War die Software bislang noch ein Ladenhüter, wird sie dem Hersteller Compugroup auf einmal fast aus den Händen gerissen. Seit voriger Woche bietet die Firma Ärzten eine kostenlose Videosprechstunde bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus an. Bisher mussten die Mediziner dafür bezahlen. Keine 1000 Stück wurden verkauft. Doch seit nun auch das Robert-Koch-Institut davor warnt, direkt in die Arztpraxen zu gehen, stieg die Nachfrage sprunghaft an. In den ersten drei Tagen wurde die Software über tausendmal geordert, heißt es seitens des Unternehmens. Wie lange es sie noch kostenlos gibt, ist unklar. Die Chance, dass es für Compugroup ein dickes Geschäft wird, ist dagegen groß. Erst vor Kurzem wurde das Verbot der Fernbehandlung gelockert. Das Unternehmen unterstützt Ärzte, Apotheken und Labore bei der Digitalisierung ihrer Prozesse. Rund 40 Prozent aller Arztpraxen in Deutschland setzen die IT-Lösungen der Koblenzer ein. Die Compugroup ist ein klassisches Familienunternehmen. Gründer Frank Gotthardt hält immer noch ein Drittel der Anteile. Nach 33 Jahren an der Unternehmensspitze wird er spätestens zum Jahresende den Vorsitz an den Ex-Telekom-Vorstand Dirk Wössner übergeben.

Familienunternehmen sind profitabler

Sie sind etwas kleiner, große Investoren nehmen sie weniger wahr und doch sind sie alles andere als zu unterschätzen. Gerade in Zeiten, in denen die Märkte wanken und instabil sind, suchen Anleger substanzstarke Titel. Häufig sind solche Firmen solide finanziert, meist über Generationen aufgebaut, und sie schütten eine hohe Dividende aus. "Entscheidend ist, dass viele der familiengeführten Unternehmen über solide Bilanzpositionen verfügen und hohe Cashflows generieren", sagt Andreas Strobl, Fondsmanager des Berenberg-1590-Aktien Mittelstand.

Wichtig ist das gerade jetzt, wenn die Börsen verrückt spielen, das Coronavirus die Indizes purzeln lässt und ganze Branchen unter Druck kommen. Einige Familienunternehmen kommen aus wirtschaftlich schwächeren Zeiten gestärkt hervor. Viele zählen in ihrer Branche zu den Marktführern. Sie sind flexibler und bekommen die Kosten schneller in den Griff. BÖRSE ONLINE begab sich auf die Suche und filterte Firmen heraus, die aus der Viruskrise gestärkt hervorgehen könnten.

Mehr als 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland werden von Familien kontrolliert. Jedes vierte im CDAX gelistete gehört dazu. Der Index umfasst alle an der Frankfurter Wertpapierbörse im General und Prime Standard notierten deutschen Aktien. Es gibt verschiedene Kriterien dafür, was ein Familienunternehmen ausmacht. Die einfachste Definition: Die Gründerfamilie hält mindestens 25 Prozent der Stimmrechte und hat ein Aufsichts- und/oder Vorstandsmandat.

Wie erfolgreich eine Sippschaft an der Börse sein kann, zeigt eine Studie der Technischen Universität München, welche die Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben hat. Über einen Zeitraum von zehn Jahren untersuchte sie die Bedeutung und die Performance der Unternehmen. Ergebnis: Die kleinen sind den großen einen Schritt voraus. So ist im Schnitt bei den Familienunternehmen das Verhältnis des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern zur Bilanzsumme fast doppelt so hoch wie bei anderen Gesellschaften. Daher wundert es nicht, dass die Aktienrendite der Familienbetriebe von 2009 bis 2018 mit durchschnittlich 17,2 Prozent jährlich um mehr als zwei Prozentpunkte höher liegt - obwohl die Profitabilität nicht immer höchste Priorität hat. "Das oberste Ziel der Eigentümerfamilie ist nicht die Maximierung des Gewinns innerhalb eines Quartals oder eines Jahres, sondern der langfristige Erhalt des Unternehmens und damit eine nachhaltige Wertsteigerung", sagt der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen Rainer Kirchdörfer.

