Monatelang waren die Preise für Strom und Gas auf dem Rückzug. Doch plötzlich geht es wieder aufwärts – und zwar kräftig. Der europäische Gaspreis hat sich seit Anfang Juni verdoppelt, der Strompreis zieht nach. Verschiedene Ursachen werden für den plötzlichen Aufschwung genannt. So sind mehrere norwegische Produktionsanlagen ausgefallen.

In den vergangenen Monaten sorgte eine schwache regionale Wirtschaft in Europa für magere Nachfrageaussichten, weshalb der Gaspreis bis Mai abwärts tendierte. Die industrielle Gasnachfrage in Europa ist trotz des jüngsten Preisrückgangs nur schleppend verlaufen, was zu einem Überangebot auf dem Markt geführt hat. Der für Europa gültige Natural Gas Future TTF sackte Ende Mai bis auf etwa 23 Euro pro Megawattstunde ab – der tiefste Stand seit April 2021.

Doch seit Anfang Juni hat sich der Gas-Future gefangen. Seit Montag beschleunigt sich der Preisanstieg sogar. Am Donnerstag-Mittag explodierte der Gaspreis zeitweilig um mehr als 20 Prozent auf gut 48 Euro. Damit hat sich der TTF-Gas-Future in zwei Wochen mehr als verdoppelt. Am Nachmittag beruhigte sich der Preis ein wenig.

Future auf Natural Gas EU Dutch TTF  (in Euro pro MWh)
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Future auf Natural Gas EU Dutch TTF (in Euro pro MWh)

Die europäischen Erdgas-Futures schießen in die Höhe, weil weitere Ausfälle von norwegischen Gas-Produktionsanlagen befürchtet werden. Während aufgrund des Sommerwetters eine steigende Gas-Nachfrage verzeichnet wird, kommt es in Norwegen zu verlängerten Wartungsarbeiten. Diese werden voraussichtlich bis in den Juli hinein andauern, heißt es bei TradingEconomics.

Angesichts der warmen Temperaturen und des höheren Energiebedarfs zur Kühlung trifft eine erhöhte Gas-Nachfrage auf ein verringertes Angebot. Die Prognosen für wärmeres Wetter dürften die Nachfrage nach Gas zur Erzeugung von Strom für Klimaanlagen in den kommenden Wochen noch erhöhen. 

Auch die deutschen Strompreise für die heutige Lieferung sind gegenüber dem Vortag um mehr als 20 Prozent gestiegen. Mit über 127 Euro pro Megawattstunde liegen sie zeitweilig ebenfalls doppelt so hoch wie vor einer Woche. Zuletzt war Strom an der Strombörse zuletzt Mitte April so teuer.

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Spotpreis für Germany Electricity (in Euro pro Megawattstunde)

Mittel- und längerfristig könnte Strom noch deutlich teurer werden. Denn mit der Energiewende der Bundesregierung, wird die Nachfrage nach Strom durch deutlich mehr Wärmepumpen und E-Autos künftig erheblich schneller wachsen – wahrscheinlich schneller als das Angebot.

Diese steigende Nachfrage nach Strom hält Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen für das Nadelöhr der Energiewende. Wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht schnell genug gelingt, werde eine Stromlücke entstehen, die es zu decken gilt.

Der Fachmann für Energieverfahrenstechnik befürchtet laut tagesschau.de, "dass Gaskraftwerke auch in Zukunft immer häufiger eingesetzt werden müssen". Bei erneut ansteigenden Gaspreisen würde sich das Hochfahren der Gaskraftwerke wiederum preisbildend für den Strompreis auswirken. Er halte deswegen für Verbraucher "einen Strompreis von 60 bis 80 Cent pro Kilowattstunde durchaus bis 2030 für realistisch", sagt Karl. Derzeit liegen die Strompreise laut Internet-Vergleichsportalen für Neukunden im Schnitt bei etwa 30 Cent.

Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, hat exklusiv für das ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus" berechnet, wie groß eine Stromlücke werden kann, wenn weiterhin so schleppend ausgebaut wird wie in den vergangenen zwei Jahren. Das Ergebnis sei eine Stromlücke von 104 Gigawatt. "Auf einen ganz simplen Nenner gebracht, fehlt 2030 ungefähr ein Drittel Kapazität, wenn weiterhin so ausgebaut würde wie die letzten zwei Jahre." 

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