In dieser Woche jährte sich zum 70. Mal der Jahrestag der Gründung der Volksrepublik. Schaut man sich die Entwicklung des Reichs der Mitte seit dem Tod von Staatsgründer Mao Zedong 1976 an, muss man den Kommunisten Anerkennung zollen. Damals war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf noch geringer als etwa in Ländern wie Haiti, Niger, Somalia oder Afghanistan. Heute rangiert es vor Ländern wie Bulgarien, Kolumbien oder Peru. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung konnten 800 Millionen Menschen in den vergangenen 30 Jahren der Armut entfliehen. Mit dieser Entwicklung ist das Land wieder auf dem besten Weg, zu seiner alten Bedeutung zurückzukehren. Vor rund 200 Jahren gehörte China zu den wirtschaftlich stärksten Nationen weltweit.

Damals erwirtschaftete das Land laut den Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) etwa ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Damit lag es deutlich vor Europa (23 Prozent) und den USA (2 Prozent). Heute ist es zwar wieder die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Allerdings hinkt das Pro-Kopf-Einkommen noch deutlich hinter den Industrieländern hinterher. Gleichwohl darf man dabei nicht außer acht lassen, dass sich seit 2010 das durchschnittliche verfügbare Einkommen der Chinesen in etwa verdoppelt hat. Bei der "Made in China 2025"-Strategie hat die Regierung zehn Branchen ausgemacht, in denen sie führende chinesische Weltunternehmen formen will. Die Chinesen wollen weg von der Werkbank für die Welt hin zu hochwertigen Produkten. Mit fortschreitender Technisierung in China dürfte sich das weiter annähern. Bei der künstlichen Intelligenz kann den Chinesen heute schon niemand mehr das Wasser reichen.

Xueming Song, DWS-China-Volkswirt meint dazu: "Vor diesem Hintergrund ist der Handelsstreit mit den USA ein zweischneidiges Schwert. Einerseits zwingt es China dazu, seine Bemühungen, technologisch autarker zu werden, zu beschleunigen. Andererseits besteht die Gefahr, dass China zunächst Rückschritte hinnehmen muss, wenn man von benötigten westlichen Hightechvorprodukten abgeschnitten wird."

Bevor China den gleichen Weg wie Südkorea - vom Agrarland zum Technologieführer - geht, könnte es aber auch laut Song noch durch eine weitere beeindruckende Dynamik gebremst werden: "Die Gesamtverschuldung in Prozent des Brutto­inlandsprodukts stieg binnen zehn Jahren von 162 Prozent auf 276 Prozent. Der aktuelle Fokus auf den Handelsstreit mit den USA verbirgt sowohl den Veränderungsprozess Chinas als auch die fundamentale Attraktivität des Landes", mahnt der DWS-Experte. Trotz der Bürden sind chinesische Aktien außergewöhnlich günstig. Setzt man das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis ins Verhältnis mit dem erwarteten Gewinnwachstum für die kommenden drei Jahre, werden die Aktien mit einem Abschlag von etwa 60 Prozent gegenüber Titeln aus Europa und den USA gehandelt. Die Probleme im Reich der Mitte scheinen also schon mehr als eingepreist zu sein.