Es war kein gewöhnlicher Hafentag in Chancay. Keine rostigen Kräne, keine Hektik im Container-Terminal. Stattdessen: Zwei leuchtend rote Drachen, die unter Gongschlägen durch die salzige Pazifikluft tanzen. Kein Showact, sondern ein Machtzeichen. Hier, an der Küste Perus, beginnt ein Kapitel globaler Transformation – und vielleicht das größte geopolitische Ränkespiel des 21. Jahrhunderts.
Was nach Ritual aussieht, ist in Wahrheit ein geschickter Zug auf dem globalen Schachbrett. China greift zu. Und niemand hält es auf.
Der stille Masterplan
Es begann mit zwei tanzenden Drachen. Rote, schimmernde Stoffwesen, begleitet von Gongklängen, verneigten sich zur Eröffnung des neuen Superhafens von Chancay an der peruanischen Pazifikküste. Was für viele wie Folklore aussah, ist in Wahrheit Teil eines globalen Plans: Der Hafen ist nicht nur ein Bauprojekt – er ist ein geopolitischer Meilenstein. Er markiert den ersten von China kontrollierten Seehafen in Südamerika. Ein Symbol für Pekings stille, aber stetige Machtausweitung auf dem amerikanischen Kontinent.
Denn wer heute von der Neuen Seidenstraße spricht, meint längst keine romantisierte Handelsroute mehr, die Kamelkarawanen von Xi’an nach Venedig führte. Die moderne Vision des Projekts – im Original „Belt and Road Initiative“ – ist ein hochgradig strategisches, global vernetztes Investitionsgeflecht. Und sie greift nun tief in den südamerikanischen Kontinent hinein. Peru, Kolumbien, Argentinien – Schritt für Schritt sichert sich China den Zugang zu Rohstoffen, Handelswegen, politischen Netzwerken. Und Europa? Schaut zu.
Chancay – Perus Fenster nach Osten, Chinas Tor zur Andenrepublik
Rund 80 Kilometer nördlich von Lima erhebt sich ein Hafenprojekt, das aufhorchen lässt. Mit 3,5 Milliarden US-Dollar baut der chinesische Logistikgigant Cosco Shipping einen der modernsten Containerhäfen Lateinamerikas – Chancay. Die Eigentumsverhältnisse sprechen eine klare Sprache: 60 Prozent Cosco, 40 Prozent die peruanische Volcan-Gruppe. Das exklusive Nutzungsrecht für 30 Jahre – gesetzlich abgesichert. Der Clou: Vom neuen Hafen aus verkürzt sich die Seefrachtverbindung nach Shanghai um bis zu zehn Tage. Rohstoffe wie Lithium – strategisch unverzichtbar für Chinas Techindustrie – können nun direkt verschifft werden, ohne Umweg über US-kontrollierte Häfen.
Für China ist das der Beginn eines neuen Kapitels. Chancay ist nicht irgendein Hafen, sondern das erste maritime Standbein des Roten Drachen in Südamerika – und nur eines von mittlerweile 129 internationalen Hafenprojekten, an denen China direkt beteiligt ist. Der Welthandel, so scheint es, wird zunehmend von Containerterminals mit roten Sternen gelenkt.
Kolumbien – der „historische Schritt“ ins chinesische Netzwerk
Ohne großes Tamtam, aber mit hochkarätiger Besetzung: Im Mai 2025 unterschreibt Kolumbiens Präsident Gustavo Petro in Peking, unter den Augen von Xi Jinping, das Beitrittsabkommen zur Neuen Seidenstraße. Ein historischer Schritt, der weitreichende Folgen hat. Denn Kolumbien, einst traditioneller US-Partner, wendet sich nun wirtschaftlich ostwärts. Der Fokus: Infrastruktur, Energie, Technologie. Besonders im Blick: die Modernisierung von Transportachsen über die Anden hinweg bis zur Pazifikküste. Die Chinesen dürften auch hier mittelfristig auf einen maritimen Ankerpunkt drängen – erste Gespräche über Hafenmodernisierungen in Buenaventura laufen bereits.
Damit wird Kolumbien zum strategischen Bindeglied zwischen den boomenden Andenstaaten und dem Karibikraum. Auch diplomatisch ist der Schritt ein Fingerzeig: Die Chinesen wollen mehr als Handelsrouten – sie bauen Einflusszonen.
Argentinien – Lithium, Solarstrom und der große Umbau
Noch drastischer ist Chinas Einfluss in Argentinien, dem jüngsten Mitglied der Neuen Seidenstraße (seit 2022). Trotz massiver wirtschaftlicher Turbulenzen bleibt das Land ein Magnet für chinesisches Kapital. Der Grund: Lithium. Zusammen mit Chile und Bolivien bildet Argentinien das sogenannte Lithiumdreieck, in dem rund 60 Prozent der weltweiten Reserven lagern. China braucht dieses „weiße Gold“ für seine Energiewende, seine E-Auto-Flotte, seine Speichertechnologien.
In der argentinischen Provinz Jujuy errichtete die China National Nuclear Corporation das riesige Cauchari-Solarprojekt – eines der größten Lateinamerikas. Gleichzeitig wird die marode Eisenbahninfrastruktur durch chinesische Milliarden modernisiert. Der Belgrano-Cargas-Korridor etwa soll künftig Soja, Mais und Lithium direkt von den Minen zu modernisierten Exporthäfen bringen.
Argentinien hat zudem den Yuan als Handelswährung eingeführt, was es China erlaubt, unabhängig vom US-Dollar zu agieren. Ein Finanzinstrument mit politischer Sprengkraft. Denn über einen Währungsswap im Umfang von 19 Milliarden US-Dollar sichert China nicht nur den bilateralen Handel – es schafft eine Abhängigkeit von Pekings gutem Willen.
