Liest man aktuell Börsennachrichten, hat man oft den Eindruck, dass es, zumindest bis zum jüngsten Rückschlag, nur noch um Rekorde von Techaktien geht. Dabei haben es längst auch andere Branchen zu neuen Höchstständen geschafft. Sogar Bereiche, die stark von der Pandemie getroffen wurden. Die Industriebranche ist so ein Fall. Genauer gesagt, das Teilsegment Industrial Engineering, das sich mit Leistungserstellungsprozessen befasst. Ein anderer Begriff dafür lautet "Industriebetriebslehre". Im Kern geht es darum, die Produktivität von Unternehmen zu erhöhen, indem Mitarbeiter, Materialien und Maschinen optimal eingesetzt werden.

Die beiden Branchenindizes Stoxx Europe Total Market Industrial Engineering und Dow Jones US Industrial Engineering diesseits und jenseits des Atlantiks vermelden Rekordkurse. Mit Zuwächsen von jeweils mehr als 30 Prozent in sechs Monaten haben diese Indizes nicht nur die herben Corona-Einbrüche wettgemacht, sondern auch ihre mittelfristigen Seitwärtstrends mit neuen Bestmarken beendet. Seit März 2009 kommen beide Barometer auf Zuwächse von 325 beziehungsweise 426 Prozent. Allerdings bedeutet die starke Bilanz nicht, dass Aktien aus diesem Segment Selbstläufer sind - das war früher nicht so und ist es erst recht nicht in Zeiten der Corona-Maßnahmen.

Grund zu Optimismus

Insgesamt hat die Erholung der Industrie zuletzt etwas an Schwung verloren. In Deutschland konnte das produzierende Gewerbe bislang erst etwa 57 Prozent des Corona-Einbruchs wettmachen. Eine mögliche zweite Pandemiewelle birgt ebenso viele Unwägbarkeiten wie die Neuordnung der globalen Lieferketten, die sich zuletzt beschleunigt hat. Doch es bestehen auch Chancen. Weltweit überraschten die Konjunkturindikatoren zuletzt positiv. Die Rekorde bei den Industrial-Engineering-Indizes deuten an, dass die Marktteilnehmer zuversichtlich nach vorn blicken. Und obwohl es auch in den Vorjahren zu Problemen kam, stimmte letztlich die Performance. Es gibt also in diesem Segment Gewinneraktien mit Geschäftsmodellen, die mit Herausforderungen gut zurechtkommen.

Wir haben vier Mitglieder aus den beiden Indizes herausgepickt, die besonders aussichtsreich sind. Etwa der Maschinenbaukonzern Atlas Copco. Die Schweden sind Spezialisten für Bau-, Industrie-, Vakuum- sowie Kompressortechnik. Die Aktie legte von 2002 bis Juli 2019 von 13,89 auf 428 schwedische Kronen (41,28 Euro) zu. Laut Analysen der Landesbank Baden-Württemberg ist Atlas Copco eine finanziell solide und gut aufgestellte Gesellschaft mit einem starken und stabilen Cashflow. Zudem verfügt der Konzern über eine gute Marktposition, eine breite Streuung nach Regionen und Kunden sowie ein starkes Servicegeschäft.

Hexagon ist ein führender Anbieter von Sensor-, Software- und autonomen Lösungen und ebenfalls in Schweden beheimatet. Daten werden genutzt, um Effizienz, Produktivität und Qualität für Anwendungen in der industriellen Fertigung und in den Bereichen Infrastruktur, Sicherheit und Mobilität zu steigern. Das Produktangebot kam in den vergangenen Jahren bei den Kunden gut an. Der Aktienkurs ist von 2002 bis 2020 von zwölf auf 657,80 Kronen gestiegenen. Dank Wettbewerbsvorteilen und mehr als 3700 Patenten dürften die Schweden diese Erfolgsstory fortschreiben. Die Bank of America sieht in Hexagon einen Profiteur der Umstellung der während der Corona-Krise oft unterbrochenen Lieferketten.

Das trifft laut dem US-Institut sowie der Berenberg Bank auch auf den US-Konzern Rockwell Automation zu. Die Tatsache, dass Lieferketten ins Herkunftsland zurückverlagert werden, und der steigende Bedarf an Automatisierungslösungen soll laut den Analysten zu überdurchschnittlich hohem Wachstum verhelfen. Der Konzern verfügt dank immaterieller Vermögenswerte und Umstellungskosten zudem über einen breiten wirtschaftlichen Schutzgraben. Beim sogenannten Piotroski F-Score, der die Stärke der Finanzlage beurteilt, kommt der Anbieter von industriellen Automatisierungs- und Informationslösungen auf acht von neun möglichen Punkten. Der Aktienkurs stieg von 1982 bis heute von drei auf 237,30 US-Dollar.

Mit sieben Punkten steht beim Piotroski F-Score auch Cummins gut da. Wettbewerbsvorteile bestehen in einer ikonischen Marke und einem großen Portfolio an geistigem Eigentum. Die Stärke des US-Anbieters von Motoren und Energieversorgungssystemen zeigte sich im vergangenen Jahrzehnt an einer außergewöhnlich hohen Rendite auf das eingesetzte Kapital von im Schnitt 22,2 Prozent. Für Spannung sorgt zudem der Kapitalmarkttag am 16. November zum Wasserstoffgeschäft. Die Aktie stieg von November 1990 bis August 2020 von 3,91 auf 213,51 Dollar. Der positive Trend dürfte sich fortsetzen.

Auf einen Blick: Industrie


Das Segment Industrial Engineering umfasst die Gestaltung, Planung und Optimierung von Leistungserstellungsprozessen in der Industrie. Das Ziel sind die Erhöhung der Produktivität, geringere Durchlaufzeiten, bessere Qualität und geringere Kosten.