Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 03.08.2019 in Heftausgabe 31/2019 der BÖRSE ONLINE-Schwesterpublikation €uro am Sonntag.

Gold glänzt wieder. So stieg der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) vergangene Woche über die psychologisch wichtige Marke von 1.500 US-Dollar. Die Chancen für die Fortsetzung der Aufwärtsbewegung - der Goldpreis notiert auf dem höchsten Stand seit sechseinhalb Jahren - stehen so gut wie lange nicht mehr.

Das hat mehrere Gründe. Besonders die anstehenden oder bereits erfolgten Zinssenkungen der US-Notenbank Fed und anderer wichtiger Zentralbanken lassen den Goldpreis anspringen. Denn Gold bringt keine Zinsen. Die Haltekosten für Käufer des Edelmetalls reduzieren sich aber durch sinkende Zinsen.

Die Fed hat die US-Leitzinsen diese Woche um 0,25 Prozentpunkte verringert. Bis Dezember rechnen Marktbeobachter mit mindestens einer weiteren Senkung. Die Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen liegen nur noch bei zwei Prozent, im März waren es 2,75 Prozent. Sollten weitere Zinsschritte folgen, könnten die Realzinsen, also die Nominalzinsen minus Inflationsrate, in den USA negativ werden. Die Inflation beträgt dort derzeit 1,6 Prozent.

Negative Realzinsen sind in der Eurozone längst Realität. Hier liegt der Leitzins bei null Prozent, und die EZB denkt über Minuszinsen nach. Die australische und koreanische Notenbank haben ihre Zinsen zuletzt auch stark gesenkt. "Es gibt einen Wettlauf großer Zentralbanken nach unten", sagt Natalia Guru­shina, Chef-Ökonomin der Investmentgesellschaft VanEck. Negative Realzinsen waren historisch betrachtet meist ein Garant für anziehende Goldpreise.

Ebenso wie eine expansive Geldpolitik, die Anleger in Gold flüchten lässt. Anders als Papiergeld, mit dem die Notenbanken die Märkte fluten, ist die Preziose nämlich nicht beliebig vermehrbar und wird nie ganz wertlos.

Ein weiterer wichtiger Faktor für steigende Goldpreise ist die Charttechnik. Mit dem Sprung über 1.360 US-Dollar je Feinunze wurde der sechsjährige Seitwärtsmarkt zwischen 1.150 und 1.360 US-Dollar aufgelöst. Auch die 200-Tage-Linie bei 1.300 US-Dollar je Feinunze ist längst übertroffen. Das Überwinden wichtiger charttechnischer Marken löste Käufe bei institutionellen Investoren aus. Am 21. Juni war der umfangreichste tägliche Zufluss in den weltgrößten Gold-ETF von SPDR seit dessen Auflegung 2004 zu verzeichnen. 35 Tonnen Gold in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar flossen an diesem Tag in den ETF. Insgesamt wurde im ersten Halbjahr 2019 so viel Gold nachgefragt wie seit drei Jahren nicht mehr.

Hohe Positionen am Terminmarkt


Auch die großen Spekulanten an den Terminmärkten, beispielsweise Hedgefonds, bauten zuletzt hohe Positionen auf, um auf einen anziehenden Goldpreis zu setzen. "Gold ist zwar derzeit überkauft, aber nur ein bisschen", zeigt sich Hannes Huster, Analyst beim Rohstoff-In­fodienst "Goldreport", noch zuversichtlich für die Notierung des gelben Edelmetalls. Zumal Gold für viele Anleger auch die Aufgabe als sicherer Hafen in Krisen hat. Und an denen mangelt es nicht. Etwa der Konflikt der USA und Großbritanniens mit dem Iran in der Straße von Hormus. US-Präsident Donald Trump hat schon mit einem Angriff auf den Iran gedroht. Sollte es zum Krieg kommen, würde der Goldpreis wohl steigen.

Genauso wie beim harten Brexit. Die Ernennung von Boris Johnson zum Premierminister Großbritanniens erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür. Der ehemalige Journalist befürwortet einen harten EU-Ausstieg. Ob er sich damit durchsetzen kann, ist angesichts der verworrenen politischen Lage ungewiss. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, betont, dass die ­Brexit-Unsicherheit dazu geführt habe, dass die britischen Unternehmens­­in­vestitionen im Vergleich zu den G-7-Ländern um zwölf Prozent zurückgegangen seien. Das Wachstum befinde sich unter dem Potenzial. Es könnte zu Angebots- und Nachfrageschocks kommen.

