Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte den Versicherer wegen unkorrekter Formulierungen abgemahnt. Nun gab die Allianz eine entsprechende Unterlassungserklärung ab, bestätigten beide Seiten gegenüber boerse-online.de, dem gemeinsamen Portal der Zeitschriften "Euro", "Euro am Sonntag" und "Börse Online". Eine Allianz-Sprecherin erklärte, man habe die "angreifbaren" Formulierungen, die in "speziellen Vertragskonstellationen" verwendet worden seien, inzwischen geändert.

Hintergrund des Streits sind mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs. Demnach können Verbraucher, die zwischen 1995 und 2007 eine Kapitallebens- oder private Rentenversicherung abgeschlossen haben, dann widersprechen, wenn der Vertrag eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung enthält. Das ist sogar möglich, wenn die Versicherungspolice schon abgelaufen ist. Die Verträge müssen dann rückabgewickelt werden, und der Kunde erhält üblicherweise seine eingezahlten Prämien plus Zinsen zurück.

Laut BGH können Fehler in Details entscheidend sein. Das nutzten Kunden der Allianz und verwiesen in Schreiben an den Versicherer darauf, dass in ihrem Vertrag eine Kündigungsfrist von einem Monat eingeräumt wurde. Laut Gesetz galt jedoch eine Frist von 30 Tagen, so dass die Allianz bei einer Kündigung im Februar die Kunden schlechter gestellt hätte. Die Allianz lehnte dennoch eine Rückabwicklung des Vertrags ab.

"Das Urteil des Bundesgerichtshof ist eindeutig, und trotzdem fegt die Allianz die Ansprüche von Verbrauchern einfach vom Tisch", hatte Christian Biernoth, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale, die Abmahnung begründet. "Auch eine Allianz muss sich an die BGH-Rechtsprechung halten. Es ist eine Katastrophe, wenn auf diese Weise Verbraucherrechte ausgehebelt werden."

Die Allianz ist kein Einzelfall. Die Verbraucherzentrale hat auch die Zurich Deutscher Herold und die Neue Leben abgemahnt, weil sie sich aus Sicht der Verbraucherschützer über Urteile des Bundesgerichtshofes hinweggesetzt hatten. Beide Versicherer haben inzwischen ebenfalls eine Unterlassungserklärung abgegeben. "Für die Lebensversicherer geht es um viel Geld", so Biernoth. "Doch die Abwimmelschreiben werfen ein schlechtes Licht auf die gesamte Versicherungsbranche. Das kann nicht im Sinne der Unternehmen sein."

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Checkliste: So holen Sie Ihr Geld zurück



TEXT KORREKT?



Laien können kaum beurteilen, ob die Widerspruchsbelehrung ihrer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung korrekt ist oder nicht. Wer den Text überprüfen lassen will, sollte sich an Fachleute wenden. Geeignete Ansprechpartner sind:
Die Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh.de) prüft eine Gebühr von 85 Euro, ob eine Rückabwicklung möglich ist. Voraussetzung ist, dass die Unterlagen in Kopie vorliegen. Gegen weitere 100 Euro werden die exakten finanziellen Ansprüche errechnet.
Der Bund der Versicherten (bundderversicherten.de) prüft die Unterlagen für Mitglieder kostenlos. Die Mitgliedsgebühr beträgt 60 Euro pro Jahr (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 30 Euro), die Aufnahmegebühr acht Euro.
Versicherungsberater (Liste unter bvvb. de) kommen ohne Provisionen von Versicherern aus und sind entsprechend unabhängig. Die Stundensätze liegen üblicherweise zwischen 100 und 200 Euro plus Mehrwertsteuer.
Anwälte für Versicherungsrecht können ebenfalls helfen (Abfrage unter anwaltauskunft.de/anwaltssuche). Allerdings warnt das Anwaltsbüro47 aus Augsburg vor unseriösen Advokaten in Sachen Widerspruchsrecht. Diese seien unter anderem an Erfolgsprovisionen von 40 Prozent und mehr zu erkennen.

UNTERLAGEN WEG?



