€URO AM SONNTAG: Die Zinsen für zehnjährige Baukredite haben gerade die Drei- Prozent-Hürde überschritten - erstmals seit April 2012. Sie hatten das ursprünglich erst fürs Jahresende erwartet und sind nun von der Dynamik des Anstiegs selbst überrascht. Womit rechnen Sie denn jetzt?

MAX HERBST: Vielen Dank für das Ange­bot, mich zu rechtfertigen (lacht). Ich un­terstelle, dass die Inflationsrate vorerst um die acht Prozent sein wird und nicht so schnell auf zwei bis drei Prozent ab­sinkt. Dies und die hohen Staatsverschul­dungen bewirken hohe Staatsanleiherenditen und im Schlepptau hohe Bauzinsen. Ich sehe Zinsen von 3,5 bis 4,5 Prozent für zehnjährige Baudarlehen als normalen Zinssatz an, der auch 2023 denkbar ist.

Welche Folgen hat das für Baudarlehen und Anschlussfinanzierungen?

Bei laufenden Baufinanzierungen erwarte ich keine großen Probleme, auch wenn dort noch Zinssätze von einem Prozent oder weniger in den Verträgen stehen. Normal waren Tilgungen von drei bis vier Prozent. Wenn man dann nach zehn Jah­ren 30 Prozent weniger Schulden hat, kann man die höheren Zinsen locker im Anschlussdarlehen bezahlen. Vielleicht mit weniger Tilgung und längerer Lauf­zeit, aber ohne Horrorszenarien.

Und für künftige Baufinanzierungen?

Wir werden eine stärker zweigeteilte Ge­sellschaft bekommen. Die mit hohem Ein­kommen und viel Eigenkapitaleinsatz können kaufen, andere mit durchschnitt­lichen oder geringeren Einkommen verabschieden sich aus dem Markt - wegen hoher Zinsen und noch hoher Baupreise.

Was sollten Bauwillige beachten?

Bauwillige werden es schwerer haben, eine saubere und sichere Kalkulation an­ zustellen, weil die Preise wegen Material­engpässen und Fachkräftemangel immer schwieriger zu prognostizieren sind.

ehr