Das würde dann auch auf die Wirtschaft auf dem Kontinent ausstrahlen. Diese hat sowieso schon mit Problemen wie dem Handelskonflikt zwischen den USA und China zu kämpfen. Vor allem Deutschland, das viele Jahre die Lo­komotive der europäischen Wirtschaft war, trifft dies als exportabhängiges Land besonders. Es steuert auf eine Rezession zu. Aber auch in anderen EU-­Staaten läuft die Wirtschaft nicht mehr rund. Vor allem Italiens Ökonomie kommt seit Jahren nicht in Fahrt. Das Land hat sich auf die Globalisierung schlecht eingestellt. Die wenigen Reformen, die der frühere Premierminister Matteo Renzi durchgeboxt hat, wie etwa die Rentenreform, wurden von der neuen populistischen Regierung aus Lega Nord und Fünf-Sterne-Bewegung wieder zurückgenommen.

Italien bereitet nicht nur EU-Politikern und Ökonomen, sondern auch Anlegern große Sorgen. Die hohe Verschuldung von 131 Prozent des BIP ist die zweithöchste in der EU nach Griechenland. Da die Regierung sich weigert, Sparanstrengungen zu unternehmen und Reformen durchzuführen, gefährdet sie mit diesem Verhalten den Bestand der gesamten Eurozone.

Das treibt viele Anleger um. Um sich vor dem Zerbrechen des Euro zu schützen, greifen sie zu Gold, das sie als sicheren Hafen einstufen. Sie sehen das Edelmetall quasi als Versicherung gegen den Zerfall der Eurozone. Zusätzlich aber auch als Schutz gegen die hohe Verschuldung vieler Industriestaaten.

Schuldenberge sorgen für Ängste


Nicht nur europäische Länder, auch die USA, Japan, China und Brasilien haben enorme Schuldenberge aufgetürmt. Viele Investoren treibt die Angst um, dass es deswegen zu Staatspleiten kommen könnte, die eine Weltwirtschaftskrise nach sich zögen.

Es gibt also zahlreiche Gründe, die für mehr Nachfrage nach dem Metall sprechen. Ein potenziell wichtiger Grund entfällt jedoch - der US-Dollar. Denn dieser präsentiert sich zum Euro fest. Da das gelbe Metall in Dollar gehandelt wird, verteuert ein starker Greenback das Gold. "Es gab aber immer wieder Phasen, in denen der Goldpreis und der Dollar gleichzeitig kletterten", sieht Huster darin aktuell kein Hindernis für höhere Goldpreise. Er rechnet noch für 2019 damit, dass der Goldpreis auf 1.500 bis 1.600 Dollar je Feinunze steigt. Noch optimistischer ist die Raiffeisen Bank International, die auf längere Sicht sogar die alten Höchstpreise von 1.921 Dollar je Feinunze für erreichbar hält.

Die Zuversicht von Huster speist sich auch daraus, dass die Preziose sich derzeit in allen wichtigen Währungen verteure, was positiv sei. Interessant ist dabei, dass Gold in Euro in den vergangenen fünf Jahren um 31 Prozent gestiegen ist, in Schweizer Franken um 17 und in US-Dollar nur um zehn Prozent. Das spricht gegen eine Devisenabsicherung beim Goldkauf für Euro-Anleger.

Goldabkommen ist passé


Problematisch für Gold könnte künftig werden, dass die EZB und 21 weitere vor allem europäische Notenbanken das Goldabkommen der Zentralbanken nicht verlängert haben, das seit 1999 ­besteht. Dadurch wurden geplante Goldverkäufe koordiniert, um den Preis nicht unter Druck zu bringen. In den 1990er-Jahren war durch nicht abgestimmte Verkäufe der Notenbanken der Preis der Preziose ruiniert worden. Das droht vorerst aber nicht, da diese Institutionen seit 2012 kaum noch als Verkäufer auftreten.

Grund für das Abkommen war, dass der Goldpreis kräftig schwanken kann. "Gold ist keinesfalls der sichere Hafen, als der es oft verkauft wird, sondern eine spekulative Geldanlage", bestätigt Wolf Brandes, Kapitalmarktexperte beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Hessen. Dessen sollten sich Anleger bewusst sein, die damit Geld verdienen wollen. Für diese Anlegergruppe eignen sich vor allem ETFs und ETCs, um auf das Metall zu setzen.

Die zweite Gruppe der Investoren kauft es als Versicherung - wie Fondsmanager Bert Flossbach von der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, der es mit einem Anteil von etwa zehn Prozent in seinen Top-Fonds einsetzt. "Gold ist eine Versicherung gegen die Risiken des Finanzsystems, insbesondere die möglichen Folgen der ultralockeren Geld­politik der Notenbanken. Daher vergleichen wir den Goldanteil in einem Portfolio mit einer Feuerversicherung für das eigene Haus", so Flossbach.

Ähnlich sollten auch sicherheitsbewusste Privatanleger vorgehen, die mit Gold nicht spekulieren wollen. Ihnen ist zu raten, fünf bis zehn Prozent des Depots ins gelbe Metall zu investieren. Dazu sollten sie entweder Münzen und Barren oder physisch besicherte ETFs und ETCs erwerben. Für solche Investoren verliert Gold nie an Glanz.

