Der US-Aktienmarkt befindet sich inmitten einer Hausse. Zweifelhaft ist allerdings, wie nachhaltig diese ist. Wer lieber auf Nummer sicher gehen will, für den können US-Qualitätsunternehmen mit langfristigen Wettbewerbsvorteilen interessant sein - sogenannte "Economic Moats". Die Begrifflichkeit leitet sich aus ihrem historischen Kontext ab: Im Mittelalter sollten Moats, also Burggräben, die Burg schützen und für mögliche Angreifer ein unüberwindbares Hindernis darstellen. In der Adaption des Begriffs in der Finanzwelt stehen Moats für Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens, die wie im Sinne des Burggrabens die Konkurrenz abwehren.

Solche Wettbewerbsgräben können sich aus fünf verschiedenen Quellen speisen. Konkret bedeutet das: Kann ein Unternehmen ein Produkt zu geringeren Kosten herstellen oder einkaufen als die Konkurrenz, hat es deutliche Kostenvorteile. Zum einen kann es beim Verkauf des Produkts einen höheren Gewinn erzielen als seine Wettbewerber. Zum anderen kann es die Konkurrenz preislich unterbieten und so eventuell sogar deren Kunden für sich gewinnen. Entsprechend sind Kostenvorteile ein wichtiger Burggraben. Darüber hinaus liefern auch immaterielle Vermögensgegenstände eine Quelle für Burggräben. Insbesondere Patente, eingetragene Marken oder staatliche Lizenzen können einem Unternehmen immense Wettbewerbsvorteile verschaffen. Ist das eigene Produkt oder die eigene Marke in Qualität oder Ausgestaltung einzigartig, kann der Hersteller die Marktpreise bestimmen. Hat das Unternehmen über Jahre intensiv geforscht und ein Produkt weiterentwickelt, sodass es unübertroffen ist, schützen Patente diese Fortschritte. Für die Konkurrenz sind so die Hürden, in den Markt einzusteigen, sehr hoch.

Ähnlich verhält es sich mit der effizienten Skalierung. Diese tritt auf, wenn ein Unternehmen in einem Markt agiert, in dem es nur wenige Wettbewerber gibt. Geringe Rivalität stößt dann auf eine verhältnismäßig große Nachfrage. Wasser- und Energieversorger beispielsweise haben zumindest regional oft Monopolstatus. Für einen neuen Anbieter wären die Kosten eines Markteintritts sehr hoch, sodass sich für die etablierten Unternehmen ein breiter Burggraben ergibt.

Ein großes Netzwerk bietet einem Unternehmen ebenfalls deutliche Wettbewerbsvorteile. Man spricht von sogenannten Netzwerkeffekten, wenn sich der Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung erhöht, desto mehr Personen diese nutzen. Ein Beispiel dafür ist die E-Commerce-Plattform Amazon. Je mehr Kunden bei Amazon kaufen, umso mehr Produkte werden über die Plattform angeboten. Für die Kunden ergibt sich ein größeres Angebot, Amazon wird zum Universalanbieter und der Moat damit größer. Schließlich bieten Wechselkosten einen weiteren Faktor für einen breiten Burggraben. Nutzt ein Kunde ein Produkt, dessen Wechsel zu einem vergleichbaren Angebot mit hohen Kosten verbunden ist, wird er dem ursprünglichen Anbieter in der Regel treu bleiben. Viele Softwareanbieter setzen auf diesen Effekt, in dem sie einen Wechsel zu einem Konkurrenten mit hohem Aufwand verbinden.

Um Unternehmen mit einem oder mehreren dieser Burggräben zu identifizieren, ist ein hoher analytischer Aufwand notwendig. Morningstar zum Beispiel hat dazu einen Index gebildet, der Unternehmen nach dem Grad ihrer nachhaltigen Wettbewerbsvorteile bewertet. Gelistet werden nur Unternehmen, deren Burggräben noch mindestens 20 weitere Jahre bestehen können. Dazu kommt ein weiterer wichtiger Faktor: der Fair Value. Dabei wird die weitere Renditeentwicklung prognostiziert, aus dieser der "wahre" Wert der Aktie abgeleitet wird. Liegt der Marktpreis einer Aktie deutlich über dem Fair Value, ist eine weitere Preissteigerung unwahrscheinlich und die Aktie somit kein attraktives Investment - selbst mit einem breiten Burggraben.

Torsten Hunke arbeitet seit 2014 bei VanEck und ist Managing Director von VanEck Europe. Er unterstützte maßgeblich den Aufbau der VanEck-UCITS-ETF-Plattform in Irland. Bevor Hunke zu VanEck wechselte, war er unter anderem bei der Credit Suisse tätig. VanEck bietet aktive und passive Investmentportfolios in den Bereichen Rohstoffe, Schwellenmärkte, Edelmetalle, Renten sowie weiteren alternativen Anlageklassen an.