von Anja Welz, Vorstand der Laureus AG Privat Finanz

Als Anleger hat man es heutzutage nicht leicht. Die Zinswelt, wie wir sie noch bis vor einigen Jahren kannten, ist auf den Kopf gestellt. Bei vielen Anlagen prangt bei der Rendite nur eine Null vor dem Komma. Ein Zustand, mit dem sich viele Anleger noch nicht angefreundet haben. Doch wem verdanken wir diesen neuen Status quo? Die Europäische Zentralbank EZB hat nicht nur die Zinsen auf ein rekordniedriges Nullzinsniveau gesenkt, sondern kauft auch noch Anleihen im großen Stil. Zudem fließt das hohe Maß an Liquidität weniger in die Unternehmen selbst und mehr in den Finanzmarkt. Auf der Suche nach Rendite sind viele institutionelle Anleger bei Aktien eingestiegen, was DAX, S & P 500 und Co zu neuen Höchstständen verholfen hatte. Hier wird die Luft also auch immer dünner.

Wo kann man noch Rendite erwirtschaften, und wie stellt man in Zeiten des Niedrigzinses ein Portfolio zusammen? In erster Instanz müssen Investoren gewohnte Strukturen aufgeben und den Blick für neue Anlagemöglichkeiten öffnen. Die Märkte sind deutlich volatiler geworden, wirklich sicher ist keine Anlage mehr. Die erste Erkenntnis, die beachtet werden sollte, ist also: ohne Risiko keine Rendite.

Die entscheidende Frage ist deshalb die der Risikoneigung. Und die muss jeder Investor für sich entscheiden. Starre Musterportfolios und das Abkupfern "erfolgreicher" Strategien sind Wege, die nicht zu empfehlen sind, denn jeder Anleger tickt anders. Regel Nummer 2 lautet deshalb: Entwickeln Sie Ihre individuelle Anlagestrategie. Bei der Umsetzung sollte man Folgendes beachten: so breit wie möglich streuen. Dieser Rat wird meist so umgesetzt, dass Anleger verschiedene Anlageklassen kaufen. Doch die Streuung sollte noch breiter erfolgen als gewohnt. Das Geld kann auf mehrere Kontinente, Länder, Branchen und sogar auf mehrere Geldmanager verteilt werden. Außerdem sollte man mehrere Strategien mischen, die sich gegenseitig auffangen.

Auf Seite 2: Immer realistisch bleiben





Weiterhin sollten Anleger einen realistischen Anlagehorizont haben. Viele Investoren legen ihr Geld entweder zu kurzfristig an - und erwirtschaften deshalb kaum Rendite - oder binden ihr Geld über einen unnötig langen Zeitraum und nehmen sich damit die Möglichkeit, auf Rückschläge oder Chancen zu reagieren. Idealerweise sollten Anleger einen Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren verfolgen.

Im Portfolio sollten auf jeden Fall verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe vertreten sein. Als kleiner Renditeturbo können Hochzinsanleihen beigemischt werden. Doch wie sieht eine realistische Rendite heutzutage aus? Bei durchschnittlicher Risikoneigung lassen sich etwa 2,5 Prozent durchaus erwirtschaften. Was einst problemlos mit Staatsanleihen erzielt werden konnte, erfordert heute schon ein gewisses Risiko.

Ist das Portfolio zusammengestellt, gibt es zwei Versuchungen. Die erste lautet: kaufen und liegen lassen. Die berühmten Schlaftabletten von Kostolany werden eingenommen und fünf bis zehn Jahre wird nichts am Depot geändert. Das kann heute allerdings böse Folgen haben, denn die Märkte sind deutlich volatiler geworden. Anleger sollten deshalb antizyklische Chancen nutzen und beispielsweise bei Rückschlägen nachkaufen.

Die zweite Versuchung ist das ständige Umschichten. Läuft eine Anlage nicht wie erwartet, wird sofort verkauft. Steigt die Anlage, wird sie wieder gekauft. Solches Verhalten ist fürs Portfolio sehr schädlich. "Hin und her macht Taschen leer", lautet die bewährte Börsenweisheit. Anleger sollten dem Umschichtungsreiz widerstehen und nicht auf jeden fahrenden Zug aufspringen. Überhaupt gilt heute für das Portfoliomanagement: Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Diese Flexibilität darf allerdings nicht mit Aktionismus verwechselt werden. Bleibt man guten Entscheidungen treu, dürfte dem Erfolg des eigenen Portfolios nichts im Wege stehen.

Auf Seite 3: Im Profil



Anja Welz

Welz ist Finanzökonomin und zertifizierte Finanzplanerin CFP. Sie war Geschäftsstellenleiterin und Betreuerin vermögender Kunden in der genossenschaftlichen Bankengruppe, bevor sie 2005 zur Laureus Privat Finanz kam. Laureus ist ein Tochterunternehmen der Sparda-Bank West, einer der größten Genossenschaftsbanken Deutschlands, und hat sich auf die individuelle Beratung vermögender Kunden spezialisiert.