Der deutliche Anstieg der US-Inflationsrate im Mai auf 8,6 Prozent setzt die US-Notenbank unter Druck. Auf ihrer Sitzung am kommenden Mittwoch (15.6.) könnte die Fed deshalb einen deutlich schärferen Kurs als bisher einschlagen. Bereits auf ihrer Sitzung Anfang Mai hatten die Währungshüter den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent angehoben. Ein weiterer Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten gilt unter Experten als wahrscheinlichstes Szenario. Doch mittlerweile halten immer mehr Beobachter auch 0,75 Prozentpunkte für möglich. Auf der Agenda steht also nicht weniger als die Abkehr vom bisherigen moderaten Zinsanpassungskurs der US-Notenbank.
Wegen der Fed - Märkte geraten in Schieflage
Die Sorge vor kräftigen US-Zinserhöhungen und damit einem erhöhten Rezessionsrisiko hat die Aktienmärkte voll erfasst. Auch den DAX, der am Montag seine Talfahrt fortsetzte, nachdem er schon am Freitag über drei Prozent verloren hatte. Strafft die US-Notenbank ihren Kurs am Mittwoch stärker als erwartet, könnten die Aktienkurse weiter unter Druck geraten.
Technologiewerte sind davon besonders stark betroffen - bereits am Freitag brach der breiter gefasste S&P-500-Index um 2,9 Prozent ein, der technologielastige Nasdaq-Composite-Index sogar um 3,5 Prozent. Wegen ausufernder Inflations- und Wachstumssorgen geraten aber zunehmend auch Bankaktien wie Deutsche Bank und Commerzbank unter die Räder. Die Aussicht auf höhere Zinsen belastet zudem Wohnungsaktien wie Vonovia, Tag Immobilien und Patrizia.
Zum Wochenstart musste auch die Kryptowährung Bitcoin weiter kräftig Federn lassen und fiel zeitweise um 20 Prozent. Dagegen legte der Dollar im Vergleich zu den wichtigsten Währungen deutlich zu.
Dabei steckt die Fed in einem Dilemma: Reagiert sie zu schwach oder zu spät, gerät die Inflation außer Kontrolle. Reagiert sie zu stark, riskiert sie einen Konjunktureinbruch. Beides sind Negativszenarien für den Aktienmarkt. Marktbeobachter rechnen dennoch damit, dass die Fed nun der Inflationsbekämpfung Vorrang einräumt - und weitere Zinsschritte von einem halben Prozentpunkt im Juli und in den Folgemonaten anpeilt. Auch das bereits im Juni gestartete Abschmelzen der Bilanzsumme könnte sie beschleunigen - was den Märkten weiter Liquidität entzieht und die Zinsen ebenfalls tendenziell nach oben treibt.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) ist inzwischen auf einen Zinserhöhungskurs eingeschwenkt, der sich aber nach Meinung der meisten Experten aber in moderaten 0,25-Prozentpunkt-Schritten abspielen dürfte. Denn hier setzt der Zinsanpassungskurs über steigende Anleiherenditen hochverschuldete südeuropäische Staaten wie Italien unter Druck. "Bei Zinsen von vier oder fünf Prozent rutscht Italien in Richtung Staatspleite", warnt ZEW-Experte Friedrich Heinemann. "Das würde die EZB nie zulassen. Lieber verfehlt sie ihr Inflationsziel."
ehr