Wer die Unterlagen nicht mehr hat, kann den Versicherer freundlich bitten, sie ihm noch einmal zuzuschicken -Fragen kostet nichts. Es ist auch vorstellbar, dass der Kunde die Widerspruchsbelehrung gar nicht erst erhalten hat. Dann gelten dieselben strengen Regeln wie bei einer unkorrekten Belehrung. Grundsätzlich muss der Versicherer nachweisen, dass das Papier dem Kunden zugegangen ist. Legt er allerdings vor Gericht die Usancen seines Postversands offen und sind keine Unregelmäßigkeiten erkennbar, wird angenommen, dass alle Kunden dieselben Papiere erhalten haben.

FINANZIELL SINNVOLL?



Falls die Voraussetzungen für Widerspruch oder Rücktritt gegeben sind, sollte man über den wirtschaftlichen Sinn eines solchen Schritts nachdenken. Oft ist der nicht gegeben. Denn viele ältere Verträge haben einen hohen Garantiezins von bis zu vier Prozent, der sich bei Wiederanlage des Geldes derzeit kaum erzielen ließe. Zweitens haben Kontrakte, die vor 2005 geschlossen sind, zumeist einen erheblichen Steuervorteil. Drittens gibt es oft Zusatzverträge, zum Beispiel für Berufsunfähigkeit. Wenn man diese Kontrakte neu abschlösse, müsste man vermutlich erheblich mehr bezahlen - falls man angesichts zwischenzeitlicher Erkrankungen überhaupt noch Schutz bekäme. Viertens müsste man bei fondsgebundenen Policen eventuelle Kursverluste realisieren; wer die Police behält, kommt möglicherweise noch ins Plus. Bei der Entscheidung können die anfangs genannten Berater helfen.

ZINS FESTGELEGT?



Wer zu dem Entschluss gekommen ist, sich von seiner Police zu trennen, kann dies mit einem Musterschreiben tun (herunterzuladen etwa unter vzhh.de oder bundderversicherten.de). Auch hier kann es sinnvoll sein, sich wegen der geforderten Verzinsung beraten zu lassen. Aber nicht zu niedrig ansetzen! So hat das Oberlandesgericht Celle sage und schreibe 6,40 Prozent pro Jahr für rechtens erachtet (Az. U 192/13). Verbraucherschützer berichten, dass eine Reihe von Versicherern sogar bezahlen, ohne es auf einen Prozess ankommen zu lassen.

GREIFT RECHTSSCHUTZ?



Vor juristischen Schritten sollte man abklären, ob der Rechtsschutzversicherer zahlt. Falls Kapitalanlagegeschäfte eingeschlossen sind, was bei vielen älteren Rechtsschutzpolicen der Fall ist, stehen die Chancen dafür gut. Man werde in diesem Fall leisten, selbst wenn der Prozess gegen ein Unternehmen des eigenen Konzerns geführt werde, sagt etwa eine Sprecherin der Ergo-Gruppe (Rechtsschutzversicherer: D.A.S.). Ähnlich äußert sich die Arag, von der Allianz war keine Stellungnahme zu erhalten.
Falls der Rechtsschutzversicherer den Schutz verweigert, ist dennoch nicht aller Tage Abend. Der BGH entschied 2013 in mehreren Verfahren, dass einschränkende Klauseln in dieser Sparte oft unverständlich und damit nichtig sind (Az. IV ZR 84/12, IV ZR 174/12, IV ZR 211/11).
Theoretisch könnte man auch eine Rechtsschutzpolice genau für ein Verfahren in Sachen Widerspruchsbelehrung abschließen und diesen Schritt nach der üblichen Wartezeit von drei Monaten nach Vertragsschluss gehen. Jedoch bauen manche Rechtsschutzversicherer hier vor. So hat die Roland-Gruppe seit Jahresbeginn bei Neuverträgen exakt solche Verfahren ausgeschlossen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr entschieden, dass solche Klauseln unwirksam sein können, wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer deren wirtschaftliche Konsequenzen nicht genügend erfassen kann ((Az. IV ZR 200/16)