Wie stark die Performance ist, zeigt auch ein Vergleich des DAXplus Family mit dem deutschen Leitindex. Dieser listet die deutschen Familienunternehmen auf. Im Vergleich zum DAX schlug sich der Index deutlich besser. In den vergangenen drei Jahren legte er um rund fünf Prozent zu, der Deutsche Aktienindex kam im selben Zeitraum auf ein Minus von elf Prozent. Wie bei jeder Aktienauswahl sollten Anleger nach fundamentalen Kriterien abwägen: Generiert das Unternehmen hohe freie Cashflows? Wie schnell wächst es? Wie hoch ist der Anteil des Eigenkapitals? Wie hoch ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis?

Bei Familienunternehmen kommt hinzu, dass häufig ein Mitglied auch noch operativ im Vorstand tätig ist. Steht eine Nachfolge an die nächste Generation bevor, ist Vorsicht geboten. Anleger sollten dann genau auf die Konstellation achten. Im besten Fall bleibt das Familienoberhaupt noch im Unternehmen und übergibt sukzessive an die Tochter oder den Sohn. Beim Autovermieter Sixt funktioniert das aktuell gut. Vater Erich und die beiden Söhne Alexander und Konstantin sind im Vorstand. Kein Einzelfall: Auch bei Fielmann gab es eine Zeit lang eine Doppelspitze, bevor Sohn Marc den Vorstandsvorsitz übernahm. Mehrheitsaktionär ist immer noch Vater Günther. Laut der Stiftungsstudie halten die Mitglieder der Gründerfamilie nicht nur ein paar Stimmrechte über die Aktien. In 86 Prozent der Fälle üben sie Einfluss über Vorstands- oder Aufsichtsratsmandate aus.

Einfluss des Coronavirus

Stabilität in den Unternehmen braucht es gerade jetzt. Bei Uzin Utz ist diese sicher gegeben. "Hinsichtlich der Lieferkette hat das Virus noch keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit", sagt Vorstand Julian Utz. Von Hektik ist beim Besuch in Ulm nichts zu spüren.

An diesem Tag, Ende Februar, waren die Auswirkungen in Europa allerdings auch noch nicht absehbar. Doch unüberlegtes Handeln wird es hier eher nicht geben. Kontinuität ist wichtig. Aufsichtsratschef Werner Utz lässt sich noch häufig im Unternehmen blicken, mischt sich jedoch weniger ins operative Geschäft ein. Das haben die beiden Söhne Philipp und Julian im Vorstand übernommen. Unterstützt werden sie von Finanzvorstand Heinz Leibundgut, der nicht zur Familie zählt.

Ohne größeren Einfluss des Virus dürfte auch das Geschäft von Dermapharm laufen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Herstellung und den Vertrieb von patentfreien Markenarzneien. 90 Prozent der Produkte werden in Deutschland gefertigt. "Derzeit sieht das Unternehmen keine Einschränkungen, weder in der Produktion noch beim Einkauf von Wirkstoffen", heißt es aus der Zentrale.

Natürlich gibt es auch sehr gut geführte Familienunternehmen, die qua Geschäftsmodell momentan unter Druck kommen. Ein Beispiel ist der Konzertveranstalter und Ticketvermarkter CTS Eventim. Auch wenn das Unternehmen zuletzt Entwarnung gab, dass das Virus keine signifikanten Auswirkungen aufs Geschäft habe, weil viele Veranstaltungen im Sommer stattfänden. Doch niemand weiß, wie lange Großveranstaltungen abgesagt werden. Unter die Räder kam auch Holidaycheck. Das Portal, das mehrheitlich zur Burda-Gruppe gehört, bietet nicht nur Bewertungen an, es vermittelt auch Pauschalreisen und Kreuzfahrten. Buchungen dürften aktuell brachliegen. Es sei denn, Schnäppchenjäger picken sich günstige Angebote heraus. An der Börse läuft es genauso.

