Börsianern fällt es im Moment besonders schwer, sich eine Meinung zu bilden. Sind wir nun am Ende des längsten Bullenmarkts der Geschichte? Oder geht die Rally nach einer kurzen Verschnaufpause weiter? Für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente. Klar ist aber auch: Zu Übernahmen kommt es in jeder Börsenphase, ob gut oder schlecht. Und in den meisten Fällen zahlt der Käufer dabei ein ordentliches Aufgeld.

Dass sich mit einer Auswahl von Übernahmekandidaten gutes Geld verdienen lässt, zeigt der vom Finanzen Verlag entwickelte Solactive German M & A-Index. Der Index, auf den Unicredit ein Zertifikat (WKN: HU5 JPC) begeben hat, schaffte seit dem Start im September 2012 einen Zuwachs von mehr als 220 Prozent. Im gleichen Zeitraum legte der DAX nur um rund 63 Prozent zu. Auch der MDAX hat mit einem Zuwachs von rund 125 Prozent das Nachsehen. Wem es gelang, im März 2018 zu Höchstkursen auszusteigen, der konnte seinen Einsatz sogar fast vervierfachen.

Nun soll dem deutschen Vorbild ein europäisches Pendant folgen: Ein Portfolio mit 20 Übernahmekandidaten, die sich über den ganzen Kontinent verteilen. Die Redaktion ist überzeugt, damit vergleichbare Indizes wie etwa den Stoxx 600 schlagen zu können.

Die Ausgangssituation könnte besser kaum sein. Gerade haben Zentralbanken den Pfad zur Normalisierung der Zinsen wieder verlassen. Selbst in den USA dürfte der nächste Zinsschritt eher nach unten gehen. Damit bleibt die Refinanzierung von Übernahmen preiswert. Gleichzeitig sind viele europäische Währungen im Vergleich etwa zum Dollar niedrig bewertet. Dadurch sind die Firmen zumindest für potenzielle Käufer, die in Dollar oder - wie die Chinesen - in Dollaräquivalenten rechnen, preiswert.

Viel Kapital auf der Suche


Darüber hinaus schließen sich immer mehr institutionelle Investoren großen Kapitalpools an. Versicherungen, aber auch Pensionskassen müssen ihre Aktien-investments monatlich zu den aktuellen Kursen bewerten. Deshalb wollen die Manager der Branche die Schwankungen reduzieren. Die Mittel fließen in spezialisierte Fonds. Hier bilanzieren die Geldgeber den Nennwert und kassieren eventuell sogar eine kleine Verzinsung.

Abgerechnet wird erst zum Schluss, wenn der Fonds geschlossen wird, um die Investoren auszuzahlen. Ein großer Teil dieser Fonds wird von Private-Equity-Firmen initiiert. Das US-Beteiligungsunternehmen Blackstone sammelte jüngst mehr als 22 Milliarden Dollar für einen Buy-out-Fonds ein. Wettbewerber Apollo hatte 2017 fast 25 Milliarden eingeworben. Bei dauerhaft niedrigen Zinsen dürfte die Branche weiter mit Geld überschüttet werden.

Neben Beteiligungsfirmen stehen strategische Käufer mit vollen Kassen parat. Das sind Firmen, die mit einer Übernahme ihren Geschäftsbetrieb ausweiten wollen. Sie interessieren sich für neue Produkte und Kostensynergien, aber auch für neue Absatzgebiete, die der Übernahmekandidat im Idealfall besetzt hat. In der Regel zahlen strategische Käufer die höheren Übernahmeprämien.

Besonders stattlich sind die Prämien für Biotechfirmen und Unternehmen aus den Sektoren Software und Halbleiter. Die gebotenen Preise können schon mal doppelt so hoch sein wie der Kurs vor Bekanntwerden der Übernahme. Der Grund: Hier ist das Know-how der Mitarbeiter wichtig. Der Käufer zahlt eine dicke Prämie - wissend, dass die Mitarbeiter beteiligt sind, und hoffend, dass sie auch nach dem Eigentümerwechsel im Unternehmen bleiben.

Die Selektionskriterien


Natürlich ist es unmöglich, Übernahmen vorherzusagen, schon gar nicht im 20er-Pack. Wer nur Übernahmekandidaten auswählt, die in der Öffentlichkeit gerade heiß gehandelt werden, ist oft zu spät dran. Ein durchdachter, systematischer Selektionsprozess erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit, beim einen oder anderen hochprozentigen Deal abkassieren zu können. Grundsätzlich sollte der Auswahlprozess immer so gestaltet sein, dass ein Übernahmeportfolio auch dann gute Ergebnisse liefert, wenn die Übernahmen ausbleiben.

