Ausgerechnet Kanada. Die Absage des Formel-1-Rennens in Montreal am 13. Juni wegen der Pandemie ist ein harter Schlag für einen ansonsten erfolgsverwöhnten Mann: Lawrence Sheldon Strulovitch (61), besser bekannt als Lawrence Stroll. Nicht nur, dass er aus Montreal stammt. Beim Rennen in der Heimat hätte er auch wahrscheinlich am liebsten seinen rennfahrenden Sohn Lance Stroll auf dem Podest gesehen.

Teamkollege von Stroll junior ist der viermalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, der in dieser Saison von Ferrari zu Aston Martin wechselte. Jenem Rennteam, das dem von "Forbes" auf 3,2 Milliarden Dollar geschätzten Geschäftsmann Lawrence Stroll gehört und das mal Racing Point hieß. Bevor sich der Kanadier dazu entschloss, sich mal eben eine traditionsreiche britische Autofirma einzuverleiben. Die kriselnde Edelmarke Aston Martin will er nun wieder in die Erfolgsspur bringen. Wie so vieles in seinem Leben.

Lawrence Stroll, ein bulliger, weißhaariger, stets braungebrannter und Zigarre rauchender Motorsport-Freak, ist zu einem der mächtigsten Männer der Formel 1 geworden. Er sei "eine der wichtigsten Figuren in der Königsklasse des Motorsports - dort, wo nicht nur die Rennwagen, sondern auch die Egos ans Limit getrieben werden", urteilte die "Süddeutsche Zeitung."

Seine Vita ist eine faszinierende Erfolgsgeschichte über einen Selfmademan, der früh in der glamourösen Welt der Mode zu Reichtum kam und einen elitären Lifestyles zelebriert: ein prominenter Freundeskreis, Villen auf den Karibikinseln Mustique und Saint Vincent, in London und Genf, eine 200 Millionen teure Jacht, die zu den weltgrößten Motorjachten der Welt gehört. Seine Ehefrau, die in Belgien geborene Claire-Ann Callens, ist eine erfolgreiche Modedesignerin. Zeitweise bewohnte das Paar auf Miamis Prominenteninsel Fisher Island ein 20 Millionen Dollar teures Penthouse, das vorher der Talkmasterin Oprah Winfrey gehört hatte. Seinen 60. Geburtstag feierte Stroll auf Capri mit einer großen Kostüm-Fete (Motto: "Der große Gatsby" - ein Hollywoodfilm über die Welt der Reichen und Schönen nach dem Roman von Scott Fitzgerald). Zu den Gästen gehörten Michael Douglas, Catherine Zeta-Jones, Tommy Hilfiger und Sarah Ferguson.

Das Geschäftsleben begann mit 17

Stroll, 1959 in Montreal geboren, war seinem Vater in die Glamourwelt der Luxusmode gefolgt. Der jüdische Auswanderer Leo Strulovitch hatte in seiner neuen Heimat Kanada seinem Sohn vorgelebt, wie man Selfmade-Millionär wird, indem er einige der bekanntesten Modemarken wie Pierre Cardin und Polo Ralph Lauren ins Land holte. Mit acht Jahren musste Lawrence allerdings erst mal die Geschäftsräume fegen, Warenkisten abfüllen und später seinen Vater auch an den Wochenenden ins Büro begleiten. Aber bereits mit 17 durfte er die Lizenz für Pierre Cardin und drei Jahre später auch die für Ralph Lauren übernehmen.

Stroll bewies schnell unternehmerisches Geschickt und entwickelte ein gutes Gespür für Modetrends. Als er in den 80er-Jahren die Produktlinie Ralph Lauren in Europa einführte, lernte er den Hongkonger Geschäftsmann Silas Chou kennen, den Erben eines der größten Textilunternehmen in Asien. Zusammen gründeten sie die Firma Sportswear Holdings und investierten 1989 in das Unternehmen des damals noch ziemlich unbekannten amerikanischen Designers Tommy Hilfiger.

