Es war absehbar: Die deutsche Konjunktur hat im ersten Quartal 2021 nachgelassen. Um 1,7 Prozent ging es im Vergleich zum Schlussquartal 2020 abwärts. Hauptgrund - da sind sich die meisten Experten einig - sei der nicht enden wollende Lockdown. Zudem habe sich negativ ausgewirkt, dass die Mehrwertsteuer wieder angehoben wurde. "Besonders der private Konsum war davon betroffen, während die Exporte die Wirtschaft stützten", teilte das Statistische Bundesamt mit.

Im europäischen Vergleich fällt das deutliche Minus auf: Denn die Wirtschaft der Eurozone schrumpfte insgesamt nur um 0,6 Prozent. Die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft Frankreich überzeugte gar mit einen Plus von 0,4 Prozent. Dennoch - und auch da sind sich die Experten einig - soll es nun besser werden mit der Konjunktur hierzulande. Die Auftragsbücher in der Industrie seien gut gefüllt, und die Aussicht auf Lockdown-Lockerungen wegen der Fortschritte beim Impfen dürften in den kommenden Monaten für einen breiten Aufschwung sorgen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass bis Ende des zweiten Quartals ein beträchtlicher Teil der bestehenden Einschränkungen aufgehoben werde. Dann sei wieder so etwas wie "wirtschaftliche Normalität" möglich.

An der deutschen Börse wird diese Prognose aktuell eher verhalten aufgenommen. Angesichts der bisherigen fulminanten Rally im laufenden Jahr ist das aber auch verständlich. Warren Buffett mahnt Optimismus hat sich auch in den USA breitgemacht. Die Finanzministerin und ehemalige Präsidentin der US-Notenbank Janet Yellen versprach, das großvolumige Infrastrukturprogramm über einen sehr langen Zeitraum zu strecken. Den Anstieg der Inflationsrate begründete sie mit "Einmaleffekten". Dennoch werde die Zentralbank die Inflationsentwicklung genau verfolgen und diese, wenn nötig, wie­ der eindämmen. Andere sehen das nicht so entspannt. Starinvestor Warren Buffett befürchtet ein Heißlaufen der Konjunk­ tur, spricht von einer "red hot economy" und rechnet mit einer höheren Inflations­ rate als bisher erwartet.

Damit hat er wahrscheinlich recht. Nachholeffekte beim Konsum und die schiere Masse an Fiskalprogrammen wer­ den wohl dazu beitragen. Die Ökonomen der LBBW rechnen daher mit einem deut­ lichen Anstieg der Inflationsrate in den USA auf 2,6 Prozent im laufenden und im kommenden Jahr. Sowohl die Fed als auch die EZB würden diese Entwicklung erst einmal hinnehmen, durch den "aktuellen Preisauftrieb hindurchsehen" und wenig an ihrer extrem expansiven Ausrichtung ändern. Man will ja den Aufschwung nicht abwürgen.

Wie die Börsen darauf reagieren, steht noch in den Sternen. "Ob die aktuellen Bewertungen an den Kapitalmärkten ge­ rechtfertigt sind, entscheidet der weitere Verlauf der Pandemie", schreibt der Geld­ verwalter JP Morgan Asset Management in einer Studie. "Ein hohes Maß an Markt­ unsicherheit bleibt bestehen."

Value-Aktien mit Chancen


Eine größere Korrektur ist an den Märk­ ten bislang ausgeblieben. Und das nach einer der schnellsten Erholungen über­ haupt, mit einem Plus von durchschnitt­ lich 50 Prozent an den Aktienmärkten weltweit. Etwas Vorsicht ist also ange­ bracht. JP Morgan sieht Chancen vor allem bei Value­Aktien, etwa aus den Bereichen Finanzen, Industrie und Energie, die in Marktphasen der Reflation überproporti­ onal profitieren. Auch Immobilienaktien hätten Potenzial.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com