Recht zu bekommen, kann teuer werden. Deshalb haben viele Deutsche eine Rechtsschutzversicherung. Doch die hilft nicht immer - aber immer häufiger bei Mediation. Von Maren Lohrer, Euro am Sonntag




Rate von Prozessen ab. Überzeuge deine Nachbarn von Kompromissen, wann immer möglich", empfahl schon Abraham Lincoln, der vor seiner Zeit als US-Präsident als Anwalt tätig war. Steine des Anstoßes gibt es viele: überhängende Äste, Probleme beim Schneeräumen. Nachbarschaftsstreits beschäftigen die Gerichte auch hierzulande.

Doch wer vor Gericht klagt - oder verklagt wird -, muss auch damit rechnen, dass er unterliegt. Das kann teuer werden. Mit einer Rechtsschutzversicherung lässt sich dieses Kostenrisiko auffangen. Allerdings ist sie kein Rundum-sorglos-Paket - oft verstecken sich Ausschlüsse im Kleingedruckten. "Die Rechtsschutzversicherung ist rechtlich ausgesprochen komplex und wirft deshalb immer wieder schwierige und dem Laien nur schwer vermittelbare Rechts­probleme auf", sagt Günter Hirsch, der sich als Versicherungsombudsmann der Beschwerden der Versicherten annimmt. Die Themen, die bei ihm landen, machen deutlich, wo Probleme liegen und der Rechtsschutz eben nicht hilft.

Auf das Kleingedruckte achten

Immer häufiger schützt er aber, wenn es erst gar nicht zum Prozess kommt. Wenn Konflikte also außergerichtlich beigelegt werden, die Streitparteien sich - im Rahmen einer Vermittlung, ­einer sogenannten Mediation - auf eine Lösung einigen. Eine exklusive Umfrage zeigt, wie es die Versicherer mit der Mediation halten (siehe Tabelle unten).

Doch ganz gleich, ob es vor Gericht oder in die Räumlichkeiten eines Mediators geht: Jede Versicherung zahlt erst dann, wenn ein Versicherungsfall vorliegt. Das mag zunächst banal klingen. Doch hier gibt es oftmals Probleme, wie der Jahresbericht des Versicherungs­ombudsmanns deutlich macht (siehe unten). "Die Ausschlüsse im Kleingedruckten stellen Versicherte meist erst dann fest, wenn sie von ihrer Versicherung Gebrauch machen möchten", gibt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) zu bedenken.

Die Frage, ob ein Rechtsschutzfall ­eingetreten ist, beurteilt Ombudsmann Hirsch häufig als schwierig. Der Versicherungsvertrag muss schon laufen, bevor der konkrete Streit beginnt, sonst existiert kein Versicherungsschutz. Hirsch weist darauf hin, dass es problematisch sein kann, wenn ein Rechtsschutzfall vorverlagert wird. Ein Beispiel: Ein Arbeitgeber kündigt und begründet dies mit lange zurückliegenden Ereignissen. Die Arbeitnehmerin war zwar zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens rechtsschutzversichert, aber nicht zum Zeitpunkt der vorgeblich ausschlaggebenden Ereignisse.

Hirsch erklärt zu einem solchen Fall grundsätzlich: Wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon hätte, seit wann der Rechtsschutzversicherungsvertrag der Mitarbeiterin läuft, könnte er gezielt Rechtsverstöße geltend machen, die vor Beginn des Versicherungsvertrags vorgefallen sind. Auf diese Weise könnte er einseitig den Versicherungsschutz der Mitarbeiterin aushebeln. Aus der Sicht von Hirsch ein völliges Unding. Es könne nicht angehen, dass ein Anspruchsgegner diesen Einfluss auf den Versicherungsschutz der anderen Seite habe. Entscheidend müsse sein, was die Versicherungsnehmerin infolge der Kündigung vorträgt, sagt Hirsch. Übrigens: Der Ombudsmann hat den Versicherer in diesem Fall verpflichtet, Versicherungsschutz für das Kündigungsverfahren zu gewähren.

Generell gilt, so ergänzt Rechtsanwalt Erik Martin Poetschke: "Nach Vertragsschluss kann noch eine Wartezeit anfallen, die für einzelne Rechtsgebiete zwischen drei und 36 Monaten dauern kann." Tritt der Versicherungsfall in der Wartezeit unvorhersehbar auf, so ist die Deckung durch die Wartezeit jedoch nicht unbedingt ausgeschlossen.

