Momentan sucht der Bitcoin weiter seine Richtung. Seit dem Bullrun im Juni pendelt der Preis um die psychologische Marke von 10 000 US-Dollar. Zwar sind deutliche Rücksetzer weiter nicht auszuschließen. Das Chartbild hat sich aber verbessert, der Preis könnte wieder in Richtung der Jahreshöchststände laufen. Unabhängig von diesen kurzfristigen Überlegungen hat sich an der langfristigen Perspektive nichts geändert. Diese könnte aufgrund diverser makroökonomischer Entwicklungen auf einen perfekten Sturm für Bitcoin hinauslaufen.

Walmart will eigenen Coin


Während der Facebook-Coin Libra von offizieller Seite weiter auf große Vorbehalte stößt, prescht ein zweites großes amerikanisches Unternehmen mit dem Plan eines Stable Coin vor. Ein entsprechendes Patent wurde von Walmart beim US-Patentamt eingereicht. Immerhin handelt es sich bei Walmart laut "Fortune" um das mit 500 Milliarden US-Dollar umsatzstärkste Unternehmen der Welt. Die digitale Währung von Walmart, die an den Dollar angebunden werden soll, würde wie bei Libra auch die vom normalen Banksystem abgeschnittenen Menschen ansprechen. Diese haben oft kein Konto oder empfinden Bankgeschäfte als zu teuer. Transaktionen mit dem Walmart-Coin wären dagegen nur mit minimalen oder gar keinen Gebühren belastet.

Weltweit sind Tendenzen zur Lockerung der Geldpolitik zu beobachten. Vergangene Woche senkte die amerikanische Notenbank Fed die Leitzinsspanne. Diese geldpolitische Vollbremsung ist ein Zeichen der Hilflosigkeit angesichts der Gefahren der abkühlenden Weltwirtschaft und der schwelenden Handelskonflikte. Die EZB erwägt für September eine Erhöhung der Negativzinsen auf freiwillige Bankeinlagen.

Durch diese Aktionen stärken die Fed und die EZB ungewollt die Position des Bitcoin. Der Nutzen von Bitcoin als Zahlungsmittel bleibt zwar eher etwas für eingefleischte Fans. Dafür spricht gerade auch der Rückzug des Bitcoin-Zahlungsabwicklers BitPay in Deutschland aufgrund der kommenden Regulierungen. Aufgrund des Wertverfalls im vergangenen Jahr geriet aber einer der wesentlichen Use Cases in Vergessenheit: der als Wertaufbewahrungsmittel oder digitales Gold. Das ändert sich mit den Kurssteigerungen seit Jahresanfang, wenngleich die Volatilität und Unberechenbarkeit weiter zu hoch ist.

Dazu kommt noch der wichtige positive Faktor der Fluchtwährung. Diese nutzten bisher Menschen in Ländern mit instabilen Währungen wie Simbabwe, Venezuela, Iran oder der Türkei. Durch das erneute Öffnen der Geldschleusen in westlichen Ländern könnte der Bitcoin auch dort schnell zur Fluchtwährung werden. Denn im Gegensatz zum herkömmlichen Geld ist diese nicht beliebig inflationierbar - ganz im Gegensatz zu Dollar, Euro und Co. Ein Tausch in Bitcoin könnte deshalb ein weltweiter Megatrend werden.

Konsequenzen für Anleger


Der Bitcoin bleibt eine langfristige Anlage. Anleger sollten sich nicht von den Kursturbulenzen durchschütteln lassen und hektisch agieren. Die Positionen lässt man mit Blick auf die zweite Jahreshälfte 2020 laufen. Dann wären Gewinne letztlich steuerfrei. Und diese könnten durchaus beträchtlich sein.

Neben den oben aufgeführten Entwicklungen dürfte auch das Bitcoin-Halving im Mai 2020 den Preis nach oben hieven. Die Belohnung für die Miner wird dann von 12,5 auf 6,25 Bitcoin pro gemintem Block reduziert. Dadurch kommen weniger Bitcoins in Umlauf, das Angebot wird also verknappt, und der Preis wird dadurch tendenziell steigen. Etliche Analysten erwarten deshalb für nächstes Jahr Bitcoin-Preise im mittleren fünfstelligen Bereich. Sollten sich die Turbulenzen an den traditionellen Finanzmärkten verschärfen, könnte es sogar wieder zu einer Blase kommen und der Preis bis in den sechsstelligen Bereich laufen.

Allerdings: Bitcoin und Co bleiben auch in Zukunft hochspekulative Anlagen. Ein Anlagegesetz setzen nämlich auch die Kryptowährungen nicht außer Kraft: Großen Kurschancen stehen immer auch entsprechende Risiken gegenüber. Deswegen darf der Anteil der Kryptowährungen am gesamten Anlageportfolio nie überdimensioniert sein. Es sollte sich wie bei spekulativen Aktien um Beträge handeln, deren Verlust man notfalls komplett verschmerzen kann.

Bafin: Neue Richtlinie


Ab 2020 gilt eine neue Richtlinie für Geldwäsche. Daher benötigen deutsche Kryptounternehmen eine Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Dies betrifft vor allem Börsen oder Anbieter von Wallets. In diesem Zusammenhang werden Kryptowährungen ab 2020 als Finanzinstrument eingestuft. Reglementierungen sind immer ­einschränkend. Andererseits schaffen sie auch einen verlässlichen Rechtsrahmen. Dies könnte sich insbesondere bei institutionellen Investoren positiv auswirken.

Bitcoin: Stückzahl wird knapper


Seit dem 1. August befinden sich laut Daten von Blockchain.com 17 850 000 Stück Bitcoin im Umlauf, also rund 85 Prozent aller verfügbaren Bitcoins. Von der durch den Bitcoin-Code unwiderruflich festgelegten Maximalstückzahl von 21 Millionen Coins bleiben also nur noch 3,15 Millionen Coins zum Minen übrig. ­Außerdem soll ein beträchtlicher Anteil der ausgegebenen Bitcoins unwiderruflich verloren sein, weil die Besitzer ihre privaten Zugangsschlüssel verloren haben. Analysten schätzen diesen Anteil auf 20 Prozent der bisher ausgegebenen Bitcoins. Die Knappheit von Bitcoins wird in Zukunft dadurch immer mehr zum Tragen kommen.