Jüngst wuchs die Besorgnis über Investment-Blasen zu Nachhaltigkeit. So warnte der US-amerikanische Finanzdienstleister und Indexanbieter MSCI bereits im Mai, dass die börsengehandelten Fonds für saubere Energie so überlaufen sind wie Technologieaktien auf dem Höhepunkt des Booms 1999. Ob wir es wollen oder nicht: Blasen sind genau das, was wir in dieser Phase des nachhaltigen wirtschaftlichen Übergangs erwarten sollten.

Die Gefahr besteht allerdings darin, dass wir ihre Existenz so interpretieren, dass sie verantwortungsvolle Investitionen in irgendeiner Weise entwerten. Dabei sind sie ein nützliches Signal, um nach effektiveren Wegen zur Verbesserung der Gesellschaft und unseres Planeten zu suchen. So kann schlussendlich nachhaltiger Wohlstand für Investoren geschaffen werden.

Eine nützliche Analogie: Der Technologie-Boom der 1990er

Sowohl Nachhaltigkeit aktuell als auch der Technologie-Boom der 1990er-Jahre stehen für einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie die Gesellschaft funktioniert.

Zur Jahrhundertwende veränderte das Internet bereits die Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren -indem es neue Wege der Kommunikation eröffnete und die Kanäle für kommerzielle Aktivitäten neu ordnete. Ein Trend, der anhält.

In ähnlicher Weise ermöglichen saubere Energiequellen den unverzichtbaren und unvermeidlichen Ersatz älterer, kohlenstoffhungriger Methoden der Energieerzeugung. Erneuerbare Energien haben bereits die fossilen Brennstoffe als Hauptquelle für die Stromerzeugung in Großbritannien überholt.

Als Anlagethema hat sich saubere Energie als besonders beliebt erwiesen. Das ist auf die weit verbreitete Erkenntnis zurückzuführen, dass mit kohlenstoffintensiven Anlagen in passiven Portfolios Risiken verbunden sind. Dies wiederum hat die Nachfrage nach börsengehandelten Fonds (ETF), die Indizes für saubere Energie abbilden, auf ein Allzeithoch getrieben. Diese Indizes werden konstruiert, indem Unternehmen auf ihre Umwelteigenschaften untersucht werden, wobei diejenigen mit einer hohen Bewertung übergewichtet werden - während diejenigen mit der niedrigsten Bewertung ausgeschlossen werden.

Ein solcher Ansatz erwies sich anfangs als effektiv, da diesen Faktoren, bevor der Trend zum ESG-Investment (Environmental Social Governance - zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) einsetzte, nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Indizes, die diese nun gefragten ESG-Unternehmen gewichten, schnitten daher gut ab.

Aber: Die Nachfrage ist so schnell gestiegen, dass die Preise der zugrunde liegenden Aktien so stark aufgebläht wurden, dass nicht nur MSCI vor einem Konzentrationsrisiko bei diesen Produkten gewarnt hat.

Dies wiederum hat die Wahrscheinlichkeit einer Preisblase und das Potenzial, dass diese Blase platzt, erhöht. Sollte dies der Fall sein, könnten sich einige Anleger fragen, ob das "verantwortungsvolle Investieren" damit schon wieder ausgedient hat.

Treuhänderische Pflicht der Vermögensverwalter

Eine solche Sichtweise ist jedoch unangebracht. Sie gleicht der Aussage, dass langfristige Investitionen in das Internet nach der Dot.com-Blase niemals funktionieren würden. Eine Entscheidung, Tech-Aktien im Jahr 2000 auszuschließen, hätte sich in den vergangenen 20 Jahren als besonders nachteilig für Anleger und ihre Renditen erwiesen.

Verantwortungsbewusstes Investieren ist eine weitaus größere, strukturelle Entwicklung des Investierens als ein enger Indexfonds und eine, bei der die Welt endlich aufgewacht ist. Und folglich auch der Rest unserer Branche. Es ist ein Investmentansatz, der sicherstellt, dass Vermögensverwalter ihre treuhänderische Pflicht erfüllen. Ganz klar: Unsere Verantwortung gegenüber den Anlegern geht weit über die Prüfung traditioneller Kennzahlen hinaus, so wichtig diese auch sind. Relevante und wesentliche Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren sind für jede Anlageentscheidung entscheidend. Wer sie ignoriert, riskiert bedeutende potenzielle Risiken oder eben, Wachstumschancen zu verpassen, die mit einem Unternehmen verbunden sind.

Investmentmanager können zum Beispiel Unternehmen identifizieren, die ihre Umweltrisiken besser managen, ihre Governance-Praktiken verbessern oder ihre Arbeitspraktiken angehen müssen. Diese Faktoren haben das Potenzial, den Wert zu steigern, wenn sie sich verbessern. Dies ist eine von Untersuchungen gestützte Prämisse, die in 90 Prozent der Studien zu diesem Thema einen Zusammenhang zwischen soliden ESG-Standards und niedrigeren Kapitalkosten feststellt. Das sichert langfristig auch die Rendite für die Anleger.

Stockpicking statt breiter Anlage in Indexfonds

Leider ergreifen unserer Meinung nach immer noch zu wenige Vermögensverwalter die Möglichkeit, sich zu engagieren und die Unternehmen, in die sie investieren, dabei zu unterstützen, ihre ESG-Eigenschaften durch das sogenannte Stewardship zu verbessern. Dies würde zum Nutzen ihrer Stakeholder, darunter Investoren, Mitarbeiter und Kunden des investierten Unternehmens sowie letztlich der Gesellschaft insgesamt beitragen. Zwei mögliche Ansätze, die Vermögensverwalter hierzu einsetzen können, sind ein regelmäßiger Dialog mit dem Vorstand oder die Nutzung von Stimmrechten.

Durch tiefgreifende Fundamentalanalyse und Stewardship sollten Investoren, die ein langfristiges, nachhaltiges Vermögen anstreben, damit einverstanden sein, dass ihre Portfolios erheblich von den Index-Benchmarks abweichen. Schließlich wird die Investitionsentscheidung davon bestimmt, wo die Chancen liegen - und nicht vom Versuch, einen Index abzubilden. Dies schafft dann die zusätzliche Möglichkeit, Blasen zu umgehen, die sich im neuesten thematischen Trend des verantwortungsvollen Investierens bilden. Die besten Stockpicker folgen natürlich nicht der Masse.

In jedem Fall: Verantwortungsvolles Investieren ist keine Blase, die kurz vor dem Platzen steht. Es ist ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel -sogar eine Revolution -, der für die langfristige Vermögensbildung von Investoren ebenso erfolgreich ist, wie er für die Gesundheit unseres Planeten entscheidend ist.
 


Saker Nusseibeh
CEO von Federated Hermes

Der 1961 in Jerusalem geborene Palästinenser Nusseibeh gehört zu den Gründungsmitgliedern des Clubs der 300, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Investmentbranche unangenehme Fragen zu stellen. Seit Mai 2012 führt er den britischen Vermögensverwalter Hermes, der unter anderem den Pensionsfonds der BT Group verwaltet.