Aus dem Geheimtipp wurde ein Milliardenimperium: Stroll und Chou brachten Hilfiger 1992 an die Börse und verkauften ihre Anteile vier Jahre später für 1,6 Milliarden Dollar an die britische Privat-Equity-Firma Apax. Heute ist Tommy Hilfiger eines der renommiertesten Modelabels der Welt, Partner von Mercedes-Benz und Formel-1- Weltmeister Lewis Hamilton.

Den nächsten Coup landeten die beiden Partner 2003. Sie übernahmen für 100 Millionen Dollar eine 95-Prozent-Beteiligung an der amerikanischen Sportswear-Firma Michael Kors, die damals kurz vor der Insolvenz stand. Stroll und Chou stellten das Unternehmen neu auf: Sie senkten die Produktpreise und expandierten in das hochprofitable Handtaschengeschäft. 2011 ging Kors in New York an die Börse. Drei Jahre später, als die Bewertung des Unternehmens auf einen Höchststand von 20 Milliarden Dollar gestiegen war und einen Umsatz von einer Milliarde Dollar erzielte, verkauften Stroll und Chou ihre Anteile. Der Verkauf der Aktien katapultierte die beiden Geschäftspartner in die Liga der Dollar-Milliardäre.

Ein Ferrari für 27,5 Millionen

Stroll ist ein bekennender "Petrol Head", wie im Englischen die Motorsportverrückten genannt werden. In seinem Kinderzimmer hingen Poster von Rennautos, und als 19-Jähriger sah er in Montreal seinen ersten Grand Prix, den sein Landsmann Gilles Villeneuve damals in einem Ferrari gewann.

Seit über 20 Jahren besitzt Stroll eine eigene Rennstrecke, den Circuit Mont-Tremblant nördlich von Montreal. In einer Tiefgarage, die er neben seiner Villa ins Berggestein sprengen ließ, hat er eine der weltgrößten Ferrari-Sammlungen untergebracht. 27,5 Millionen Dollar bezahlte er für eines der italienischen Kultautos, einen 330 P4, von dem er bereits als Kind geträumt hatte.

Seine Rennsportbegeisterung hat Stroll offensichtlich vererbt: Sein Sohn Lance fuhr schon als Zehnjähriger Kart-Rennen, gewann die italienische Formel-4-Serie, wechselte dann in die Formel-3-Europameisterschaft und beendete gleich in seiner ersten Saison ein Rennen als Sieger. Ein Jahr später war er souveräner Gewinner der Gesamtwertung. Die Familie zog sogar von Montreal an den Genfer See, um dem Sohn in Europa die bestmögliche Ausbildung zum Rennfahrer bieten zu können.2015 nahm ihn Ferrari in sein Nachwuchsprogramm auf, er wurde Testfahrer für die Scuderia und startete zwei Jahre später im Cockpit eines Williams in der Königsklasse. Die Sponsoren-Millionen seines Vaters für das Werksteam, für das einst Michael und Ralf Schumacher fuhren, halfen natürlich und ließen den Verdacht aufkommen, dass der Vater mit seinem finanziellen Engagement lediglich seinem Sohn ein Cockpit in der Formel 1 sichern wollte.

Ein Formel-1-Team als Hobby

Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve, ebenfalls Kanadier, ätzte nach der ersten Saison des Youngsters: "Stroll ist zu früh und ohnehin nur des Geldes wegen in die Formel 1 gekommen. Mit seiner Fehlerquote ist er einer der schlechtesten Formel-1-Neulinge seit Langem." Immerhin überraschte Stroll junior, der viele Konkurrenten mit seiner undisziplinierten Fahrweise nervte, in der abgelaufenen Saison mit ein paar guten Resultaten und fuhr sogar deutlich mehr WM-Punkte ein als sein neuer Stallgefährte Sebastian Vettel, mit dem er nun im neuen Werksteam von Aston Martin fährt.

