Mehr als 57 Milliarden Euro Dividenden schütten börsennotierte Firmen hierzulande in der diesjährigen Hauptversammlungsrunde an ihre Aktionäre aus. Der warme Regen hält für einige Aktiensparer auch noch eine besonders angenehme Überraschung bereit, denn manchmal landet die Dividende sogar brutto für netto auf dem eigenen Konto. Der Fiskus bekommt nichts ab, wenn Firmen wie Deutsche Telekom und Deutsche Post das Füllhorn ausschütten. Doch ist das wirklich so - und wie funktioniert das? Droht am Ende womöglich doch noch eine böse Überraschung?

Die meisten börsennotierten deutschen Firmen sind von dem Phänomen überhaupt nicht betroffen. Entweder weil sie an ihre Aktionäre gar keine Dividenden auskehren oder weil sie erzielte Profite vergangener Jahre an ihre Aktionäre ausschütten. Diese zahlen nach Verbrauch des Sparerpauschbetrags von 801/1602 Euro (Ledige/Verheiratete) pauschal 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidarzuschlag und eventuell Kirchensteuer. 26,375 Prozent muss also jeder Sparer berappen, bei Kirchenmitgliedern sind es effektiv bis zu 27,99 Prozent, die Vater Staat einstreicht. Den Steuereinbehalt nimmt die Depotbank direkt vor - als Privatinvestor braucht man sich um nichts zu kümmern, um seine Steuerpflichten zu erfüllen.

Exoten im Dividendenregen

Manchmal muss man aber auch nichts versteuern. Eine Handvoll deutscher Firmen zahlt teilweise schon seit Jahren steuerfreie Dividenden aus und lässt damit Börsianerherzen höher schlagen. Wie so oft im Leben hat der Geldsegen Vorteile und auch so seine Tücken. Diese Firmen greifen für die Ausschüttung nämlich auf ihre Kapitalreserven zurück und nicht - wie bei normalen Dividenden üblich - auf erwirtschaftete Profite aus ihrem eigentlichen Geschäft.

Genau genommen sind es Einzahlungen aus Kapitalerhöhungen und Einlagen früherer Jahre, die hier an die aktuellen Unternehmenseigentümer in Form einer "Dividende" wieder zurückfließen. Die Depotbank zwackt auf die Auszahlungen weder Abgeltungsteuer noch Solidarzuschlag oder Kirchensteuer ab. Auch ein erteilter Freistellungsauftrag wird nicht angeknabbert - das verschafft Luft für andere üppige Erträge. Die Dividende landet zwar steuerlich ungeschmälert auf dem Bankkonto des Anlegers, allerdings bemerken aufmerksame Börsianer bei einem sorgfältigen Blick auf ihr Wertpapierdepot einen anderen Effekt. Zeitgleich mit der Auszahlung der Dividende werden die im Depot ausgewiesenen Einstandskurse für die Aktien des Unternehmens um genau den gleichen Betrag gekürzt.

Steuerfrei oder Steueraufschub?

Ob die Dividenden am Ende wirklich steuerfrei einkassiert werden können, hängt einzig davon ab, wann man die Aktien gekauft hat. Wer Deutsche Post, Deutsche Telekom und Co (siehe Tabelle auf Seite 2) vor 2009 ins Depot gelegt hat, freut sich jetzt in der Zinsflaute über kernige und tatsächlich steuerfreie Dividenden, weil der gesamte Aktienbestand für den Fiskus unerreichbar im steuerfreien Bereich geparkt ist. Erfreulich ist ganz nebenbei: Auch wer derartige Altbestände von seinen Vorfahren erbt, ist fein raus. Man übernimmt mit dem Erbe auch den ursprünglichen Kaufzeitpunkt und die Anschaffungskosten der Aktien. Die Steuerfreiheit wird somit an die nächste Generation weitergegeben.

