Die deutsche Wirtschaft erholt sich weiter vom Corona-Schock und dürfte diesen Trend auch im zweiten Halbjahr fortsetzen. Das ist das Ergebnis der Juli-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag. Der Barometer-Wert zur aktuellen wirtschaftlichen Lage in Deutschland kletterte um 54 Prozent auf 24,1 Punkte. Die Einschätzung für die kommenden zwölf Monate legte um gut 50 Prozent auf 25,8 Punkte zu. Damit haben sich sowohl aktueller Stand wie Prognose gegenüber dem absoluten Barometer-Tiefstand im Mai nahezu verdoppelt. Die Prognose liegt weiterhin oberhalb des aktuellen Standes, was eine weitere Verbesserung der Situation andeutet.

Ineffektive Steuersenkung

Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent der Teilnehmer der Juli-Umfrage teilt die Einschätzung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, dass der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise durchschritten sei. Immerhin 37 Prozent sind der Ansicht, dass das Tief erst noch bevorsteht. Dahinter steckt vor allem die Angst vor einer zweiten Corona-Welle, aber auch vor der Infektionslage in den USA.

Wenig versprechen sich die Ökonomen von der zum 1. Juli für ein halbes Jahr eingeführten Mehrwertsteuersenkung. 66 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sie nicht zu einer signifikanten konjunkturellen Belebung beiträgt. Lediglich 32 Prozent erwarten einen starken konjunkturellen Impuls. Die Sorge der Ökonomen ist, dass es sich vor allem um Vorzieheffekte handeln wird.

Auch die Weltwirtschaft werde sich eher zögerlich beleben, was die deutsche Exportindustrie weiter belaste, glauben beispielsweise Andre Schmidt (Uni Witten-Herdecke), Bruno Schönfelder (TU Freiberg) und Thomas Gehrig (Uni Wien). Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank Gruppe, weist auf die Vielzahl staatlicher Sonderregelungen und Sofortmaßnahmen hin, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage verschleiern. "Vor allem die vorübergehende Aufhebung der Insolvenzantragspflicht übertüncht die finanzielle Notlage in den Betrieben", so Gitzel.


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Wirecard: Strengere Gesetze

Anders gelagert ist die Situation beim insolvent gegangenen Zahlungsabwickler Wirecard. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent der Befragten spricht sich hier für eine Verschärfung der Aufsicht und strengere Regulierung aus. 29 Prozent halten die geltenden Regeln für ausreichend, sie müssten nur konsequenter angewandt werden. Für eine Deregulierung des Finanzsektors plädieren acht Prozent.

Bei Wirecard fehlen 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz, weswegen der DAX-Konzern Ende Juni Insolvenz anmelden musste - auch ein Novum im Leitindex. Gegen Manager wird wegen Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Betrug und Insiderhandel ermittelt. Finanzminister Olaf Scholz hat als Konsequenz aus dem Bilanzskandal Gesetzesänderungen und eine weitreichende Reform der Finanzaufsicht angekündigt.

In der €uro-am-Sonntag-Umfrage sehen viele Ökonomen ein "kollektives Aufsichtsversagen" (Klaus-Dirk Henke, TU Berlin). Thomas Gehrig von der Uni Wien fordert die Einführung eines Rotationsprinzips bei Wirtschafsprüfern, Paul Heidhues (Uni Düsseldorf) die strikte Trennung von Prüfung und Beratung bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.