Erst im letzten Monat präsentierten Wissenschaftler der Carnegie Mellon University einen in Zusammenarbeit mit Facebook entwickelten KI-Algorithmus, der erstmals beim Pokerspiel mit sechs Spielern überlegen war. Bisherige Algorithmen schafften dies nur bei einem Gegner am Tisch. Was das mit Fondsmanagement zu tun hat? Eine ganze Menge. Beim Pokern muss KI ohne Kenntnis sämtlicher Fakten (die Karten der Gegner) in einem Umfeld mit Zufallskomponenten (die gemischten Karten im Stapel) Entscheidungen treffen, deren Erfolg oder Misserfolg nicht unmittelbar erkennbar ist. Fondsmanager stehen in einem ganz ähnlichen Spannungsfeld.

Das Beispiel zeigt, welche Ergebnisse die noch junge KI-Forschung für die Finanzbranche bringen könnte. Die Spannbreite der Erwartungen ist dabei groß. Für die einen ist es nur ein Modetrend, für die anderen die Hoffnung auf höhere Renditen. Die Beratungsfirma Deloitte beispielsweise ist überzeugt, dass KI in der Lage sei, die Asset-Management-Industrie umfassend umzukrempeln und Alpha zu erwirtschaften. Grundsätzlich ist dieser These zuzustimmen. Der Einsatz von KI im Zusammenspiel mit massiv gesteigerter Rechenleistung und der Verwendung sehr großer Datenmengen (Big Data) bietet großes Potenzial. Allerdings ist nicht überall, wo KI draufsteht, auch KI drin. Beispielsweise nutzt ein Fondsanbieter KI mittels zugekaufter Lösungen zur Prozessautomatisierung. Das steigert seine Effizienz, wird auf das Anlageresultat aber wenig Einfluss haben. Auch ein punktueller Einsatz von KI rechtfertigt nicht das Prädikat "KI-Fonds". Von KI im engeren Sinne im Asset Management sollte gesprochen werden, wenn KI-Algorithmen eine dauerhafte, maßgebliche Entscheidungskompetenz im Anlageprozess haben und zudem mit eigener Dynamik selbstständig Muster in Märkten finden und sich autonom weiterentwickeln.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Verwendung von alternativen Datensätzen. Sie heben sich von klassischen Daten wie zum Beispiel Aktienpreisen oder Zinskurven ab und liegen oft unstrukturiert vor. Ihre Nutzung ist ein klarer Hinweis auf die Verwendung von KI. Ein Blogpost zum Beispiel kann mit Methoden des Natural Language Understanding auf seine inhaltlichen Zusammenhänge analysiert werden. Erst durch intelligente Bild­erkennungssoftware ist es möglich, aus Satellitenbildern Erkenntnisse über wirtschaftliche Aktivitäten zu gewinnen.

Noch erfüllen nur wenige Fonds diese Anforderungen, und nicht alle davon sind im UCITS-Format für Anleger in Deutschland zugänglich. Auch ist die Historie der KI-Fonds oft noch kurz. Um systematisch festzustellen, ob Investmentstrategien mit KI auch tatsächlich Alpha erwirtschaften, hat Plexus Investments den AI-Outperformance Index und die AI-Outperformer Ratio entwickelt. Aufgenommen werden Fonds mit unterschiedlichsten Strategien, die maßgeblich KI im Investmentprozess einsetzen. Um ein so breites Universum vergleichbar zu machen, basieren die Berechnungen auf der monatlichen relativen Rendite gegenüber der jeweiligen Benchmark. Durch diese Vorgehensweise sind die Resultate nicht durch den Einfluss der Märkte verzerrt, in denen die KI-Fonds aktiv sind.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass KI-Fonds einen Mehrwert liefern. 55 Prozent der vom Index erfassten Fonds haben ihre jeweilige Benchmark in der ersten Jahreshälfte nach Kosten übertroffen. Zudem sind die Renditen der Fonds sowohl zu klassischen Strategien als auch untereinander tief korreliert. Als Beimischung in ein Portfolio können sie dadurch das Risiko-Rendite-Verhältnis positiv beeinflussen, selbst ohne höhere Renditen. Klar ist, wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, und es werden sich "Gewinner" und "Verlierer" herauskristallisieren. Gleichzeitig ist die Chance groß, dass einige fundamental verwaltete traditionelle Fonds obsolet werden, weil ihre Strategien von KI-Fonds effizienter und günstiger umgesetzt werden.

Günther Jäger


Der Autor ist Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und hält ein Eidgenössisches Diplom des Finanz- und Anlageexperten. Vor der Gründung von Plexus im Jahr 2006 leitete er das Portfoliomanagement des Fürstlichen Portfolios sowie der Multimanager-Produkte bei LGT Capital Management in Pfäffikon. Plexus Investments ist ein unabhängig agierender Vermögensverwalter mit Sitz in Liechtenstein.