Mit Speck fängt man Mäuse, mit Angst Wähler. Egal, welche Studie man liest, alle kommen zu dem Ergebnis: Die Deutschen haben Angst, sich im Alter finanziell stark einschränken zu müssen. Das sind unisono die Ergebnisse von Umfragen des Max-Planck-Instituts und der Meinungsforschungsinstitute Yougov und Toluna.

In Deutschland grassiert die Angst vor Altersarmut. Kein Wunder, dass sich bei einer Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge im September zwei Drittel für die Einführung einer Mindestrente aussprachen. In der Toluna-Studie forderten bereits im Mai knapp 38 Prozent der jungen Erwachsenen, der Staat müsse das Rentenniveau langfristig auch für die jüngere Generation sichern.

Klar, dass die Politik dieses Thema gern aufgreift. Koste es, was es wolle. "Mehr Rente" - das ist ein Selbstläufer für die Parteien: Kein Bürger bleibt auf ewig jung, und viele setzen fürs Alter (auch) auf die gesetzliche Rente. Politiker, die hier ein Mehr versprechen, können sicher sein: Dagegen demonstriert keiner. Und welcher Politiker will als der Böse dastehen, der dem malochenden Geringverdiener, dem armen Mütterlein oder dem kranken Erwerbsunfähigen eine auskömmliche Rente verweigert?

Ein Schnellschuss



Und so fand sich die Große Koalition in Berlin im Spätsommer plötzlich in einer Rentendiskussion, obwohl man sich erst ein paar Monate zuvor im Koalitionsvertrag darauf geeinigt hatte, eine Expertenkommission einzusetzen, die bis Anfang 2020 in aller Ruhe klären sollte, wie es künftig mit der gesetzlichen Rente weitergehen könnte.

Getreu dem Motto "Was schert uns unser Koalitionsvertrag von gestern?" beschloss die GroKo ein Rentenpaket, das möglichst alle Rentner finanziell besserstellt. So sieht das Paket unter anderem ab 2019 Verbesserungen bei Mütterrente und Erwerbsminderungsrente sowie Beitragsentlastungen für Geringverdiener vor. Zudem soll künftig jeder, der mindestens 35 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt hat, eine "Grundrente" erhalten, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Das Wichtigste aber: Der Beitragssatz soll bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen. Und das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent soll "erst mal bis 2025 stabil bleiben", so Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Hintergrund: SPD-Vize Olaf Scholz hatte ursprünglich gefordert, das Rentenniveau bis 2040 auf 48 Prozent zu halten. Und das ist auch weiterhin das erklärte Ziel der SPD.

Doch was heißt "stabiles Rentenniveau"? Bei der letzten großen Rentenreform unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde im Rahmen der "Agenda 2010" beschlossen, das Rentenniveau von damals knapp 58 Prozent bis 2040 auf 42 Prozent sinken zu lassen. Das heißt aber nicht, dass die ausgezahlten Renten sinken. Sie dürften nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung trotz Absenkung sogar stärker steigen als die derzeitige Inflation. Sie steigen nur nicht so stark wie die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung. Denn das Rentenniveau sagt aus, wie hoch die Rente eines Durchschnittsverdieners im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnittslohn ist. Es gibt also an, wie stark Senioren von steigenden Löhnen profitieren. Bleibt das Rentenniveau bis 2025 oder gar 2040 stabil, so heißt das, dass Rentner stärker von künftigen Lohnsteigerungen profitieren als einst geplant.

Das aber wird teuer. Sehr teuer. Zwar lässt sich laut Deutscher Rentenversicherung dank der guten wirtschaftlichen Lage das Rentenniveau ohne Zusatzkosten noch sechs Jahre lang auf 48 Prozent halten. Dann aber nicht mehr. Allein im Jahr 2040 müsste der Staat für die Sicherung des Rentenniveaus rund 50 Milliarden Euro aufwenden, errechnete der Rentenexperte Axel Börsch-Supan vom Munich Center for the Economics of Aging. Summiert man alle Jahresbeträge bis dahin auf, kommt man auf Zusatzkosten von 493 Milliarden Euro. Da sind die Kosten der Mütterrente, die schon ab 2019 mit jährlich 3,7 Milliarden Euro zu Buche schlägt, ebenso wenig enthalten wie die Verbesserungen für Geringverdiener und Erwerbsunfähigkeitsrentner.