 


Compugroup

Der Koblenzer Gesundheitsdienstleister Compugroup ist Europas größter Anbieter von Software für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser. Das Unternehmen profitiert stark vom anhaltenden Trend zur Digitalisierung in der Gesundheitsbranche. Frank Gotthardt, der Compugroup 1992 gekauft hatte und seither als Vorstandsvorsitzender führt, besitzt mit seiner Familie nach wie vor die Aktienmehrheit von gut 47 Prozent.

Gotthardt fädelte Anfang des Jahres auch einen lukrativen Deal mit dem US-Gesundheitskonzern Cerner ein. Compugroup kauft von dem Unternehmen für 225 Millionen Euro einen Teil des IT-Healthcare-Portfolios in Deutschland und Spanien und stärkt damit vor allem das Geschäft rund um Krankenhaussoftware. Der Kaufpreis entspricht dem 17-Fachen Ebitda und ist damit kein Schnäppchen. Compugroup wird durch den Zukauf aber zur Nummer 2 auf dem Markt für Krankenhaussoftware und kommt durch die Akquisition dem Ziel näher, alle Fachkräfte des Gesundheitswesens digital miteinander zu vernetzen. Das führt langfristig zu einer noch höheren Preissetzungsmacht, steigenden wiederkehrenden Umsätzen und einer niedrigen Abwanderungsquote von Kunden, der sogenannten Churn Rate. Cerner wird auch den Gewinn pro Aktie im ersten Jahr auf Pro-forma-Basis erhöhen.

Compugroup legt am 25. März die endgültigen Zahlen für 2019 vor und wird dann auch die eher konservativ erscheinende Prognose für das laufende Jahr konkretisieren. Bislang rechnet das Management für 2020 mit einem bereinigten Ebitda von 195 bis 215 (Vorjahr: 178) Millionen Euro und einem Gewinn je Aktie von 1,70 bis 1,95 Euro. LAW

Datagroup

Die IT-Firma Datagroup wird nicht als klassische Familiengesellschaft wahrgenommen. Zu Unrecht. Denn das Unternehmen bringt auf jeden Fall die positiven Attribute mit, die familien- beziehungsweise inhabergeführten Unternehmen zugesprochen werden: Kostenbewusstsein, unternehmerischer Mut und vor allem der Wille zum Erfolg. Ein erstes Ziel hat Firmengründer Max H.-H. Schaber schon erreicht. Das Unternehmen zählt heute zu den führenden der Branche. 1983, als Schaber mit der Vorgängerfirma Datapec startete, stand das noch nicht auf der Agenda. Der Maschinenbauingenieur wollte sich selbstständig machen, um sein eigener Herr zu sein. Doch er stieg von Beginn an aufs Gas. Schnell erreichte das Unternehmen zehn Millionen Mark Umsatz. Wie bei Familienfirmen üblich, blieben die Gewinne im Unternehmen, neue Töchter wurden gegründet. 2006 erfolgte der Gang an die Börse. Schaber hatte erkannt, dass die Marge im auf Hardware ausgerichteten Geschäft zu niedrig war. Deshalb baute er die Dienstleistungssparte aus. Die erfolgreiche Integration von mehr als 20 Firmenkäufen zeigt, dass sein Konzept gut funktioniert. Die übernommenen Einheiten leisteten schnell wertvolle Beiträge. Datagroup schaffte im Geschäftsjahr 2018/19 einen Umsatz von 323 Millionen Euro. Davon stammen rund 80 Prozent aus dem Dienstleistungsgeschäft. Schaber, der mit seiner Beteiligungsfirma immer noch die Mehrheit hält, ist noch nicht am Ziel: "In fünf bis sieben Jahren soll Datagroup ein, wenn nicht sogar der führende IT-Serviceprovider in Deutschland sein." Die Aktie dürfte langfristig profitieren. Aufgrund der aktuellen Marktturbulenzen senken wir unseren bisherigen Stoppkurs. LA