Strolls Rennsport-Engagement war zunächst wahrscheinlich mehr Hobby als Investment. Der Kauf eines Formel-1- Teams habe nie in seinem Businessplan gestanden, verriet er später. Der Rennstall, der ursprünglich vor 30 Jahren von Eddie Jordan gegründet wurde und anschließend nach mehreren Besitzerwechseln Midland, Spyker, Force India und Racing Point hieß, feierte bereits in der abgelaufenen Saison einige Achtungserfolge. Die Aston-Martin-Boliden, angetrieben von Mercedes-Motoren, dürften in der neuen Saison zumindest um die Punkteränge kämpfen können.

Bei Aston Martin denkt man automatisch an James Bond. Sunbeam, Lotus, BMW, Toyota - sogar eine Ente hatte 007 in seiner Karriere gefahren. Doch kein Auto ist so eng verbunden mit dem berühmtesten Geheimagenten der Welt wie der silberne Aston Martin DB5, mit dem Sean Connery 1964 in "Goldfinger" zum ersten Mal über die Leinwand jagte. Wirtschaftlich war Aston Martin bereits seit längerer Zeit in Schieflage geraten. Sieben Pleiten hatte der britische Sportwagenbauer in seiner über 100 Jahre zählenden Geschichte schon erlebt, und die achte war Ende 2019 nicht mehr weit entfernt. Im Jahr zuvor hatten die italienischen und kuwaitischen Investoren das Unternehmen an die Börse gebracht und gehofft, dort den Erfolg des großen italienischen Rivalen Ferrari zu wiederholen: Die Ferrari-Aktien hatten ihren Wert seit der Börsennotierung 2015 verdreifacht. Aber bei den Briten geschah das Gegenteil - die Aktie kannte eigentlich nur noch eine Richtung, nämlich bergab.

Grund für den Absturz waren sinkende Verkäufe - vor allem in China - und hohe Investitionen in den neuen Geländewagen DBX. 2019 ging die Zahl der produzierten Autos um zehn Prozent auf 5.800 Fahrzeuge zurück, ein Verlust vor Steuern von 104 Millionen Pfund war die Folge. Meldungen über Rettungsgespräche machten die Runde.

In England fürchtete man bereits um die Unabhängigkeit des Unternehmens, denn Aston Martin ist der einzige britische Autohersteller, der sich nicht im Mehrheitsbesitz eines großen ausländischen Konzerns befindet: Bentley gehört zu Volkswagen, Rolls-Royce zu BMW, Jaguar Land Rover zu Tata und Vauxhall zu PSA (Peugeot-Citroën). Erste Gespräche waren bereits mit dem chinesischen Autobauer Geely geführt worden, dem unter anderem Volvo gehört.

Jetzt schlug die Stunde von Lawrence Stroll. Er rette Aston Martin vor dem Bankrott, indem er mit einem Konsortium, zu dem auch sein früherer Geschäftspartner Silas Chou gehört, eine Finanzspritze von 656 Millionen Dollar organisierte. Er machte sich zum Verwaltungsratspräsidenten und holte weitere prominente Sponsoren an Bord, zum Beispiel seinen Freund Toto Wolff, den Weltmeistermacher von Mercedes, der sich mit 0,95 Prozent an Aston Martin beteiligte. Zum damaligen Aktienkurs hatten die Anteile einen Wert von 9,2 Millionen Euro.

Übernahme der Formel 1?

Über die Gründe für die Beteiligung von Wolff wird in Fachkreisen gerätselt. "Die Spekulationen, was Stroll und Wolff in den gemeinsamen Ferien nach dem ausgefallenen Saisonstart in Australien auf einer Insel im Indischen Ozean alles ausgeheckt haben könnten, reichen mittlerweile bis hin zur Übernahme der gesamten Formel 1", wusste die angesehene "Neue Zürcher Zeitung". "Ganz so utopisch ist das gar nicht."

