Wer dieses Jahr in Aktien, festverzinsliche Anlagen und Immobilien investiert, sollte auch auf Fallstricke des Fiskus achten. Steuerexperte Anton Götzenberger beantwortet fünf Leserfragen Von Stefan Rullkötter

1. Soli-Zuschlag auf Kapitaleinkünfte

Leserfrage: Für mich ist es ein Dauerärgernis: Der Soli-Zuschlag (5,5 Prozent) wird für Kapitaleinkünfte unabhängig von der Höhe weiterhin erhoben, während 90 Prozent der Berufstätigen die Sonderabgabe nicht mehr zahlen. Halten Sie Klagen dagegen für aussichtsreich?
Anton Götzenberger:
Dass der Solizuschlag immer noch erhoben werden darf, ist sehr bedenklich. Der Präsident des Bundesrechnungshofs ist in seinem Gutachten über den Abbau des Solidaritätszuschlags 2019 zu dem Schluss gekommen dass „der Grund für die Einführung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe mit dem Auslaufen des Solidarpakts II zum Ende des Jahres 2019 weggefallen ist“. Dennoch ist zu befürchten, dass angesichts leerer Staatskassen die Gesetze so hingedreht werden, dass der Solizuschlag verfassungskonform wird. Am 17. Januar wird der Bundesfinanzhof diese Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren verhandeln.

2. Werbungskosten für Kapitalerträge

Der Sparerpauschbetrag wird 2023 von 801 auf 1000 Euro angehoben. Ich lasse die Hälfte meines Geldes von einem Vermögensverwalter betreuen, zu jährlichen Kosten von 1 Prozent des Anlagevermögens. Die andere Hälfte lege ich über einen Discountbroker selbst an, fahre auch zu Hauptversammlungen. Kann ich zusätzliche Werbungskosten für Kapitaleinkünfte absetzen?
Werbungskosten im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften sind zwar grundsätzlich mit dem Sparer-Pauschbetrag abgegolten. Sofern Vermögensverwalter eine „All in Fee“ erheben, die auch die Transaktionskosten mit umfasst, kann jedoch die Hälfte der Vermögens- verwaltergebühr von den Kapitalerträgen abgezogen werden.

Übrigens: Hier haben wir die wichtigsten Steueränderungen 2023 zusammengefasst

3. Erbschaftsteuer bei Immobilienübertragungen

Durch das Jahressteuergesetz 2022 erhöhen sich die Immobilienwerte bei Erbschaften und Schenkungen. Das Bundesland Bayern will mit einer Klage in Karlsruhe höhere Erbschaft- und Schenkungsteuerfreibeträge durchsetzen. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten – und was kann man konkret tun, wenn Immobilienübertragungen im Familienkreis geplant sind?
Bayern hat einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle in Hinblick auf die entsprechenden Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes gestellt. Sofern sich das Bundesverfassungsgericht an die eigenen Vorgaben aus 1995 hält – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müssen sich die Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser orientieren –, sehe ich gute Chancen, dass die gegenwärtigen Freibeträge aus 2009 angehoben werden müssen. Mit ohnehin geplanten Immobilienübertragungen würde ich nicht warten, da die Immobilienwerte langfristig weiter steigen dürften.

4. Verlustbescheinigung für Ehegatten

Die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung soll rückwirkend ab 2022 direkt über die Steuererklärung möglich sein. Müssen meine Frau und ich dafür weiter jedes Jahr bis zum Stichtag 15. Dezember Verlustbescheinigungen bei unseren Depotbanken beantragen?
Eine Verlustbescheinigung benötigen Sie auch weiterhin. Denn die Depotbank stellt nach Erstellung einer Verlustbescheinigung den sogenannten Verlustverrechnungstopf auf null. Dadurch wird verhindert, dass die Bank die Verluste, die Sie in der Einkommensteuererklärung geltend machen, nochmals im Folgejahr mit Gewinnen verrechnet.

5. Musterklagen gegen die Abgeltungsteuer

Gegen die Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte wird immer wieder prozessiert. Sind derzeit noch Musterverfahren gegen die Pauschalabgabe anhängig?
Kapitalanleger können sich bis auf weiteres auf die 25-prozentige Abgeltungsteuer einstellen, nachdem der Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht wieder zurückgenommen wurde und weitere Verfahren derzeit nicht anhängig sind.   

Hintergrund: Mit Beschluss vom 18. März 2022 hat das  Niedersächsischen Finanzgericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die Abgeltungsteuer in den für die Jahre 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3) vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25 Prozent mit abgeltender Wirkung vorsehen.

Der Kläger hatte sich  dagegen gewehrt, dass sein  Finanzamt Provisionseinnahmen steuerlich ihm und nicht einem Dritten zugerechnet hatte. Außerdem begehrte er den bisher nicht erfolgten Ansatz des Sparer-Pauschbetrages bei seinen Kapitaleinkünften.

Das Finanzgericht folgte dem Kläger in beiden Punkten, war aber davon überzeugt, dass der auf die Kapitaleinkünfte anzuwendende (abgeltende) Sondersteuersatz von 25 Prozent verfassungswidrig ist und war daher verpflichtet, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das dortige Normenkontrollverfahren wurde unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/22 geführt.

Am  2. Juni 2022 teilte das beklagte Finanzamt mit, dass es die angefochtenen Einkommensteuerbescheide geändert und dem Klageantrag des Klägers entsprochen habe. Daraufhin haben das Finanzamt und der Kläger den Rechtsstreit einvernehmlich für erledigt erklärt.
Durch die Erledigung des Klageverfahrens ist die Entscheidungserheblichkeit in dem Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht entfallen, die Vorlage damit gegenstandslos geworden. Der Vorlagebeschluss wurde daher am 10. August 2022 aufgehoben. Eine Entscheidung aus Karlsruhe zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer wird in diesem Verfahren somit nicht mehr erfolgen.

Zur Person:

Anton Götzenberger ist  Steuerberater in Halfing bei Rosenheim und auf steueroptimierte Vermögens- und Nachfolgeplanung sowie auf Unterstützung und Beratung bei Selbstanzeigen spezialisiert. Er ist auch Autor mehrerer Fachbücher. Sein Werk „Optimale Vermögensübertragung“, das im NWB Verlag in siebter Auflage erscheint, gilt als Klassiker.

Weitere Anleger-Fragen und Antworten zum Thema Steuern lesen Sie in der Titelgeschichte der Wochenzeitung  €uro am Sonntag, hier als digitale Ausgabe erhältlich