Haben Bürgergeld-Empfänger zu Recht höhere fiskalische Vorteile als steuerpflichtige Erwerbstätige und Ruheständler? Darüber muss der Bundesfinanzhof entscheiden. Welche Details jetzt für Steuerzahler wichtig werden 

Der Hintergrund

Schon seit Jahresbeginn tragen fast alle neu erlassenen Einkommensteuerbescheide einen Vorläufigkeitsvermerk. Die Finanzverwaltung will dadurch massenhafte Einsprüche wegen dieser strittigen Rechtsfrage verhindern: Ist die Höhe des Grundfreibetrags für die Veranlagungsjahre 2023 und 2024, also 10908 und 11604 Euro für Alleinstehende, für zusammenveranlagte Partner gilt jeweils der doppelte Betrag – verfassungswidrig?  Denn Steuerpflichtige Erwerbstätige und Ruheständler sind durch den gesetzlich normierten Grundfreibetrag fiskalisch schlechter gestellt als Bürgergeld-Empfänger, die pro Jahr mehr als 15000 Euro steuerfrei erhalten. 


Die Gerichtsverfahren

Eine Ungleichbehandlung, die eine Fülle von Prozessen in Gang gesetzt hat. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein war in erster Instanz trotz rechtlicher Bedenken nicht von einer Verfassungswidrigkeit überzeugt (Az. 1 K 37/23). Gegen diese Entscheidung wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, die dort unter dem Aktenzeichen III R 26/24 anhängig ist.

Die für 2023 und 2024 vorläufig festgesetzte Einkommensteuer ist dennoch zu entrichten: Das Finanzgericht Münster wies kürzlich den Antrag eines Steuerzahlers auf Aussetzung der Vollziehung seiner Bescheide zurück: Diesem Rechtsersuchen könne nur stattgegeben werden, wenn bereits ein entsprechenden Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig sei. Die Richter ließen aber gleichwohl eine Beschwerde gegen ihren Beschluss (Az. 1 V 1145/25) zu. Das gesonderte Verfahren wird beim BFH nun unter dem Aktenzeichen III B 75/25 geführt. 


Die Prognose

Wie die obersten Finanzrichter in dieser Rechtsfrage urteilen werden, ist offen. Sicher ist aber, dass es bei ihrer Entscheidung um viel Geld geht: Das Aufkommen aus der Einkommensteuer hierzulande lag im Jahr 2023 bei 329,8 Milliarden Euro und im Jahr 2024 bei 342,1 Milliarden Euro – und ist somit die wichtigsten Einkunftsquelle für den Staat. Entscheidet der BFH, dass der Grundfreibetrag nach oben angepasst werden muss, wären in der Summe hohe Steuererstattungen fällig. Nicht auszuschließen ist auch, dass der BFH den Ball nach Karlsruhe weiterspielt - und dort vorab eine Entscheidung zur möglichen Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags einholt.

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