Der aktuelle Fußballweltmeister kommt aus Saudi-Arabien. Dieser Satz ist ebenso überraschend wie wahr. Es kommt nur darauf an, von welchem Fußball man spricht. Während Frankreich die physische Fußball-WM gewonnen hat, entschied der Saudi Mosaad Aldossary alias "MSDossary" das Finale des Videospiels "FIFA 18" für sich. MSDossary ist damit einer der Stars der E-Sport-Szene und dank der 250 000 Dollar Preisgeld auch einer der erfolgreichsten. Dabei ist das "FIFA-18"-Turnier, das Anfang August vor 20 000 Zuschauern in der Londoner O2-Arena ausgetragen wurde, nur ein Beispiel unter vielen ähnlichen Wettbewerben weltweit, die Zehntausende in die Arenen locken und Millionen vor den Bildschirm. Auch in Deutschland wird immer stärker über E-Sport diskutiert. Doch was ist E-Sport eigentlich?

Der Begriff ist die Abkürzung für "elektronischer Sport" und bezeichnet das wettbewerbsmäßige Spielen von Computerspielen. Unwichtig sind dabei Genre und Gerät. Egal ob Renn- oder Action-spiel, ob PC oder Konsole: Wer den geregelten Wettkampf gegen andere ausübt, betreibt E-Sport. Wer dagegen allein zu Hause ein Autorennen auf dem Computer bestreitet, ist noch kein E-Sportler. Damit sich ein Computerspiel überhaupt zum E-Sport entwickeln kann, sind einige Voraussetzungen entscheidend. Allen voran muss es eine Wettkampfkomponente enthalten. So gibt es bei "Grand Theft Auto", einem der meistverkauften Computerspiele überhaupt, immer nur eine einzelne Figur, die verschiedene Aufgaben erledigen muss - für E-Sport gänzlich ungeeignet. Profi-E-Sportler wollen zudem frühere Spielverläufe analysieren können, um sich auf kommende Gegner einzustellen. In den erfolgreichen Spielen sind willkürliche Spielereignisse ausgeschlossen, Fairness scheint also eine wichtige Komponente zu sein. Insofern überrascht es nicht, dass es weltweit nur eine gute Handvoll Spiele gibt, die eine echte E-Sport-Szene entwickelt haben.

Die mit Abstand am weitesten verbreiteten Spielarten sind Ego-Shooter, bei denen sich die Akteure in einer dreidimensionalen Welt bewegen und andere Spieler oder computergesteuerte Gegner mit Waffen bekämpfen, sowie Multiplayer Online Battle Arenas (MOBAs). Hier treten zwei Teams auf einer arenaartig aufgebauten Karte gegeneinander an und versuchen, sich gegenseitig auszuschalten. Sehr beliebt sind zudem Sportgames wie "FIFA 18", die an echten, physischen Sport angelehnt sind. Schätzungen gehen davon aus, dass es weltweit mehr als 140 Millionen Anhänger gibt, die regelmäßig Spiele verfolgen. Bis 2021 soll die Zahl auf 250 Millionen steigen. Berücksichtigt man auch jene Fans, die sich nur hin und wieder Spiele ansehen, kommen die Schätzungen auf 300 bis 560 Millionen Zuschauer. Diese enorme Fanbasis ist für die Werbeindustrie hochinteressant, zumal die Fans überwiegend jung und digitalaffin sind. So tritt beispielsweise ein großer deutscher Autohersteller als Turniersponsor auf. Verfolgt werden die Wettbewerbe meistens via Internet auf Streamingplattformen. Die weltweit bedeutendste ist Twitch.tv mit mehr als 100 Millionen (!) monatlichen Zuschauern. Twitch.tv ist Teil des Amazon-Konzerns, der Onlineriese übernahm die Plattform 2014 für 970 Millionen Dollar.

Trotz der großen Zielgruppe sind die Umsätze noch relativ niedrig: 2017 lagen sie weltweit bei geschätzten 700 Millionen Dollar. Die langfristigen Wachstumsaussichten sind jedoch sehr gut. In den kommenden drei Jahren dürfte der E-Sport-Markt Schätzungen zufolge um 36 Prozent per annum auf 1,65 Milliarden Dollar steigen. Weiteres starkes Wachstum in den Folgejahren ist zu erwarten. Angesichts dieser Aussichten ist die noch junge Branche auch für Investoren interessant. Börsennotierte Gesellschaften, die im Bereich E-Sport aktiv sind, gibt es einige. Angefangen von den Spieleentwicklern über die großen Unterhaltungs- und Techkonzerne, die in dem Genre immer mehr mitmischen, bis hin zu den Herstellern von Grafikchips.

Über den Autor: Michael Reuss Der 49-Jährige ist gelernter Bankkaufmann und Bankfachwirt. Seine berufliche Laufbahn startete er 1986 bei der Bayerischen Hypobank, später wurde er Abteilungsdirektor Private Wealth Management bei der Münchner Niederlassung der Berliner Bank. 2000 gründete er mit seinem Partner Friedrich Huber die bankenunabhängige Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung, die heute 2,5 Milliarden Euro managt.