Börsenmakler, die wild mit den Händen fuchteln, laut brüllen, ständig gestikulieren - so stellen sich viele noch immer den Börsenhandel vor. Doch weit gefehlt. Mit der Londoner Metallbörse hat die letzte Präsenzbörse in Europa ihr Börsenparkett soeben für immer geschlossen: der endgültige Sieg der vollelektronischen Börsen. Mit Kollege Computer lässt es sich einfach schneller, effizienter und billiger handeln. Eines der ersten vollelektronischen Handelssysteme war übrigens Xetra in Frankfurt. Und bis heute ist Xetra der wichtigste Wertpapierhandelsplatz in Deutschland, aber längst nicht der einzige. Zumal Xetra Privatanlegern zwar viel, aber längst nicht alles bietet.

Daher handeln viele Börsianer Wertpapiere gern auch über Tradegate - meist einfach deshalb, weil die Gebühren hier niedriger sind. Für Anleihen ist Stuttgart bundesweit der wichtigste Marktplatz. Und Euwax, ein Handelssegment der Börse Stuttgart, ist der größte europäische Handelsplatz für Zertifikate. Wer dagegen möglichst bis Börsenschluss in den USA auf Marktentwicklungen reagieren will, tut das als deutscher Privatanleger oft über Quotrix, Gettex oder L & S Exchange, ermöglichen diese elektronischen Handelssysteme der Börsen in Düsseldorf, München oder Hamburg den Handel in der Regel doch bis 22 oder gar 23 Uhr.

Wieder andere Anleger wollen direkt an ausländischen Börsen handeln. Etwa weil dort das Handelsvolumen der von ihnen präferierten Wertpapiere wesentlich größer ist und deshalb die Geld-Brief-Spannen deutlich niedriger sind als an deutschen Börsen - wenn hierzulande überhaupt ein täglicher Handel mit ihren "Lieblingstiteln" stattfindet.

Welche Börsenplätze dürfen’s sein?

Doch nicht jeder Onlinebroker bietet den direkten Handel in Echtzeit an jeder Börse an. Mancher hat kaum Handelsplätze außerhalb Europas im Angebot, andere zieren sich, was den Börsenhandel in Deutschland angeht. BÖRSE ONLINE hat deshalb bei 15 bundesweit aktiven Onlinebrokern ermittelt, an welchen Börsen der Echtzeithandel überhaupt möglich ist. Und welche Assetklassen bei den einzelnen Brokern handelbar sind. Denn auch hier gibt es gewaltige Unterschiede.

Ein Hinweis: Neo-Broker - etwa Gratisbroker, Just Trade, Scalable Capital und TradeRepublic - bleiben in dieser Serie unberücksichtigt. Grund: Diese bieten den Handel meist nur an ein oder zwei kleineren Börsenplätzen an und auch nur mit den wichtigsten Assetklassen, also Aktien, Fonds, ETFs und eventuell noch Zertifikaten ausgesuchter Emittenten. Diese mit "klassischen" Onlinebrokern zu vergleichen, die ein deutlich größeres Angebot haben, würde beiden Anbietergruppen nicht gerecht.

Aber zurück zu den angebotenen Börsenplätzen. Deren Anzahl ist von Broker zu Broker verschieden. Im Inland ermöglichen die meisten Onlinebroker das Traden via Xetra sowie bei allen Regionalbörsen und Tradegate in Echtzeit. Doch Achtung: Sowohl bei Maxblue, dem Onlinebroker der Deutschen Bank, als auch bei der Targobank ist über Tradegate lediglich außerbörslicher Handel möglich (dazu in einer späteren Folge mehr).

Noch größer sind die Einschränkungen in Sachen deutscher Handelsplätze bei Degiro. Dieser Anbieter ermöglicht deutschlandweit lediglich den Handel über Xetra, Börse Frankfurt, Zertifikatebörse Frankfurt und Eurex. Andere deutsche Börsenplätze? Kein einziger! (Siehe Tabelle unten.)

Dafür bietet Degiro europaweit außerhalb Deutschlands den Echtzeithandel an 30 Börsen an, darunter selbstverständlich die London Stock Exchange. Und weltweit kommen weitere 15 hinzu - unter anderem die New York Stock Exchange (NYSE) und die Nasdaq. Damit sind bei Degiro außerhalb Deutschlands deutlich mehr Handelsplätze direkt angeschlossen als bei vielen anderen Onlinebrokern.