Drei Varianten



Und wie soll man das bezahlen? Dafür gibt es drei Möglichkeiten: entweder die Rentenbeiträge steigen oder die Steuern oder die Regelaltersgrenze. Aktuell liegt der Rentenbeitragssatz bei 18,6 Prozent. Will man das Rentenniveau stabil halten, müsste der Beitragssatz bis 2040 auf mehr als 25 Prozent steigen, hat Börsch-Supan errechnet. Geht aber dank der beschlossenen Obergrenze von 20 Prozent nicht. Und die Steuervariante? Zieht die Politik diese Karte, müsste etwa die Mehrwertsteuer um mindestens vier Prozentpunkte auf 23 Prozent steigen.

Auch Bernd Raffelhüschen, Leiter des Instituts für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Uni Freiburg, kritisiert den Rentenkompromiss der GroKo: "Eine dauerhafte Haltelinie kann auf Dauer nicht funktionieren. Wir brauchen eine Haltelinie, in der unsere Kinder so viel zahlen wie wir." Und weiter: Wolle man Alt und Jung gleich behandeln, sei nur die Verknüpfung von Lebenserwartung und Renteneintrittsalter ein gangbarer Weg. "Wir Älteren sind zu viele, die Jungen zu wenige, daher kann eine Gleichbehandlung ohne Eingriff in die Lebensarbeitszeit nicht gelingen. Sprich: Je länger die Deutschen leben, desto länger müssten sie auch arbeiten."

Alles keine schönen Aussichten. Zumal selbst eine höhere gesetzliche Rente ein Problem nicht lösen dürfte: Auf die Hälfte der Deutschen kommen im Alter tatsächlich große Einschränkungen zu, ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Demnach wird die Hälfte der heute 55- bis 64-Jährigen nicht genug Rente beziehen, um ihren Lebensstandard im Alter halten zu können. Im Schnitt fehlen ihnen im Monat 700 Euro. Jeder Vierte kann im Alter seine aktuellen Ausgaben für Lebenshaltung, Konsum und Wohnen mittels eigenem Vermögen nicht mal fünf Jahre finanzieren: Die Angst vor Altersarmut scheint berechtigt.

Null Sparneigung



Doch aktiv dagegen angehen, davon halten die Deutschen nicht mehr viel. Die Sparneigung der 30- bis 59-Jährigen geht laut Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach deutlich zurück. Zwar zählen für die mittlere Generation finanzielle Unabhängigkeit und finanzielle Absicherung zu den wichtigsten Dingen im Leben. Doch dafür will sich kaum noch einer einschränken. Nur für 14 Prozent ist Sparen wichtig. Drei von vier stimmten der Aussage zu: "Ich halte es zwar für vernünftig, Geld zurückzulegen, habe aber keine Lust, mich dafür allzu sehr einzuschränken." Hart arbeiten und für den Ruhestand sparen, war gestern.

Eigentlich paradox. Denn die Angst davor, dass die Rente unsicher ist oder der Lebensstandard im Alter nicht gehalten werden kann, zählt laut derselben Umfrage zu den drei größten Ängsten der Generation Mitte. Doch lieber stecken die Deutschen in ihrer Lieblingsstrandbar den Strohhalm in den dritten Aperol Spritz, als aktiv gegen Altersarmut anzusparen. Denn eines ist klar: Ohne Konsumverzicht geht es nicht - entweder während des Berufslebens oder im Ruhestand.

Damit Sie persönlich Ihren Ruhestand ohne finanzielle Sorgen planen können, listen wir in den kommenden Teilen der Serie auf, welche Möglichkeiten die Altersvorsorge-Systeme für Angestellte, Beamte und Selbstständige bieten. Anhand von drei Beispielfällen zeigen wir Wege der privaten Vorsorge auf. Zudem rechnen wir Szenarien fürIhre persönliche "vorgezogene Rente" durch und stellen Ihnen rentable Portfolios vor, die ihnen genügend Geld im Portemonnaie lassen - für den einen oder anderen Besuch in der Strandbar.