Bei der Auswahl der Titel achtet die Redaktion auf folgende Punkte: Herkunftsland, Mindestbörsenwert, M & A-Affinität, operative Qualität, solide Finanzen sowie hohes Kurspotenzial, sollte die Übernahme zu marktüblichen Konditionen erfolgen.

Entsprechend wurde ein mehrstufiger Prozess aufgesetzt, um die Gesamtheit börsennotierter europäischer Unternehmen auf 20 Werte zu reduzieren. Denn diese Größe hat sich beim deutschen M & A-Portfolio als optimal erwiesen. Entwickelt sich ein Wert gut, ist der Einfluss auf den Gesamtindex messbar. Das absolute Risiko einer Einzelaktie liegt bei einer Gleichgewichtung aller Werte jedoch nur bei fünf Prozent.

Land und Börsenwert
Um Chancen auf einen Platz im Portfolio zu haben, muss das Unternehmen seinen Sitz in Europa haben. Die Wertpapier-ISIN muss die Kennung eines europäischen Staates tragen. In die engere Auswahl kommen Firmen mit einem Börsenwert von mehr als 200 Millionen Euro. Damit ist eine Mindestliquidität gesichert.

M & A-Affinität

Die verbleibenden Werte werden auf ihre M & A-Affinität getestet. Hier achtet die Redaktion darauf, ob das Unternehmen in den vergangenen 24 Monaten bereits als potenzieller Kaufkandidat gehandelt wurde. Es wird untersucht, ob in der Branche Konsolidierungsprozesse stattfinden. Auch Firmen, bei denen sich ein Großaktionär eingekauft, aber noch kein Übernahmeangebot unterbreitet hat, zählen zum engeren Kandidatenkreis. Wer es ins Portfolio schaffen will, sollte zumindest eines dieser drei Kriterien erfüllen.

Qualität und Finanzen
Wer die vorgenannten Hürden meistert, wird einem Qualitätscheck unterzogen. Dabei wird hinterfragt, ob das Geschäftsmodell attraktiv ist und ob die Finanzen eine soliden Eindruck machen. Firmen die diesen Test durchlaufen, sollten an der Börse auch ohne Übernahme zumindest eine stabile Entwicklung versprechen. Im Einzelnen wird geprüft, ob das Unternehmen laut Marktstudien und Analystenberichten in seinen jeweiligen Marktsegmenten zu den führenden Anbietern gehört: Sind Produkte oder Dienstleistungen - wenn überhaupt - nur mit hohem Aufwand kopierbar? Gleichzeitig sollte die Bilanz des Unternehmens laut Analysteneinschätzung zumindest solide sein. Mit dem Bilanztest werden Kursrisiken reduziert.

Kurspotenzial entscheidet
Im letzten Schritt des Auswahlprozesses kommt es auf das Kurspotenzial an. Für jeden Wert wird ein Kursziel ermittelt. Die Kursziele orientieren sich an historischen Bestwerten, aber auch an den bei Übernahmen in der jeweiligen Branche gezahlten Multiplikatoren und - das ist vor allem für Biotechwerte relevant - an den Aufschlägen zum Durchschnittskurs. In die Auswahl schaffen es jene 20 Werte, die im Fall einer Übernahme den höchsten Kurszuwachs versprechen. Bei den aktuell im Index befindlichen Aktien beträgt das theoretische Kurspotenzial - wenn also alle Firmen übernommen würden - mehr als 50 Prozent.

Im Internet tagesaktuell Damit Leser das Depot verfolgen können, wird das Europa M & A-Portfolio im Internet mit tagesaktuellen Notierungen veröffentlicht. Die Seite ist leicht zu finden: Auf www.boerse-online.de gibt es einen Reiter "Musterdepots". Unter diesem befindet sich das Portfolio unter "European M & A-Depot". Dort wird die Redaktion die Entwicklung der 20 Werte laufend kommentieren. Läuft alles nach Plan, wird sich das Portfolio nicht allzu häufig verändern. Denn gerade Geduld war beim deutschen M & A-Portfolio der Garant für die gute Entwicklung. Gleichwohl behält sich die Redaktion vor, bei Bedarf einzelne Werte austauschen. Das sollte natürlich idealerweise dann der Fall sein, wenn die Aktie nach einem Übernahmeangebot stark angestiegen ist.