Der Rote Drache stellt seine Figuren
Was Xi Jinping strategisch orchestriert, ist kein kurzfristiger Rohstoffdeal, sondern eine globale Machtausweitung durch ökonomische Hebel. Die Neue Seidenstraße ist Chinas Antwort auf das jahrzehntelange Dominanzmodell des Westens – nur subtiler, langfristiger und infrastrukturell tief verankert.
Mit jedem Hafen, jeder Eisenbahnstrecke, jeder Kraftwerksbeteiligung erhöht China seine Soft Power. Lateinamerikanische Staaten wiederum sehen in China oft die effizientere, kompromisslosere Alternative zum Westen, wo Umweltauflagen, demokratische Bedingungen und Freihandelsabkommen auf EU-Ebene meist Jahre verschlingen. Während Brüssel noch um Mercosur-Standards ringt, sind chinesische Bagger längst vor Ort.
Hinzu kommt: China kontrolliert mittlerweile oder ist beteiligt an zwei Dritteln der größten Containerterminals weltweit – auch in Europa. Rotterdam, Valencia, Marseille – aber vor allem Piräus, der einst verschuldete griechische Hafen, wurde unter Cosco-Führung zum Tor Europas für chinesische Warenströme.
Europa – der Kontinent der Zuschauer
Während Xi Jinping sich als „guter Freund Lateinamerikas“ inszeniert, agiert Europa zögerlich. Die EU schafft es seit zwei Jahrzehnten nicht, ein nachhaltiges Handelsabkommen mit dem Mercosur zu beschließen. Stattdessen dominiert Misstrauen – gegenüber Abholzung, Arbeitsrechten und Importregeln. Ein „Giftvertrag“, warnen NGOs. In Südamerika hingegen winkt man ab: „China liefert – Europa diskutiert.“
Die Folge: Peking bindet strategisch wichtige Rohstoffregionen und Wachstumsmärkte an sich, schiebt sich als Alternativmacht zwischen Washington und Brüssel und schafft Realitäten, wo andere noch Debatten führen.
Die Warnung aus Piräus war da – Europa hat sie ignoriert.
COSCO kontrolliert bereits große Teile des griechischen Hafens. Preisgestaltung, Logistikzugang, Einfluss auf politische Entscheidungen – alles liegt in chinesischer Hand. Ein EU-Kommissar nannte es „den Sündenfall Europas“. Man hätte aufwachen müssen. Stattdessen wurden in Valencia, Marseille, Rotterdam ebenfalls chinesische Anker ausgeworfen.
Top-Südamerika-Aktien zur Neuen Seidenstraße
Wer an Chinas geopolitischen Griff nach Südamerika glaubt, findet auf deutschen Handelsplätzen einige wenige, aber hochspannende Aktien, um direkt davon zu profitieren. Besonders stark im Fokus: Lithium, Energieinfrastruktur und Logistik-Player, die sich Chinas Milliarden nicht entziehen können – und wollen.
Unternehmen | WKN | Sektor | Strategischer Zusammenhang |
---|---|---|---|
YPF S.A. | 886738 | Energie / Infrastruktur | Partner chinesischer Energieprojekte, Solarparks, Wasserkraft |
Petroleo Brasileiro S.A. | 541501 | Energie / Export | Hauptakteur im China-Brasilien-Ölhandel, Logistikdrehscheibe |
Vale S.A. | 897136 | Rohstoffe / Logistik | Lithium- und Eisenerzlieferant für Chinas Industrie |
Sociedad Química y Minera | 895007 | Lithium / Chemie | Weltweit größter Lithiumlieferant, stark in China engagiert |
Tenaris S.A. | A3EWCS | Energieinfrastruktur | Argentinisch-italienisches Pipeline- und Bohrtechnologieunternehmen, beliefert China |
Ecopetrol S.A. | A3EWCS | Energie / Transport | Kolumbiens Staatsölkonzern, beteiligt an Infrastrukturprojekten mit China |
Banco Macro S.A. | A0JJT4 | Bank / Finanzierung | Profiteur von RMB-Finanzstrukturen in Argentinien |
Loma Negra | A2H5T5 | Zement / Bauwesen | Schlüsselrolle bei Infrastrukturprojekten (Straßen, Häfen, Bahn) in Argentinien |
Arcos Dorados | A1H9NG | Konsum / Franchise | Größter McDonald's-Franchisenehmer in Latam |
Südamerika wird zur geopolitischen Bühne
Was sich in Chancay manifestiert, was Kolumbien unterschreibt und was Argentinien bereits lebt, ist weit mehr als ökonomische Zusammenarbeit: Es ist der strukturelle Umbau der globalen Machtachsen. Die Neue Seidenstraße, deren Ursprungsziel einst der Warenfluss war, wird zum Vehikel für Einfluss, Bündnisse, Abhängigkeiten – und zur größten geopolitischen Innovation seit dem Fall der Berliner Mauer.
Xi Jinping verneigt sich symbolisch vor der Inka-Küste – aber in Wahrheit breitet er seine Landkarte neu aus. Eine Landkarte, auf der der Rote Drache längst über den Pazifik hinaus fliegt.
Anleger sollten Chinas infrastrukturelle Expansion genau beobachten. Wer in maritime Logistik, Containerumschlag, Rohstoffhandel oder grüne Energien investiert, kommt an der Neuen Seidenstraße nicht vorbei. Vor allem südamerikanische Infrastrukturwerte, Logistik-ETFs oder Rohstoffexporteure profitieren direkt – während Europa an Einfluss verliert.
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