Zum Jahresende könnten steuerliche Verlustrealisierungen Bitcoin und Co weiter unter Druck setzen und die ohnehin schon schlechte Stimmung ein neues Tief erreichen. Von Gerd Weger

Die Situation am Kryptomarkt ähnelt der vor fast drei Jahren rund um den Corona-Crash. Damals hatte der Bitcoin gerade zu einer Erholung angesetzt und stand vor einer Rally. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise, die im Corona-Crash an den Finanzmärkten Mitte März 2020 ihren Höhepunkt fand, wurde die gute Entwicklung jäh unterbrochen. Die Einbrüche wurden zwar in den Wochen danach egalisiert. Jedoch dauerte es mehr als ein halbes Jahr, bevor der Bitcoin und der gesamte Kryptomarkt dann zu seiner parabolischen Rally ansetzte.

Deswegen leiden Bitcoin und Co. aktuell

Der Unterschied zu den Entwicklungen im Jahr 2020: Diesmal sind die Gründe systemimmanent. Dabei geht es aber um Handel und Dienstleistungen von zentralen Anbietern am Kryptomarkt, nicht um die Technologien und Innovationen von Kryptoprojekten und Kryptowährungen. Diese funktionieren tadellos. Selbst die DeFi-Protokolle funktionieren technisch einwandfrei. Ausfälle wie von Celsius resultieren aus unrealistischen Renditeversprechen, die von Kryptofans allzu gern geglaubt wurden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die tatsächliche Umsetzung der Dezentralität von entscheidender Bedeutung ist. Können zentrale Instanzen wie FTX ihr eigenes Geld kreieren und manipulieren, ist die Grundidee von Kryptowährungen dahin.

Stimmung bei Kryptowährungen noch nicht auf dem Tiefpunkt

Einer der bekanntesten Marktindikatoren zur Messung der Stimmung am Kryptomarkt ist der Bitcoin Fear & Greed Index. Er misst das Sentiment auf einer Skala zwischen Null (extreme Angst) und 100 (extreme Gier). Gerne wird der Index als Kontraindikator genommen. Herrscht extreme Angst, gilt das als Kaufgelegenheit. Aktuell bewegen wir uns zwar im Angstbereich, aber noch deutlich über den Tiefpunkten. Auch beim Terra-Crash lagen sie auf dem aktuellen Niveau. Der Tiefpunkt wurde aber erst einen Monat später erreicht.

Zu einem ähnlichen Verlauf könnte es wieder kommen. Denn die Kollateralschäden rund um FTX sind noch nicht alle bekannt. So machen Pleitegerüchte um die Krypto-Lendingfirma Genesis die Runde. Auch in Deutschland sind die Schockwellen angekommen. Nach dem Terra-Crash musste Wochen später die Neobank Nuri, vormals Bitwala, Insolvenz anmelden. Nun meldete das Frankfurter Bankhaus Scheich Forderungen von 2,3 Millionen Dollar an FTX.

Bitcoin und Ethereum bis Jahresende unter Druck

Auch aus einer ganz anderen Ecke könnte zum Jahresende zusätzlicher Druck auf die Kryptopreise kommen. In den USA müssen sich Investoren auf neue steuerliche Regelungen gefasst machen. Durch die geplanten Änderungen sollen Kryptowährungen wie Aktien oder andere Wertpapiere behandelt werden. Wichtig könnten vor allem die Regelungen zu steuerlichen Wash-Sales werden, bei denen die Möglichkeiten der Verlustrealisierung eingeschränkt werden. So soll das Schlupfloch von Verkäufen und anschließenden Rückkäufen zur Minderung von Kapitalertragsteuern geschlossen werden. US-Investoren hätten dann nur noch bis zum Jahresende Zeit, Verluste steuerlich zu realisieren. Da US-Investoren zu den wichtigsten am Kryptomarkt gehören, könnte es zum Jahresende neue Tiefststände bei Bitcoin und Ethereum geben.

Dieser Artikel erschien zuerst in BOERSE ONLINE 47/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.

Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Bitcoin, Ethereum