Die Corona-Krise könnte die Rechte von Verbrauchern empfindlich einschränken. Die Bundesregierung plädiert dafür, dass sie Gutscheine statt umgehender Rückzahlungen erhalten dürfen, wenn Flüge oder Pauschalreisen ausgefallen sind. Bei Freizeitveranstaltungen hat das Kabinett sogar einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen, der in nächster Zeit dem Bundestag vorgelegt werden soll. Nach aktueller Rechtslage müssen Veranstalter bei Flügen innerhalb von sieben Tagen zurückzahlen, bei Pauschalreisen innerhalb von 14 Tagen. Bei Veranstaltungstickets gibt es keine solche exakte Regelung. Etliche Vertreter der betroffenen Branchen hatten angesichts der massenhaften Absagen vor einer Insolvenzwelle gewarnt.

Geld nur in Härtefällen


Nach den Vorstellungen des Kabinetts sollen die Firmen stattdessen Gutscheine für Verträge ausgeben dürfen, die vor dem 8. März geschlossen wurden und pandemiebedingt nicht einzuhalten sind. Lediglich in Härtefällen, in denen für den Verbraucher der Gutschein "unzumutbar" ist, muss Geld fließen. Wer den Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 einlöst, soll erst dann den Gegenwert zurückerhalten.

Ob es tatsächlich so weit kommt, ist noch offen, was Flüge und Reisen betrifft. Denn eine Gutscheinpflicht wäre hier ein Verstoß gegen das geltende EU-Recht. Das Kabinett wandte sich denn auch offiziell an die zuständige EU-Kommission mit der Forderung, für eine einheitliche Regelung im vorgeschlagenen Sinn zu sorgen.

EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte in einem Fernsehinterview, er setze auf einen Kompromiss. Er rät den Verbrauchern, trotz geltenden EU-Rechts Gutscheine zu akzeptieren. Sie müssten sich klar darüber sein, dass das Recht auf Rückerstattung nicht mehr viel wert ist, wenn das betroffene Unternehmen insolvent sei. Die Kommission arbeite aber momentan an verschiedenen Ansätzen, um das Problem für beide Seiten auf befriedigende Weise zu lösen. Bis es konkrete Vorschläge gebe, würden aber wahrscheinlich noch einige Wochen vergehen.

Staatliche Rückversicherung


Reynders erwähnte die Option, abgesicherte Gutscheine einzuführen. Die Staaten müssten dann Fonds auflegen, um sicherzustellen, dass Reisegutscheine ausgezahlt werden könnten, wenn das ausgebende Unternehmen insolvent ist. Auch die Bundesregierung plädierte für eine Insolvenzabsicherung, "gegebenenfalls eine staatliche Rückversicherung".

Interessanterweise stehen nicht alle Vertreter der betroffenen Branchen hinter diesen Plänen. So will der Reiseanbieter Alltours den Kunden Zahlungen für ausgefallene Reisen zurückerstatten. Das gelte für stornierte Urlaube mit Abreisen zwischen 17. März und 30. April, teilte der Konzern mit.

Anders sieht die Ausgangslage bei Tickets für Veranstaltungen aus - von Konzerten über Festivals bis hin zu Fußball, Eishockey oder Handball, wo die Ligen allesamt pausieren. Hier läuft die Pflicht zur Rückerstattung ausschließlich über nationales Recht, sodass in diesem Fall eine schnelle Lösung möglich ist. Deshalb hat die Bundesregierung dafür den Gesetzentwurf beschlossen.

Verbraucherschützer laufen Sturm gegen sämtliche Gutscheinpläne. " Für Verbraucher würden sie bedeuten, dass sie den Anbietern einen zinslosen Zwangskredit bis Ende 2021 geben müssten", sagte Marion Jungbluth, Teamleiterin beim Verbraucherzentrale Bundesverband, gegenüber €uro am Sonntag. "In der aktuellen Unsicherheit wäre die Rückzahlung wenigstens ein Stück finanzielle Sicherheit." Die Verbraucherzentrale (VZ) Nordrhein-Westfalen hat bereits den Ticketvermittler CTS Eventim abgemahnt. Nach Angaben von VZ-Rechtsanwalt Thomas Bradler hatte Eventim in mehreren Fällen eine Zahlung abgelehnt und nicht einmal einen Gutschein angeboten.

Veranstalter in der Pflicht


Das Unternehmen selbst hält das für legitim. Ein Firmensprecher sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "CTS Eventim setzt keineswegs eigene Interessen durch, und dies insbesondere nicht auf dem Rücken der Kunden." Man sei nicht selbst Veranstalter. Deshalb schulde nicht CTS Eventim den Kunden die Ticketkosten, sondern vielmehr der jeweilige Veranstalter.

Welchen Rat hat Rechtsanwalt Bradler ganz generell für Verbraucher, was die Gutscheinpläne betrifft? "Jeder Kunde sollte für sich prüfen, ob er in der jetzigen Situation sein Geld zurückverlangen oder an einem Ersatztermin teilnehmen möchte. Bevor man überhaupt rechtliche Schritte einleitet, sollte man in jedem Fall die weiteren Entwicklungen in der Corona-Krise abwarten."