Dermapharm

Wenige Anleger dürften Dermapharm auf dem Kurszettel haben. Und das obwohl das Unternehmen mittlerweile im SDAX notiert und vor Kurzem auch durch eine Übernahme aufgefallen ist. Vom DAX-Konzern Merck übernahmen die Grünwalder das Allergiegeschäft Allergopharma. Der Kauf passt perfekt in die Strategie des Unternehmens. Spezialisiert ist es auf patentfreie Markenmedikamente. Konsequent setzt es seine Buy-and-Build-Strategie fort. Bietet sich eine Chance, das Portfolio aufzupeppen, schlägt Dermapharm zu. Mittlerweile hat das Unternehmen 900 Arzneimittelzulassungen für rund 250 Wirkstoffe. Mehr als zehn Millionen Euro steckte Dermapharm in das neue Logistikzentrum der Tochtergesellschaft Mibe in Brehna bei Leipzig. Ob Tabletten, Kapseln, Pulver oder Ampullen - 90 Prozent davon werden dort hergestellt und versendet. Das bekannteste Produkt ist wohl das Sonnenschutzmittel Tiroler Nussöl, aber auch vom Heuschnupfenmittel Azedil dürften Allergiker schon gehört haben. Mit 75 Prozent ist über die Themis Beteiligungsgesellschaft der in der Promiszene bekannte Milliardär und Gründer Wilhelm Beier größter Aktionär. Schon des Öfteren wollte er Anteile verkaufen. Eine Teilveräußerung an Finanzinvestoren scheiterte. Letztlich klappte es dann mit dem Börsengang Anfang Februar 2018. Die junge Historie kann sich sehen lassen: Seit dem IPO legte der Aktienkurs um mehr als ein Drittel zu. Für noch mehr Wachstum könnte die Beteiligung am holländischen Unternehmen Fyta sorgen, das Cannabis für medizinische Anwendungen herstellt. 20 Prozent der Anteile gehören den Münchnern. Positiv: Vom Coronavirus ist Dermapharm noch nicht befallen. TS

manz

Es gab eine Zeit, da wurde dem Gründer und Ex-Vorstandschef Dieter Manz vorgeworfen, sich zu breit aufgestellt und sich nicht auf die Herstellung von Maschinen für die Produktion von Dünnschichtmodulen für die Solarindustrie konzentriert zu haben. Hätte er das getan, gäbe es die Firma Manz vermutlich nicht mehr. Ab und an waren Manz’ Prognosen etwas zu vollmundig. Was man ihm aber nicht absprechen kann, ist sein Mut, Dinge zu entwickeln und voranzutreiben. Früh setzten die Schwaben etwa auf Maschinen für die Produktion leistungsfähiger Batterien. Zuletzt kamen aus diesem Segment mehrere Aufträge, wohl vom schwäbischen Hersteller Varta - den Namen des Kunden darf Manz nicht nennen, alles spricht jedoch für die Ellwanger. Sie produzieren die Batterien für die sogenannten Earpods von Apple und bauen aktuell ihre Produktionskapazitäten gewaltig aus. Auch ein Auftrag von Akasol, Hersteller elektrisch angetriebener Busse und Schienenfahrzeuge, in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro stimmt positiv. Jedoch macht das Segment mit etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes eher den kleineren Part aus. Projektverzögerungen im Solarbereich und fehlende Großinvestitionen der Autobranche in eine europäische Batterieproduktion drückten auf den Kurs und auf die Stimmung. Das könnte sich ändern und Manz würde vom Trend zur Elektrifizierung profitieren. Inzwischen ist Dieter Manz als Vorstandsvorsitzender ausgeschieden. Die Familie hält aber noch rund 30 Prozent der Anteile. Ende März geben die Schwaben einen Ausblick aufs laufende Geschäftsjahr. Investoren bauen erste Positionen auf, sie sollten sich aber bewusst sein, dass die Anlage höchst spekulativ ist.