Schlechter dran sind Aktionäre, die die Bluechips erst ab 2009 erworben haben. Nach der Einführung der Abgeltungsteuer fiel die einjährige Spekulationsfrist für neu erworbene Wertpapiere - Kursgewinne sind seit Anfang 2009 zeitlich unbegrenzt steuerpflichtig. Da die (erst einmal) steuer-freien Dividenden vom ursprünglich gezahlten Kaufpreis für die Aktien abgezogen werden, erhalten diese Anleger genau genommen nur einen Steueraufschub bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich von ihren Aktien trennen.

Abgeltungsteuerpflichtig ist dann der realisierte Kursgewinn, der sich aus der Differenz zwischen dem erzielten Verkaufspreis und den um die erhaltenen Dividenden gekürzten ursprünglichen Anschaffungskosten für die Aktien ergibt. An- und Verkaufsspesen für die Wertpapiertransaktionen werden dabei steuermindernd einbezogen. Langfristanleger müssen bereits dann Steuern auf die Dividenden zahlen, wenn die Ausschüttungen der Kapitalreserven die eigenen Anschaffungskosten für die Wertpapiere im Depot rechnerisch aufgezehrt haben.

Wichtiger Tipp: Den Tag, an dem Steuern fällig werden, bestimmen Aktionäre selbst. Das richtige Timing hilft also dabei, die aufgeschobene Steuerlast später ganz zu vermeiden oder zumindest in erträglichen Grenzen zu halten. Steuerfüchse legen den Verkaufszeitpunkt in Jahre, in denen sie mit anderen Wert- papieren Verluste erzielt haben, die man mit dem Verkaufsgewinn verrechnen kann. Sinnvoll kann auch ein Verkauf nach dem Eintritt in den Ruhestand sein, wenn das Gesamteinkommen und damit der eigene Steuersatz nicht mehr so hoch sind wie im Erwerbsleben.

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Hauptversammlung bringt Klarheit

Nur bei wenigen Firmen steht schon definitiv fest, dass sie auch dieses Jahr wieder ihre Dividende komplett "steuerfrei" auszahlen, darunter die DAX-Schwergewichte Deutsche Post und Deutsche Telekom. Viele andere schütten ihre Kapitalreserven nur anteilig aus - der Rest der beschlossenen Dividende kommt dann aus tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen. Bei DIC Asset blieben Ende März deshalb nur knapp 90 Prozent der Dividende von 0,48 Euro steuerfrei, bei Siemens Healthineers waren 0,30 Euro von 0,70 Euro steuerfrei, bei der Deutschen Euro-shop, die ihre Aktionäre am 12. Juni zur Hauptversammlung geladen hat, bleiben von der angekündigten Dividende von 1,50 Euro je Aktie nur 0,93 Euro steuerfrei, 0,57 Euro unterliegen dagegen der Abgeltungsteuer.

Die Deutsche Wohnen wird am 18. Juni über eine Dividende von 0,87 Euro je Aktie abstimmen lassen - 0,79 Euro davon sollen steuerfrei gezahlt werden. Bei Geratherm Medical ist mit 0,27 Euro der überwiegende Teil der vorgeschlagenen Dividende für 2018 (0,40 Euro) steuerpflichtig. Hat ein Aktionär seinen Sparerpauschbetrag aufgebraucht, behält die Depotbank also von diesem Teil der Dividende Steuern ein.

Alle in der Tabelle aufgeführten Unternehmen haben 2018 Ausschüttungen aus den Kapitalreserven gezahlt. Ob und in welcher Höhe sie das auch für die jetzt angelaufene Dividendensaison tun werden, steht in den meisten Fällen erst nach der Hauptversammlung fest. Interessierte Anleger sollten sich daher vor dem Kauf im Internet noch einmal auf den neuesten Stand zum jeweiligen Unternehmen bringen. Langfristig festgelegt hat sich das Management der Deutschen Pfandbriefbank. Mitte April verkündete das Institut, dass die Ausschüttungen der nächsten fünf bis sieben Jahre aus den Kapitalrücklagen fließen werden und damit für deutsche Anleger zunächst einmal steuerfrei bleiben.