An den Börsen geht es weiter aufwärts. "Impfstoff-Rally" nennen das einige. Mit gutem Grund. Zwar wird es noch dauern, bis tatsächlich ein Impfstoff gegen das Coronavirus auf den Markt kommt, doch die News aus der Forschung stimmen positiv: Es wird wohl nicht mehr allzu lange dauern (siehe Seite 8). Und weil das so ist, steigt eben auch die Stimmung der Börsianer. Statt die hohen Infektionszahlen und Beschränkungen im Alltagsleben zu beklagen, setzt man jetzt eben auf die Perspektiven einer Zeit nach Corona.

Zur guten Laune an der Börse tragen derzeit aber auch positive Wirtschaftsdaten bei. In China beispielsweise lag die Industrieproduktion deutlich über den Markterwartungen. Und in Japan stieg das Bruttoinlandsprodukt, angetrieben von Konsum, besseren Exporten und staatlichen Hilfsprogrammen, im dritten Quartal um fünf Prozent über den Wert des Vorquartals - das ist der höchste Anstieg seit mehr als 50 Jahren. Allerdings ging dem bekanntlich ein herber Abschwung voraus, was auf Jahressicht gerechnet besonders drastisch wirkt: So folgte auf den Einbruch von 28,8 Prozent im zweiten Vierteljahr ein Plus von 21,4 Prozent im dritten. Ohnehin ist auch im Inselstaat das Thema Corona längst nicht erledigt. Zuletzt gab es an drei Tagen hintereinander einen neuen Höchstwert bei den Neuinfektionen.

Warnungen vom Fed-Chef


Dass die Börse der wirtschaftlichen Erholung deutlich vorauseilt, zeigen auch die jüngsten Anmerkungen von Jerome Powell, dem Chef der US-Notenbank Fed. Der warnt vor "herausfordernden Monaten". Er ist ganz klar der Meinung, dass Geld- und Finanzpolitik in Amerika nachlegen müssen, um mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie fertigzuwerden. Powell sorgt sich vor allen um die langfristigen Folgen der Pandemie, welche die Ungleichheit in den Volkswirtschaften wohl noch verstärken werde. "Die Wirtschaft wird sich erholen, aber es wird eine andere Art von Wirtschaft sein", sagt er.

Die Geldpolitik der Notenbanken wird daher auch weiterhin locker bleiben. "Unserer Ansicht nach könnte die Ausweitung der Zentralbankbilanzen noch bis zum zweiten Halbjahr 2021 in den USA und bis Ende nächsten Jahres in der Eurozone anhalten", erwartet etwa Mark Dowding, Chefanleger beim Vermögensverwalter BlueBay Asset Management.

Kurzfristig spricht das also weiter für Aktien. Dowding warnt aber vor einem möglichen Wendepunkt, sobald die Pandemie abebbt. "Die Aussichten für die Märkte könnten dann ungewisser werden, sobald die Anleger das Gefühl haben, dass der Höhepunkt politischer Stützungsmaßnahmen überschritten ist und sich das Blatt zu wenden beginnt."

Billionen für den Klimaschutz


Doch zunächst spielt dies an den Börsen keine Rolle. Denn gerade in den USA wird sich durch die Abwahl von Donald Trump in den kommenden Monaten vieles in der Wirtschaftspolitik verändern. Der künftige Präsident Joe Biden könnte dabei als Initiator des größten Klimaschutzprogramms überhaupt in die Geschichte eingehen.

Denn um auch die US-Wirtschaft insgesamt zu beleben, sollen rund zwei Billionen Dollar für den Klimaschutz mobilisiert werden. Das sieht man jetzt schon an der Wall Street. Während Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien deutlich zulegen, gibt es herbe Rückschläge für Werte aus dem Bereich Öl und Gas. Ölmultis wie Exxon und Royal Dutch Shell etwa beschleunigten zuletzt ihre Talfahrt noch.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com