"Tatsächlich gibt es zum Thema Risikoausschlüsse immer wieder enttäuschte Gesichter bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern", weiß auch Bianca Boss. Denn zahlreich sind die Fälle, in denen der Versicherer dann nicht leisten muss. "Ausgeschlossen sind beispielsweise beliebte Streitursachen wie alles, was mit dem Kauf und Bau eines Hauses zusammenhängt, Familien- und Erbrecht sowie Spiel- und Wettverträge, Termin- und Spekulationsgeschäfte. Das führt dann häufig zu negativen Überraschungen", erklärt die BdV-Sprecherin.

Die Deutschen sind keine Prozesshansel, obwohl das oft unterstellt wird. "Auch wenn der Anteil der Bevölkerung, der persönliche Erfahrungen vor Gericht gemacht hat, recht groß ist, wäre es ein Trugschluss anzunehmen, die deutsche Bevölkerung sei besonders prozess­freudig oder ausgesprochen gern vor Gericht", heißt es im Rechts­report 2017 des Versicherers Roland. Schließlich sind wir vor Gericht und auf hoher See allein in Gottes Hand - eine juristische Auseinandersetzung ist oftmals unwägbar.

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Schlichten statt streiten

Erfreulich ist daher umso mehr: Die Rechtsschutzversicherer unterstützen zunehmend auch die außergerichtliche Streitbeilegung, die Mediation. Sie kann helfen, wenn man nicht prozessieren will, aber auch nicht mehr miteinander reden kann. Seit 2012 ist in Deutschland das Verfahren gesetzlich festgelegt: "Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben." Der Mediator ist hierbei ein unabhängiger Moderator, der die Parteien bei der Beilegung ihres Streits unterstützt. Das Verfahren ist durch Ergebnisoffenheit, Fairness und Vertraulichkeit gekennzeichnet.

Die Kosten für eine Mediation können geringer als die eines Gerichtsprozesses sein, zudem sind die Ergebnisse oft nachhaltiger - das macht sie nicht nur für die Streitparteien interessant, sondern auch für die Rechtsschutzversicherer. Die Versicherer bieten hier unterschiedliche Konditionen. Einige übernehmen die Kosten nur unter bestimmten Bedingungen, andere deckeln die Höhe der Summe. Der Versicherer sollte daher stets vor Inanspruchnahme kontaktiert werden.

Mediation ist bei den Versicherern immer eine zusätzliche Leistung. Sind die Kunden unzufrieden, steht ihnen anschließend noch der Rechtsweg offen. Die meisten Versicherungen geben jedoch an, dass die Zufriedenheit der Kunden, die eine Mediation genutzt haben, hoch bis sehr hoch sei. Die Chance bei einer Mediation ist groß: Oft klappt’s dann auch mit dem Nachbarn.



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Ombudsmann:

An den Ombudsmann Günter Hirsch können sich Versicherungskunden mit ihren Beschwerden wenden. Beispiel: Die Rechtsschutzversicherung begleicht die Anwaltskosten nicht - aus Kundensicht zu Unrecht.

In der Statistik des Versicherungs­ombudsmanns stehen Rechtsschutzversicherungen mit 4.015 von insgesamt 14.910 zulässigen Beschwerden auf Platz 1, gefolgt von den Lebensversicherungen mit 3.877 Anträgen.

Das Schlichtungsverfahren ist für die Kunden kostenlos. Unterliegt der Kunde, kann er immer noch gegen die Versicherung klagen. Der Ombudsmann kann bis zu 10.000 Euro Beschwerdewert verbindlich gegen den Versicherer beschließen. Seit November 2016 kann Hirsch das Verfahren mit einem Schlichtungsvorschlag beenden, wie es § 19 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) regelt. Dies ist 2017 in 262 Fällen geschehen.

"Schlichtungsvorschläge können an ihre Grenzen stoßen, wenn es um Massenbeschwerden geht, wie sie etwa zur VW-Abgasaffäre in der Rechtsschutzversicherung oder zum ewigen Widerspruchsrecht in der Lebensversicherung hundertfach beim Ombudsmann eingegangen sind", so Hirsch.

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