OHB

Ein neues Geschäftsfeld könnte beim Raumfahrtunternehmen OHB für mehr Wachstum sorgen. Bislang legten die Bremer den Fokus hauptsächlich auf den Bau von Satelliten und Raketen. Künftig soll ein dritter Bereich dazukommen - über die Sonden will das Unternehmen Daten auswerten, um diese dann verkaufen zu können. So könnten mithilfe von Satellitendaten künftig etwa Informationen für Fangflotten aufbereitet werden, wo sich Fischschwärme befinden. Oder es ließe sich der Zustand von Gas- und Ölpipelines kontrollieren. Für Vorstandschef Marco Fuchs steht jedenfalls fest, dass sich die Branche in einer spannenden Wachstumsphase befindet und dass sich der Boom in eine reife Industrie wandelt. Mit der Strategie 2025 will er das Familienunternehmen auf einen neuen Wachstumspfad führen. Dann soll die Gesamtleistung bei 1,5 Milliarden Euro liegen. Für das Geschäftsjahr 2019 gehen die Norddeutschen von rund einer Milliarde Euro aus. Der Gewinn vor Steuern soll sich bis 2025 auf 120 Millionen Euro nahezu verdoppeln. Etwas Sorge bereitet den Bremern die Umstellung von der Trägerrakete Ariane 5 auf das Nachfolgemodell. In dieser Übergangsphase entsteht für den Zulieferer eine Lücke: Das operative Ergebnis für das laufende Geschäftsjahr soll zehn Millionen Euro geringer ausfallen. Allerdings soll dieses Loch schnell gestopft werden und die Marge bis 2025 wieder kräftig anziehen. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1982 ist die Familie an Bord. Seitdem hat sie auch das Sagen. Rund 65 Prozent der Anteile liegen in Familienhand. Daran wird sich kurzfristig wohl auch nichts ändern - Nachhaltigkeit ist somit garantiert, Wachstum und künftiger Erfolg sind ebenso gut möglich.

Uzin Utz

Vorstand Julian Utz gibt Entwarnung: "Für uns spielt Corona aktuell nicht die große Rolle." Auch weil der Marktanteil in China noch gering ist. Für den Anbieter von Bodensystemen ist das Reich der Mitte ein Markt, den er eben erst angegangen ist. Dass die Abhängigkeit nicht so groß ist, lässt sich am Aktienkurs ablesen. Dieser ist deutlich weniger gefallen als der Gesamtmarkt. Seit 1911 besteht Uzin Utz. Damals produzierte das Unternehmen Waschmittel, Schuhcremes und Bodenreinigungsmittel. Auf dem Boden sind die Ulmer geblieben. Doch mittlerweile stellen sie nahezu alles rund um den Boden her, abgesehen von den Belägen selbst: Klebstoffe, Spachtelmassen, Beschichtungen, Parkettlacke, ebenso wie die Werkzeuge dafür. Geblieben ist auch die Familie, die noch immer mehr als 50 Prozent am Unternehmen hält. Sukzessive hat sich der langjährige Vorstandschef H. Werner Utz aus dem Unternehmen zurückgezogen. Heute ist er Aufsichtsratschef im Unternehmen. Seit 2011 managen die Söhne Philipp und Julian die Firma. Insgesamt soll die Produktionskapazität in den nächsten Jahren kräftig ausgebaut werden. Vor allem treiben die beiden die weitere Internationalisierung voran. Noch in diesem Jahr plant Uzin Utz den Bau eines neuen Werks in den USA. Ab 2023 sollen in Übersee erstmals auch Klebstoffe produziert werden. Mittelfristig soll der Auslandsanteil auf 75 Prozent wachsen. Bis zum Jahr 2025 soll der Umsatz um rund 40 Prozent zulegen. Zwar blieb der Umsatz für das Jahr 2019 mit einem Plus von 7,7 Prozent auf 372,4 Millionen Euro etwas hinter den Erwartungen zurück. Doch sprechen die gute Baukonjunktur und vor allem die höhere Profitabilität für steigende Kurse. TS

Interview: "Notierung treibt uns zu Höchstleistung"


Börse Online: Die Baukonjunktur spricht für Ihr Unternehmen, allerdings steigen auch die Rohstoffkosten - was erwarten Sie für das laufende Jahr?