Investor-Info

Notenbanken
Keine Goldverkäufe mehr


Seit 2012 verkaufen Notenbanken, die das Goldabkommen der Zentralbanken unterzeichnet haben, kaum noch Gold. Dafür kaufen sie kräftig. Im ersten Halbjahr erwarben Notenbanken so viel Gold wie noch nie in den letzten 19 Jahren. Das zeigt, dass sie sich von Dollar sowie Euro unabhängiger machen wollen und ihr Portfolio mit Gold, das sie als eigene Währung betrachten, diversifizieren.

Xetra Gold
Klassiker mit Währungsrisiko


Dieser ETC von Deutsche Börse Commodities ist ein Klassiker. Er bildet den Preis eines Gramms Gold in Euro ab. Es gibt somit keine Währungssicherung gegenüber dem US-Dollar. Das Papier ist ständig handelbar. Da das Gold physisch hinterlegt ist, können Anleger es sich auf Wunsch auch ausliefern lassen. Gegenwärtig sind fast 195 Tonnen Gold im Bestand. Nach einem Jahr Haltedauer sind Kursgewinne mit dem ETC steuerfrei.

XTrackers Physical Silver
Mit Turbo


Dieser ETC bildet den Preis von Silber in Euro ab und ist permanent handelbar. Wegen der höheren Schwankungen von Silber verglichen mit Gold ist das wichtig. Eine Währungssicherung zum US-Dollar existiert nicht. Das Papier ist physisch mit Silber hinterlegt. Wie Kurs­erträge behandelt werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Fachleute sind der Ansicht, dass hier dieselben Regelungen ­anzuwenden sind wie bei physisch besicherten Gold-ETCs, was nach einem Jahr Haltedauer Steuerfreiheit bedeuten würde.

Kauf von physischem Gold
Münzen oder Barren


Wer Gold physisch erwerben will, steht vor der Frage: Münzen oder Barren? Münzen empfehlen sich für diejenigen, die sich gegen Währungskri­sen absichern und Gold als Zahlungsmittel besitzen wollen. Denn diese können in der Not auch als Tauschobjekt dienen. Wer hingegen Gold als Ver­mögens­schutz horten möchte, sollte besser Barren erwerben. Diese sind leichter zu la­gern oder zu transportieren. Außerdem kosten sie weniger, weil aufwendige Prägearbeiten wie bei Münzen entfallen. Grundsätzlich gilt: Je leichter eine Münze oder ein Barren, desto höher der Aufschlag gegenüber dem Goldpreis. So müssen Anleger beim Kauf eines Barrens, der eine Unze wiegt, mit einem Agio von drei Prozent gegenüber dem Preis an den Finanzmärkten rechnen. Bleibt die Frage, wo man am besten Gold und andere Edelmetalle kauft. Denn nicht jeder Shop kann gleichermaßen Qualität, Auswahl und niedrige Kosten bieten. Daher testet €uro am Sonntag einmal im Jahr deutschlandweit Edelmetallhändler. Sehr gut abgeschnitten haben 2018 GoldSilberShop.de, Degussa Goldhandel und philoro Edelmetalle. Wichtig: Bisher konnten Goldkäufe unter 10.000 Euro anonym getätigt werden. 2020 soll diese Bargeldschwelle laut dem vergangene Woche verabschiedeten Geldwäschegesetz auf 2.000 Euro fallen.

Gold und steuern
Auf die Form kommt es an


Goldinvestments werden je nach Anlageform unterschiedlich besteuert. Gewinne beim Verkauf von Barren oder Münzen sind steuerfrei, wenn diese länger als ein Jahr gehalten werden. Bei Verkauf vor Ablauf der Spekulationsfrist wird auf realisierte Gewinne der persönliche Einkommensteuersatz fällig, falls dieser die Steuerfreigrenze von 600 Euro übersteigt. Auch Wertpapiere, die dem Goldpreis folgen, werden wie Barren und Münzen besteuert, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen: Sie müssen zumindest zu 95 Prozent mit physischem Gold besichert sein und einen Auslieferungsanspruch ohne Mengenbeschränkung grammgenau verbriefen. Das hat der Bundesfinanzhof wiederholt für ETCs wie Xetra-Gold entschieden. Für vergleichbare Wertpapiere wie EuwaxGold II und Gold Bullion Securities gelten die selben Steuerregeln. Goldaktien, etwa Dividendenpiere von Minenbetreibern, sowie Gold-Investmentfonds unterliegen unabhängig von ihrer Haltedauer der Abgeltungsteuer. Auf Veräußerungsgewinne werden 25 Prozent Abgaben fällig - zuzüglich 5,5 Prozent Soli-Zuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer (acht oder neun Prozent).