von Iris Schöberl, Gastautorin für €uro am Sonntag

Dass sich der stationäre und der digitale Handel immer mehr vermischen, ist präsenter denn je. Sei es, dass sich E-Commerce-Unternehmen wie Amazon oder Zalando dauerhafte oder temporäre Flächen suchen oder der Einzelhändler digitale Tools nutzt, um eine breite Zielgruppe zu bedienen. Hier treffen Möglichkeiten wie Click and Collect auf die Umgestaltung der Shops und die Erweiterung der Dienstleistungen vor Ort aufeinander.

Das bedeutet zum Beispiel, dass der Kunde nicht nur die gewünschten Produkte im Handel findet, sondern auch Services oder Entertainment geboten bekommt, die über die klassischen Angebote hinausgehen: Ein Kaffee oder Wein zum Einkauf, gut ausgebildetes Personal und die Stärkung der lokalen Identität sind hierfür die Basis. Das sind die mittelfristigen Veränderungen und Optionen. Doch wie sieht es 2030 aus, und welche Rolle haben verschiedene Stakeholder? Wie stärkt die Digitalisierung die Diversifikation in den Innenstädten, und welchen Einfluss hat sie auf die Präsenz kleinerer Anbieter?

Zunächst: Wir werden weiterhin stationär und online shoppen - vermutlich vor allem mit digitalisierten Zahlungsmöglichkeiten. Künftig müssen Investitionen in ein Warenwirtschaftssystem getätigt werden, das eine stärkere Verbindung zwischen On- und Offlineshop herstellt und - bestenfalls in Echtzeit - die Verfügbarkeit von Waren für Kunden sowie das Personal transparent macht. Die Präsenz auf der Fläche wird sich weiter wandeln und die Verbindung beider Welten noch effizienter genutzt. Das Warenangebot vor Ort wird sich verringern, da es nicht mehr zwingend notwendig ist, das gesamte Sortiment auf Vorrat zu haben. Gut ausgebildete Styleberater können so, am ­Beispiel einer Boutique, anhand realistischer Animationen ganz unterschiedliche ­Variationen präsentieren, unabhängig vom Lagerbestand. Dadurch kann zusätzlich an Logistikfläche eingespart werden - in Anbetracht steigender Mieten in den Toplagen ein entscheidender Kostenfaktor.

Aber auch Politik und Projektentwickler sind gefordert, denn nur an die Händler zu appellieren ist zu kurz gedacht. Was muss also getan werden, um den Einzelhandel für Kunden, Investoren und Händler attraktiv zu machen?

Zum einen geht es um die Verbindung der Shops mit ihrem Umfeld. Das Auge isst nicht nur mit, das Auge kauft auch mit. Die Qualitäten der Innenstädte und der Verkaufsflächen müssen in Einklang stehen, und ein Netzwerk muss auf allen Ebenen erkennbar sein. Das gilt zum Beispiel bei der Anpassung der Fassaden nach Neuentwicklungen, ein Infrastruktursystem, das auch gestalterisch zusammengehört. Innenstädte müssen optisch glänzen. Hier müssen Stadtplanung und Politik auf den Plan treten. Trotzdem wird ein gewisser Grad der Individualisierung in Bezug auf das Angebot weiter Einzug in die Innenstädte halten - durch die stärker werdende Kooperation zwischen Shopbesitzern und großen Online-Kaufhäusern wie Zalando. Denn überall können selbst die größten Onlinemarken nicht präsent sein - daher werden sie vermehrt mit kleinen Anbietern zusammenarbeiten.

Thema Digitalisierung ist auch für Investoren entscheidend

Um zwischen den Einzelhändlern eine Verknüpfung zu erstellen, ist die Besetzung eines Citymanagers unabdingbar, der eine Kooperation zwischen den einzelnen Beteiligten fördert. Auch in einer Innenstadt geht es nicht um den Wettbewerb, sondern darum, als Einheit von der Qualität und Präsenz zu profitieren. Zudem sollten Händler selbst über Sonderregulierungen wie verkaufsoffene Sonntage bestimmen dürfen.

Neben diesen Einflussfaktoren und Trends im direkten Retail-Segment gilt es für Investoren, die sich indirekt an Fonds oder REITs beteiligen, die Invest­mentstrategie bezüglich der Zielstädte zu überprüfen. Kennziffern wie Zentralität, das Image und der Flair der Innenstädte sowie der Umgang der Städte mit dem Thema Digitalisierung und Multi­channeling sind entscheidend. Digitalisierung heißt auch Vernetzung. In der Art und Weise, wie wir einkaufen, wie wir kommunizieren und wie wir gestalten. So oder so muss Einkaufen gleichzeitig Erleben bedeuten. Auch 2030.

Kurzvita

Iris Schöberl
Geschäftsführerin von BMO Real Estate Partners
Schöberl verfügt über mehr als 35 Jahre Berufserfahrung in der Immobilienwirtschaft, unter anderem als Direktorin bei der Hypovereinsbank im Bereich Immobilienfinanzierung. Im Jahr 2000 gründete sie die REIT Asset Management GmbH, die deutsche Nieder­lassung der REIT Asset Management Gruppe. 2008 erfolgte der Zusammenschluss mit F & C Property Asset Management. Seit Mai 2014 gehört F & C REIT Asset Management zu BMO (Bank of Montreal).






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