So offerieren NIBC Direct und Targobank überhaupt keinen Börsenplatz außerhalb Deutschlands. Die Onvista Bank bietet gerade mal drei Börsenplätze außerhalb Deutschlands an, darunter NYSE und Nasdaq. Die ING Deutschland hat jenseits der deutschen Grenzen in Europa keinen einzigen Handelsplatz im Angebot, außerhalb Europas immerhin sechs, darunter ebenfalls NYSE und Nasdaq. Und bei Flatex, wo der Handel an sieben europäischen und vier außereuropäischen Börsen möglich ist, können Fans britischer Aktien nicht direkt an der London Stock Exchange aktiv werden.

Das größte Angebot an in Echtzeit angebundenen Börsenplätzen außerhalb Deutschlands hat mit 63 Handelsplätzen die Comdirect, gefolgt von Degiro (45) und DKB - Deutsche Kreditbank (42).

Doch nicht nur bei den Börsenplätzen gibt es je nach Broker mehr oder weniger große Einschränkungen. Auch bei den Asset- oder Wertpapierklassen bieten nicht alle Broker gleich viel. Klar: Aktien, Fonds, ETFs, Zertifikate und Optionsscheine kann man überall handeln, doch bei weniger gängigen Wertpapierklassen gibt es Einschränkungen: So bieten etwa Degiro, ING Deutschland, Maxblue, NIBC Direct und Postbank den Handel von Wikifolios - eine Form des Social Trading, bei der Anleger mittels Zertifikaten in Portfolios anderer (Profi-)Trader investieren - nicht an. Optionen und Futures lassen sich nur bei Consorsbank, Degiro und Onvista handeln. Telefonisch sind diese Assetklassen zudem auch bei der Merkur Privatbank handelbar. Die Comdirect Bank dagegen bietet lediglich den Options-, nicht aber den Futures-Handel an.

21 Assetklassen bei Consors

Die deutlichsten Beschränkungen jedoch hat Degiro: Nach eigenen Angaben ist dort auch der Börsenhandel mit Genussscheinen, Fremdwährungsanleihen - ganz gleich, ob Staats- oder Unternehmensanleihen - sowie Pfandbriefen nicht möglich. Unterm Strich hat Degiro mit 16 handelbaren Assetklassen hier das geringste Angebot, die Consorsbank mit 21 Assetklassen das größte, dicht gefolgt von der Targobank und der Merkur Privatbank mit je 21 und der Comdirect Bank mit 20 handelbaren Wertpapierklassen.

Noch ein Hinweis: Auch wenn bei einem Broker der Handel einer bestimmten Wertpapierklasse grundsätzlich möglich ist, kann es Einschränkungen geben. Etwa bei aktiv gemanagten Fonds: Grundsätzlich offerieren alle 15 betrachteten Broker den Handel von Fondsanteilen via Fondsgesellschaft (KAG). Jedoch lassen sich bei Degiro gerade einmal rund 400 Fonds via KAG handeln. Mit immerhin 2589 handelbaren Fonds hat die Postbank nach Degiro das kleinste Angebot, die 1822direkt das größte: Laut eigenen Angaben sind über sie mehr als 40 000 Fonds via Fondsgesellschaft zu beziehen. Doch auch Comdirect, DKB - Deutsche Kreditbank, NIBC Direct, Onvista Bank Smartbroker und S-Broker bieten für über 10 000 Fonds den Handel über KAG an.

Auch beim Angebot von Ordertypen gibt es deutliche Unterschiede. So bietet Degiro gerade mal Billigst-/Bestens-, Buy-Limit/Sell-Limit-, Stop-Loss/Stop-Buy-, Stop-Loss-Limit/Stop-Buy-Limit- und Trailing-Stop-Loss/Trailing-Stop-Buy an. Schon bei Kombinationsorders wie One-Cancels-Others-(OCO-) oder Next-Orders heißt es hier "Leider nicht verfügbar". Andere - wie etwa Comdirect, Consorsbank, Flatex, Merkur Privatbank, Sparkassen-Broker - bieten 15 und mehr verschiedene Orderfunktionalitäten an. Im Schnitt werden knapp zwölf (11,6) verschiedene Orderarten offeriert. Allerdings wird längst nicht jede Orderfunktionalität auch an jeder Börse angeboten.

Am besten sollten Anleger daher schon vor Eröffnung ihres Depots genau prüfen, ob ihr favorisierter Onlinebroker auch wirklich alles bietet, was sie - neben ihrem Gespür für lukrative Investments - zum erfolgreichen Traden benötigen.

In der Übersicht: Onlinebroker-Serie Teil 1 - Börsenplätze und Assetklassen