Julian Utz: Für das Jahr 2020 sind wir positiv. Der Neubau von Immobilien in Deutschland läuft hervorragend, dazu kommen viele Renovierungen. Schließlich brauchen alle Wohneinheiten Bodenbeläge. Auch für die ausländischen Märkte sieht es gut aus.

Das bestimmende Thema am Kapitalmarkt ist aktuell das Coronavirus. Wie stark sind Sie betroffen?

Utz: Bislang nicht so stark, vor allem weil der Umsatzanteil in Fernost bei uns noch nicht die große Rolle spielt. China wird aber bedeutender. Wir schreiben dort bereits schwarze Zahlen. Auch die Qualität der verarbeiteten Rohstoffe und Produkte nimmt dort zu. Dazu kommt der Renovierungszyklus mit längerfristigem Werterhalt. Der Umsatzanteil beläuft sich zwischen zwei und drei Prozent, die Wachstumsraten sind allerdings zweistellig.

Ihr Umsatzziel von 400 Millionen Euro für 2019 haben Sie knapp verfehlt. In Ihrem Programm "Passion 2025" sind 550 Millionen Euro geplant - erreichen Sie das?

Heinz Leibundgut: Wir haben unser Potenzial sondiert und darauf basierend die Zahlen hochgerechnet. So sind wir auf das organische Wachstum von 550 Millionen Euro gekommen. Das ist plausibel und erreichbar. Die Umsatzrendite haben wir bei mindestens acht Prozent angesetzt.

Das ist etwas weniger, als was Sie bislang erreichen wollten ...

Leibundgut: ... das stimmt, wir sind etwas vorsichtiger geworden, auch weil wir mehr investieren. In diesem Jahr haben wir rund 29 Millionen Euro veranschlagt.

Mit "Passion 2025" wollen Sie weiterhin kräftig zulegen. Wie sieht das aus?

Utz: Hier haben wir etwa unsere Kern-, Wachstums- und Aspirantenmärkte definiert. Die Strategie hat vier Stoßrichtungen, die für uns eine zentrale Bedeutung haben: People, Products & Services, Profit und Planet. Hier wollen wir 25 Prozent unserer CO2-Emissionen bis 2025 einsparen.

Welcher Markt ist künftig der wichtigste?

Leibundgut: Die USA sind der wichtigste Auslandsmarkt in unserer Mittelfriststrategie. Dort bauen wir unser zweites Werk. Die Wachstumsraten liegen pro Jahr zwischen zehn und 20 Prozent. Ziel ist es, den Umsatz in den USA auf 100 Millionen Euro zu verdoppeln.

Sie haben zwei Großaktionäre, der Streubesitz liegt bei 20 Prozent. Für größere Investoren ist das nicht gerade attraktiv.

Utz: Dessen sind wir uns bewusst. Doch wird die Familie investiert bleiben. Und sollten wir irgendwann eine Kapitalerhöhung planen, wird die Familie Utz dabei sein.

Steht denn eine Kapitalerhöhung an?

Utz: Aktuell nicht. Sollten wir künftig eine größere Akquisition planen, müssten wir das überdenken. Die geplanten Investitionen können wir über den Cashflow und Bankdarlehen abdecken.

Haben Sie einen Börsenrückzug im Sinn?

Utz: Der Aufwand ist groß und die Kosten sind nicht zu unterschätzen. Wir wären jedoch nicht so stark gewachsen, wenn wir nicht börsennotiert gewesen wären. Die Notierung treibt uns zur Höchstleistung. Ein Rückzug steht nicht auf der Agenda. TS