange Zeit gültige Regel allerdings an Glanz verloren. Verantwortlich dafür ist das vorherrschende Niedrigzinsumfeld. Denn dieses macht Anleihen deutlich weniger attraktiv. Immer öfter heißt es deswegen auch von Beraterseite, Anleger müssen das gesamte vorhandene Anlagespektrum betrachten, um das beste Gleichgewicht zwischen Verzinsung und Risiko zu finden.

Mit Kryptowährungen steht dabei seit geraumer Zeit eine neue Alternative für Investments zur Verfügung. Verlockend wirken diese auch deshalb, weil Bitcoin & Co. in den vergangenen Jahren trotz einiger Rückschläge letztlich eine starke Wertentwicklung hingelegt haben. Zuletzt ging es allerdings wieder heftig abwärts. So weist Bitcoin derzeit gegenüber dem im April markierten Rekordhoch von gut 47 Prozent auf.

Da von Kryptowährungen auf viele Anleger verlockende Reize ausgehen, dürften die niedrigeren Preise so manche Investoren zum Nachdenken darüber bringen, ob es nicht sinnvoll ist, dem eigenen Depot Bitcoin & Co. beizumischen. Unabhängig davon, ob bei einer positiven Entscheidung die Rechnung eines Investments letztlich aufgeht, ist es für eine bewusst getroffene Entscheidung wichtig, sich mit den Folgen auf das Risikoprofil eines Portfolios vertraut zu machen für den Fall, das als neue Anlageklasse auch noch Kryptowährungen hinzukommen.

Beschäftigt hat sich mit diesem Thema Adam Millson, Research-Analyst beim US-Finanzdienstleister Morningstar. Um das Ergebnis seiner Überlegungen gleich vorwegzunehmen, zitieren wir Millson wie folgt: "Wenn Sie erwägen, den Kursrückschlag zu kaufen, dann bedenken Sie, dass schon ein kleiner Betrag das Risikoprofil eines typischen ausgewogenen Portfolios verändern kann. Es ist wie Plutonium - schon ein kleines bisschen davon hat eine große Wirkung."

Volatilität wirkt in beide Richtungen


Die Betrachtungen beginnen mit der Feststellung, dass es bei Bitcoin zwar insgesamt stark nach oben ging, doch phasenweise starke Anstiege gingen nicht ohne auch temporäre magenzerreißende Rückschläge über die Bühne, wie Millson es formuliert.

Die erste Grafik zeigt die rollierende Ein-Jahres-Standardabweichung - ein Maß für die Volatilität - unter Verwendung der täglichen Renditen während der Laufzeit des CMBI Bitcoin Index (eingeführt Mitte Juli 2010), wobei sowohl der Index als auch ein grundlegendes 60/40 Aktien-/Anleihenportfolio verglichen werden, das aus dem Morningstar Global Markets Index und dem Morningstar US Core Bond Index (zwei breit diversifizierte Indizes, die die globalen Aktien- und US-Anleihenmärkte repräsentieren) besteht und monatlich neu gewichtet wird.

Wie daraus zu ersehen ist, hat Bitcoin die Anleger auf eine wilde Fahrt mitgenommen. Verglichen mit dem 60/40 Portfolio war Bitcoin im Durchschnitt 13 Mal volatiler über den Betrachtungszeitraum. Wie bei vielen riskanten Vermögenswerten kommt und geht die Volatilität über kürzere Zeiträume, aber selbst am unteren Ende der historischen Spanne braucht man unerschütterliche Nerven, um zu investieren, so Millson. Über den Zeitraum von einem Jahr war Bitcoin 8,6-mal volatiler als das 60/40-Portfolio.

Ein wenig Bitcoin kann eine große Wirkung haben


Ein Investment in ein bestimmtes Wertpapier oder eine Anlageklasse kann einen größeren Einfluss auf das Risikoprofil eines breiten Portfolios haben, als es zunächst scheint. Auf den ersten Blick mag es zum Beispiel so aussehen, als ob ein Standard 60/40 Portfolio 60 Prozent seines Risikos aus Aktien und 40 Prozent aus Anleihen bezieht. Da Aktien jedoch viel volatiler sind als Anleihen, stammen laut Millson eher 90 Prozent des Risikos des Portfolios aus Aktien. In Anbetracht dessen ist die Auswirkung auf das Risikoprofil desselben Portfolios durch die Einführung von Bitcoin, der unglaublich volatiler ist, erschreckend, so Millson.

