Gold schlägt Dollar, Hedgefonds schlagen Banken – Nassim Talebs große Abrechnung mit Märkten, Politik und falscher Sicherheit.

Wenn Nassim Taleb spricht, hört die Wall Street genau zu. Gestern war es wieder so weit. Der Autor des Finanzmarkt-Bestsellers „Der Schwarze Schwan“ war zu Gast bei Bloomberg und wurde seinem Image als Meister der Provokation wieder einmal gerecht. 



Im Interview nahm der Mathematiker erneut kein Blatt vor den Mund. Sein Blick auf Märkte, Staatsverschuldung, Gold und die USA unter Trump ist so scharf wie alarmierend. Talebs zentrale These: Die Welt hat aus den letzten Krisen nichts gelernt – und taumelt sehenden Auges in die nächste.

Rauschen wird zum Signal – und schlechte Modelle dominieren

Taleb zufolge hat sich das Verständnis für Risiko nicht verbessert, sondern verschlechtert. „Die Menschen verwechseln heute mehr denn je Rauschen mit Signalen“, erklärt Taleb die Marktlage mit der in Finanzkrise beliebten „Signal-to-the-Noise“-Metapher. An der Börse bedeutet ‚Signal to the Noise‘, zwischen kurzfristigem Medienrummel und wirklichen fundamentalen Trends zu unterscheiden – also das Relevante vom Irreführenden zu trennen.



Der Glaube, man könne Unsicherheit mit linearen Modellen beherrschen, sei gefährlicher denn je. „Schlechte Modelle setzen sich immer stärker durch – und verleiten zu fatalen Fehlentscheidungen.“ Die Illusion von Sicherheit werde daher zur eigentlichen Bedrohung.

Der wahre Schwarze Schwan? Die US-Staatsverschuldung

Besonders deutlich wird Taleb beim Thema Staatsdefizit. Der Schuldenberg der USA wächst nicht nur – er rollt wie ein Zins-Tsunami durchs Haushaltsbudget. Allein die Zinslast werde bald jedes neue Vorhaben lähmen. 

Und das in einer Phase, in der sich das Wachstum – rein demografisch und entwicklungsökonomisch – ohnehin verlangsamt: „Wohlstand senkt zwangsläufig die Wachstumsdynamik. Wer kaum noch Armut hat, muss sie importieren – oder lebt vom Kredit.“

Gold als neuer Anker – weil der Dollar an Vertrauen verliert

Besonders brisant: Taleb sieht im Dollar keine sichere Reservewährung mehr. Er verweist auf das wachsende Goldinteresse weltweit – nicht nur bei Anlegern, sondern zunehmend auch bei Zentralbanken. Der entscheidende Kipppunkt sei mit dem Einfrieren russischer Vermögen unter Biden erreicht worden. 

„Selbst Länder, die nichts mit Putin zu tun hatten, meiden seither den Dollar“, erklärt Taleb. Gold sei inzwischen der wahre Wertspeicher – Transaktionen würden zwar noch in Dollar abgerechnet, aber Reserven in Gold gehalten. „Gold ist die stille Reservewährung der Gegenwart.“

Trump-Zölle als ökonomisches Eigentor – Risiko ist nicht verschwunden, sondern nur verdrängt

Ein besonders scharfes Urteil fällt Taleb über Donald Trumps Wirtschaftspolitik. Zölle auf Güter, die die USA selbst nicht produzieren, seien faktisch eine „Strafsteuer für die Ärmsten“. 

Hinzu kommt ein Rückgang an Arbeitsmigration, der zentrale Teile der US-Wirtschaft lahmlegt: „Ohne günstige Arbeitskräfte aus Lateinamerika steigen die Preise, weil niemand mehr da ist, um Rasen zu mähen oder Häuser zu bauen.“ Künstliche Intelligenz könne diese Lücken vielleicht irgendwann schließen – „aber billige Roboter haben wir noch nicht.“

Talebs Diagnose ist düster, aber klar: Die Märkte preisen Risiken falsch ein. Die Politik handelt irrational. Und das Vertrauen in die alten Sicherheiten – Dollar, Banken, Staatsfinanzen – bröckelt. Gold ist in dieser Welt kein Spekulationsobjekt, sondern ein stiller Notausgang. Und Hedgefonds, oft als Spekulanten verschrien, könnten am Ende die rationaleren Risikomanager sein. Ob das reicht, um den nächsten Schwarzen Schwan zu zähmen?

Gold (ISIN: XC0009655157)

Hinweis auf Interessenkonflikte Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Gold