Und die "Süddeutsche Zeitung" wusste zu berichten: "Hinter seinem Investment von 656 Millionen Dollar steckt mehr als nur der Wunsch eines Großaktionärs nach schnöder Geldvermehrung. Es geht um Leidenschaft, um Macht, um Familie, Geltung - und um Sport. Ein Cocktail aus Emotion und Zielstrebigkeit, wie gemacht für ein Alphatier."

Später stieg auch der Schweizer Biotech-Milliardär Ernesto Bertarelli, der mit der Segeljacht "Alinghi" zweimal den America’s Cup gewonnen hat, mit 3,4 Prozent ein. Bertarelli gehört laut einem vom Wirtschaftsmagazin "Bilanz" geschätzten Vermögen von 14 bis 15 Milliarden Franken zu den reichsten Schweizern.

Auch Daimler stockt den Anteil an Aston Martin von bisher 2,6 Prozent in mehreren Tranchen auf maximal 20 Prozent auf. Die Deutschen wollen den Briten Zugang zu neuen Technologien ermöglichen. "Forbes" spekulierte bereits, dass Aston Martin wohl zu einem späteren Zeitpunkt Teil der Mercedes-Gruppe werden könnte.

Auch Vettel ist eingestiegen

Neben Daimler stiegen auch Zelon Holdings und Permian Investment Partners als neue Aktionäre bei Aston Martin ein. Selbst Sebastian Vettel beteiligte sich mit eigenem Geld an dem Autobauer. Er will keine Details zu seinem Investment nennen. Laut Motorsport.com ist unklar, ob es sich bei den Aktien um einen Teil seiner Vergütung handelt oder ob er die Papiere am Markt erworben hat, was wohl als ein Vertrauensbeweis zu deuten wäre. Stroll wird jetzt versuchen, seine Erfolgsrezepte aus der Modeindustrie auf die Automobilbranche zu übertragen. "Der Wert einer solchen Anlage wird steigen, wenn man sie richtig behandelt", sagte er. Er kritisiert, dass das vorherige Management von Aston Martin "zu viel versprochen und zu wenig geliefert" habe.

Schlimmer noch, sie hätten gegen eine Grundregel des gehobenen Brandings verstoßen und zu viele Produkte in einen schwierigen Markt gepumpt. "Das Wichtigste im Luxus - und es spielt dabei keine Rolle, ob Sie Handtaschen oder Autos herstellen - ist, dass Sie die Nachfrage mit dem Angebot in Einklang bringen müssen", sagt er. Das Angebot müsse immer knapper sein als die Nachfrage. Denn je knapper und exklusiver, desto begehrter sei ein Luxusprodukt und werde so zu einem echten Statussymbol.

Dass er James Bonds Dienstwagen, dieses Symbol für sportliche Eleganz und einen gehobenen Lifestyle, wieder auf die Erfolgsspur bringt, daran zweifelt Lawrence Stroll keine Minute. Das Auto sei ein Diamant, den man nur noch ein bisschen schleifen müsse. "Aston Martin ist die größte Marke der Welt für Luxusautomobile", stellt er fest - unabhängig davon, was ein gewisser Rivale in der italienischen Stadt Maranello darüber denken möge.
 


Vita:

Besessen von Marken und PS

Lawrence Stroll wurde 1959 als Lawrence Sheldon Strulovitch in Montreal geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Mit bekannten Modemarken wie Ralph Lauren oder Tommy Hilfiger wurde er zum Multimilliardär. Stroll ist großer Motorsport-Fan und besitzt den Rennstall Aston Martin. Das Team mit seinem Sohn Lance und Sebastian Vettel fährt bislang mit bescheidenem Erfolg im Rennzirkus mit. In der Fachwelt gibt es Zweifel, dass Lance Stroll so begeistert von Autos ist wie sein Vater. Der kündigte unlängst an, man wolle sich verbessern und "bis zum Ende kämpfen".