Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl hat die Linke sich der SPD und den Grünen als Koalitionspartner angeboten - und treibt damit immer mehr Anlegern Sorgenfalten auf die Stirn. Noch gibt der deutsche Leitindex sich unbeeindruckt von politischen Gedankenspielen, doch Anleger, die ihr Portfolio stark am heimischen Aktienmarkt ausgerichtet haben, sollten rechtzeitig einen Blick in ihr Depot werfen.

Noch ist offen, wer letztlich die Regierungsverantwortung von Bundeskanzlerin Angela Merkel übernimmt, je stärker SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz jedoch in den Umfragen wird, desto wahrscheinlicher wird die Konstellation, die als echter Börsenschreck gilt: "Ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken würde die deutsche Börse verschrecken und zu einer Korrektur in den wesentlichen nationalen Aktienindizes führen", sagt Portfoliomanager David Wehner vom Vermögensverwalter Do Investment. Hintergrund ist die Sorge vor staatlicher Regulierung für die Wirtschaft und höheren Steuern. Bemerkenswert: Einzig eine Grün-Rot-Rote Regierung wird an der Börse als belastend angesehen, alle anderen Parteigruppierungen dürften kaum für Aufregung sorgen. Bliebe etwa die Große Koalition unter einem neuen Kanzler bestehen, ginge die Wahl am Aktienmarkt wohl mit besonders wenig Unsicherheit und Volatilität einher.

Langfristig zählen Gewinnaussichten


"Generell ist der Ausgang von Bundestagswahlen nie besonders bedeutsam für die Entwicklung des DAX", stellt DZBank- Analyst Christian Kahler fest. Diese hänge vielmehr von den Absatzmärkten außerhalb Deutschlands ab. Marktstratege Andreas Lipkow von Comdirect erinnert an die Börsenweisheit "Politische Börsen haben kurze Beine", die besagt, dass am Aktienmarkt langfristig nur aktuelle und zukünftige Gewinnaussichten zählen - die wiederum primär von der Qualität eines Geschäftsmodells und der Konjunktur abhängen. Wirtschaftsauf und -abschwünge lassen sich aber nicht von Wahlen beeinflussen. Kommt es zu einer Rot-Rot-Grünen-Koalition, ist wohl zunächst Geduld gefragt, um zu sehen, welche Punkte der Wahlprogramme tatsächlich umgesetzt werden sollen. Es zeichne sich aber schon jetzt ab, dass bei Einzeltiteln "Immobilienunternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia sowie einige der Konzerne mit großem Klimafußabdruck wie HeidelbergCement, Lufthansa und Thyssen krupp schlechter gestellt wären als unter der jetzigen Regierung", sagt Analyst Kahler. Diese Titel sind im DAX aber nur gering oder gar nicht gewichtet. Eine neue Regierung unter Beteiligung der Grünen dürfte sich zudem klarer auf Umweltthemen fokussieren, wovon etwa innovative Energieunternehmen und -zulieferer profitierten.

Heimatliebe ist schlecht für die Rendite


Anleger, die ihr Aktienportfolio entsprechend üblicher Empfehlungen breit aufgestellt haben, müssen die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung "nicht fürchten", sagt Kahler. Im MSCI World Index seien deutsche Aktien nur mit 2,9 Prozent gewichtet. Wer jedoch - wie viele Deutsche - eine Übergewichtung heimischer Aktien im Depot bemerke, sollte die Ausrichtung des Wertpapierportfolios vor der Wahl noch einmal unter die Lupe nehmen: "Heimatstolz und Weltanschauung sind der Rendite abträglich", konstatiert Kahler und rät Anlegern, sich vom deutschen Aktienmarkt zu lösen und das Portfolio international breit aufzustellen: "Global investierende Anleger können den Ausgang der Bundestagswahl getrost ignorieren."