Abbildung 2 zeigt den Risikobeitrag von Bitcoin zum 60/40-Portfolio, wenn Bitcoin, wie durch den CMBI Bitcoin Index angenähert, mit verschiedenen Gewichtungen (1 Prozent, 2 Prozent, 5 Prozent, 10 Prozent und 25 Prozent) gehalten wird und wenn die Allokation sowohl aus dem Aktien- als auch aus dem Anleihebereich stammt.

Abbildung 3 zeigt, wie sich die Standardabweichung jedes hypothetischen Portfolios im Laufe des Zeitraums angesichts der unterschiedlichen Bitcoin-Allokationen verändert hat. Bei einem Bitcoin-Engagement von ein Prozent oder zwei Prozent sind die Auswirkungen auf das Risikoprofil und die Volatilität des Portfolios beachtlich; es trägt etwa neunProzent bzw. 24 Prozent zum Gesamtrisiko bei, führt aber zu einer minimalen Änderung der Gesamtvolatilität, wie in Abbildung 3 dargestellt.

Größere Engagements verschieben jedoch das Gesamtrisiko des Portfolios deutlich in Richtung Bitcoin und treiben die Gesamtvolatilität drastisch in die Höhe. Bei 5 Prozent trägt die Bitcoin-Allokation mehr als 60 Prozent zum Gesamtrisiko des Portfolios bei und erhöht die Volatilität um etwa 70 Prozent.

Bei einer Allokation von 25 Prozent springt der Risikobeitrag dramatisch auf 96 Prozent, wenn er aus dem Anleiheanteil entnommen wird, und 98 Prozent, wenn er aus dem Aktienanteil stammt. Die Gesamtvolatilität ist im Vergleich zum 60/40-Portfolio mehr als sechsmal so hoch. Anleger, die selbst scheinbar kleine Beträge in Bitcoin investieren, sollten dies als Risikokontrollmaßnahme im Hinterkopf behalten.

Starke Hände erforderlich


Sich des Risikos von Bitcoin und seiner Auswirkung auf das Portfolio bewusst zu sein, ist für Millson das A und O bei der Allokation in die Kryptowährung. Der scharfe, etwa 50-prozentige Rückgang von Mitte April 2021 bis zum 25. Juni sei kein neues Phänomen für die Kryptowährung. Investoren, die während vergangener Rückgänge, so haarsträubend diese auch waren, ab Ball blieben, ernteten die Vorteile.

Ein ausgewogenes Portfolio mit einer Bitcoin-Allokation von fünf Prozent in den letzten zehn Jahren bis Mai 2021 lieferte eine annualisierte Rendite von 15,4 Prozent, wenn es aus festverzinslichen Wertpapieren stammte, und 15,1 Prozent, wenn es aus Aktien stammte, unter der Annahme monatlicher Neugewichtung. Beide übertrafen die 7,3 Prozent Rendite des 60/40-Portfolios. Allerdings ist es viel leichter gesagt als getan, während der Bitcoin-Verkäufe die Füße stillzuhalten.

Abbildung 4 zeigt die Renditen der einzelnen Portfolios während der fünf größten Rückschlage des CMBI Bitcoin Index in seiner fast elfjährigen Geschichte, die von negativen 41 Prozent bis zu negativen 93 Prozent gemessen vom Hoch bis zum Tief reichen.

Während dieser fünf Stressperioden hielt sich das einfache 60/40-Portfolio besser als die Portfolios mit Bitcoin-Allokationen um durchschnittlich 6,8 Prozent. Während des jüngsten Sturzfluges von Bitcoin, der Mitte April begann verzeichnete das einfache 60/40-Portfolio bis zum 25. Juni 2021 einen Gewinn von 1,9 Prozent, während die Bitcoin-Portfolios diese Marke um drei Prozentpunkte verfehlten. Es kann schwierig sein, an Portfolios festzuhalten, die zu kämpfen haben, wenn Aktien und Anleihen gut laufen, gibt Millson dazu zu bedenken.